Kultur, Was machen wir heute?

Public Recording mit dem Geheimtipp aus Japan: Aoi Swimming!

Kevin Brandt

Wir waren beim Public Recording von Aoi Swimming im Import Export und haben uns akustischen Experimenten hingegeben. Heute, am 17.09.2015, könnt ihr noch mal von 16:00 bis 20:00 Uhr selbst dabei sein! Um 21:00 Uhr findet im Anschluss die Europapremiere von Aoi Swimming am selben Ort statt.

Aoi Swimming ist ein Geheimtipp aus der japanischen Untergrundszene. Die Japanerin Aoi Maeda kommt aus der Punk- und New Wave-Richtung und spielt am liebsten unkonventionell, experimentierfreudig, spontan. Aoi ist ihr Vorname. “Swimming sounds so cute”, erklärt sie lachend. Swimming ist aber auch eine Lesart für ihre Texte geworden. Die japanische Gesellschaft sei sehr starr, Konventionen bestimmten das öffentliche Leben. Aoi will da raus, sich treiben lassen von ihren Gefühlen und sich frei in ihrer Musik ausdrücken. Oft muten ihre Zeilen surreal an, aber sie verlieren nie die Bindung zur Wirklichkeit. Sie erlebt München und Deutschland als künstlerische und kulturelle Freiräume, wohingegen in Japan Kultur sehr teuer sei. Die Jugendlichen würden von ihr ausgeschlossen, weil sie sich den Zugang nicht leisten können. Und sich in der Kunst zu verwirklichen, fällt vielen schwer, da sich die Regierung nur auf die Wirtschaft konzentriere.

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In Japan sind die Szenen eher verwoben und so lässt auch Aoi verschiedenste Einflüsse zusammenschmelzen. Das Prinzip heißt „Do It Yourself“, nicht den Klang zu perfektionieren. Auf den Ausdruck kommt es an. Genauso wird auch der Abend: offen, neugierig, experimentierfreudig; sich nicht auf einige Instrumente beschränken, sondern den Geist für Neues und Unvorhergesehenes bereithalten.

Experimentierfreudige Performance

Stephanie Müller und Klaus Erich Dietl haben sich, inspiriert von ihrer Japanreise, ein spannendes Konzept überlegt. Dafür haben sie Aoi Swimming in einen Flieger nach München gesetzt und veranstalten zu dritt an zwei Tagen die Public Recordings im Import Export. Sie laden Interessierte ein, einfach etwas gemeinsam aufzunehmen. Es liegen verschiedene Instrumente, Spielzeuge oder Klangkörper bereit. Die Gäste suchen sich aus, was sie neugierig macht oder worauf sie Lust haben. Das Konzept passt sich an die Künstlerin an, es kommen verschiedene Menschen, die in den Aufnahmeraum ganz eigene Einflüsse einbringen. Schnell alles ans Mischpult anschließen, sich ein bisschen absprechen, die ersten Melodien und Rhythmen probieren, der Ton-Mann gibt das OK und los.

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Die Gäste sollen experimentieren. Die teils alltäglichen Gegenstände oder abgewandelten Instrumente nehmen die Scheu, sich einfach darauf einzulassen, auch wenn man keine Instrumente spielt (es schadet aber nicht zu wissen, wie man eine Schreibmaschine bedient). Die hohen Hürden der Professionalität, die Beherrschung eines Instruments, werden abgebaut. Der Anspruch an den Klang wird bewusst herabgesetzt, es soll nicht perfekt klingen oder in Altbekanntem verharren. Auch die Technik wird bewusst simpel gehalten, damit sich jede*r traut, mit den Spuren herumzuspielen. Musik wird so für alle geöffnet. Auch Singen muss nicht sein, es wird gesprochen, gereimt, geschrien, geflüstert oder die Stimme gleich gänzlich als Instrument verwendet. Natürlich ist es kein Problem, ein Instrument zu spielen, aber dessen Möglichkeiten werden erweitert: nur nicht normal.

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Alles ist im Fluss

Man kann nicht vorhersagen, was passiert: Es ist ein Sound-Experiment. Missverständnisse sind eingeschlossen, manchmal klappt die Verständigung nicht, aber Aoi bleibt unerschrocken. Spätestens wenn gespielt wird, harmonieren die Gruppen. Im Laufe des Abends kommen unterschiedliche Menschen im Studio zusammen, aus den wechselnden Konstellationen entsteht immer etwas bisher Ungehörtes. “Auf der Mauer, auf der Lauer” mischt sich mit Aois klarer Stimme und ihrem musikalischen Hintergrund. Alles ist möglich. Während die Instrumente umgebaut werden, gibt es ein wenig Japanisch-Unterricht. Ideen entstehen und werden weiterverfolgt oder doch verworfen. Es fließt vor sich hin.

Auch für Leute, die keine Lust auf Musizieren haben, ist ausreichend gesorgt. An der Musikstation stehen ein Laptop und ein Plattenspieler mit Kopfhörern bereit, die Musik aus Japans Szene spielen. Und es gibt einen Kassettenrekorder, denn: Aoi hat auch Kassetten mitgebracht! Vielleicht werden manche jetzt zu googlen beginnen. Aus den Kopfhörern hallen Klänge, denen man immer wieder lauschen möchte. Eine kleine Auswahl an bereitgestellten Büchern widmet sich den Hintergründen zu Aois Einflüssen. Einige ihrer Texte liegen in Kopien aus, von ihr selbst ins Englische übersetzt. So besonders wie die Künstlerin selbst, ist auch ihr Merchandise: Alles selbstgemacht, genäht, gestickt, bemalt. Ihre CDs stecken in handgearbeiteten Täschchen. Sticker, Kissen, Shirts, Anstecker, Puppen. Fast jedes Stück ein Unikat.

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Als Stephanie und Klaus in Japan bei Aoi waren, haben sie schon erste Aufnahmen gemacht, im Dezember soll es eine gemeinsame Platte zwischen Japan und Deutschland geben. Die Aufnahmen aus dem Import Export werden später noch gemixt bzw. weiterverwendet, umgebaut, angepasst. Jeder Gast ist herzlich eingeladen, aus den Aufnahmen neue Stücke zu basteln. Bei Interesse werden sie auch einfach bereitgestellt, Open Source auf Musik angewandt. Ein innovatives Konzept!

 

Wer das fertige Musikstück kaufen will, muss noch bis Dezember warten. Dann erscheint ein Fanzine über Aoi Swimming, dem die CD beigelegt sein wird. Auf beisspony.com wird es eine Ankündigung geben oder man richtet sich direkt an steffi@beisspony.com. Am Freitag, den 18.09.2015, entwickelt Stephanie Müller mit Aoi Swimming in der Seidlvilla noch eine Text-Sound-Performance. Los geht’s um 19:30 Uhr im Rahmen der Ausstellung „Haiku sucht“, Tickets kosten 7.- bzw. ermäßigt 5.- Euro.

 

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Fotocredit: Stephanie Müller

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