Nach(t)kritik

Poesie liegt in der Luft

Josephine Musil-Gutsch
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Es ist ein heißer Sommerabend Ende Mai und der kleine Saal der Seidlvilla ist zum Bersten gefüllt. Es ist kein Poetry Slam und dennoch steht die Hälfte des Publikums eng zusammen gedrängt, weil es keine Sitzplätze mehr gibt. Man ist gekommen um zehn jungen, gut aussehenden Münchnern bei einer alljährlichen Lesung von selbst verfassten Gedichten und Prosastücken zu lauschen. Was zuvor in der Süddeutschen Zeitung groß angekündigt war,  ließ das Lyrikkollektiv July in der Stadt am 24. Mai 2012 Wirklichkeit werden. July in der Stadt zauberte ein gut durchdachtes Wortgeflecht, anmutige Sätze und charmante Reime herbei und ließen sie in der warmen Sommerluft wieder verklingen. In allem war der sommerliche Charme aus „Münchens Hinterhöfen“, dem Entstehungsort der Gedichte, zu spüren. Die Liebe, der Aufbruch in ferne Länder, die Suche nach Sich selbst – es sind junge Themen, mit denen sich das Lyrikkollektiv beschäftigt. Doch immer sind sie ungewöhnlich verpackt: klug und karg, leise und laut, treffsicher und wortgewaltig. Die zehn Poeten von July in der Stadt spielen mit Witz und Wohlklang, sprechen von Sehnsucht und Alltag und sind dabei weder platt noch hoch gestochen. Das liebevoll und professionell gestaltete Programm zum Mitlesen -  ebenso wie die Gedichte – lassen erkennen, dass man hier mit Herz, Verstand und vor allem der Liebe zur Sprache am Werk ist. Das Lyrikkollektiv schafft das, was weder der comedylastige Poetry Slam, noch altehrwürdige, aber verstaubte Gedichtsvorträge zustande bringen. July in der Stadt macht Lyrik wieder salonfähig.

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