Stadt

Rettet die Münchner Freiheit – Bürgerinitiative mit Start-Up-Charakter

Markus Okur saß vor ein paar Tagen bei einer Pressekonferenz plötzlich auf der anderen Seite des Tisches. Ein neues Erlebnis für fast alle, die sich die Rettung der Feilitzschstraße auf die T-Shirts und Poster geschrieben haben. In einem Bekennerschreiben auf mucbook berichtet Markus von dem ungewohnten Gefühl, Teil einer Bürgerinitiative zu sein.

Zugegeben: Bürgerinitiative – bei diesem Wort dachte ich bislang eher an gesetztere Herrschaften in hellgelben Pullundern, die sich in muffigen Parteizentralen bei Filterkaffee und Butterkeksen nicht enden wollende Debatten über Radwege, Abwasserverordnungen oder Krötenwanderungen liefern. Kurzum: Da willst Du lieber nicht dabei sein.

Dass ich selber einmal in die Situation kommen würde, eine Bürgerinitiative zu starten, hätte ich niemals gedacht. Schuld war, wie so oft, eine alte Jugendliebe. Ihr schöner Name: Münchner Freiheit. Genauer gesagt: Die Feilitzschstraße.

Feilitzschstraße: Puls von 180

Der rund 100 Meter lange Abschnitt der Feilitzschstrasse verbildlicht den rasanten Sprint in der Entwicklung, den Schwabing in den letzten Jahrzehnten hingelegt hat. Hier ist Geschichte sichtbar, Culture Clash pur. In den auf edel getrimmten Marmorfassaden spiegeln sich die Wellblech-Nachkriegstrümmerbauten von gegenüber.

Auf dem Kopfsteinpflaster klappernde Drahtesel treffen auf bullige SUVs. Die Fußballer-Braut auf Shopping-Tour trifft auf Schüler, die die den Mathe-Unterricht schwänzen. Die entenfütternde, bayerische Omi trifft auf den quirligen türkischen Dönerverkäufer. Um ihre Work-Life-Balance bedachte schwitzende Top-Manager im Edel-Fitnessstudio treffen auf langsam anglühendes Partyvolk. Dass es die Feilitzschstraße verdient, mindestens zum Weltkulturerbe erhoben zu werden, ist ja eh klar.

Und: Wohin, wenn nicht dorthin, kann man als Münchner denn noch guten Gewissens seine nach Großstadt dürstenden Gäste aus der Provinz führen, um mit der kiezigen Seite Münchens zu prahlen?

Die traurige Nachricht, dass die Feilitzschstraße 7 Ende Juni abgerissen und gegen ein schniekes sechstöckiges Luxus-Wohnhaus an seine Stelle ersetzt werden soll, habe ich Anfang 2011 von einer Freundin erfahren, die als Filmvorführerin im Monopol jobbt. Das ist das Kino, das weder nervige Werbung zeigt, noch Popcorn verkauft und auch Filmen jenseits des Mainstream eine Chance gibt.

Eine Zeit lang, gelang es mir ganz gut, die trüben Gedanken an den Abriss zu verdrängen. Bedenklich wurde mein Zustand, als ich mir fast täglich zum Abendessen aus Kummer einen Döner in Mamas Kebaphaus reinzog (Werbeslogan: “Döner macht schöner”). Da merkte ich engültig, dass mich dieser Verlust doch sehr schmerzen würde. Ich möchte nicht dabei zusehen müssen, wie meine Heimat langsam aber sicher hinter hochmodernen, aber charakterlosen und unbezahlbaren Häuserfassaden verschwindet.

Irgendwie war ich mir sicher, dass ich mit dieser Ansicht unmöglich alleine sein konnte. Doch was tut man in einer solchen Situation? Wie sollte ich vorgehen? An wen sollte ich mich wenden?

Zufällig erreichte mich die Pressemitteilung der Grünen Jugend München, die erklärte, dass sich diese gegen ein geplante Neubebauung an der Feilitzschstraße stellen. Ich schrieb sofort zurück und bot meine Hilfe als Texter und Designer an. Wer hätte geahnt, dass es gelingen würde innerhalb von drei Tagen eine schlagkräftige Initiative aufzubauen?

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Man muss sich unsere Initiative als eine Art Start-Up vorstellen. Eine Hand voll Studenten – latent übernächtigt – mit völlig unterschiedlichen Interessen, Studienfächern und Talenten, die hocheuphorisiert gemeinsam an einem Strang ziehen. Gearbeitet wird vom Küchentisch einer WG-Küche aus, in der U-Bahn oder während der Uni-Vorlesung.

Erster Schritt überhaupt: Das Anlegen der Facebook-Fanpage “Rettet die Münchner Freiheit”.

Man kennt das ja: mittlerweile hat man seine Click-Reflexe soweit geschult, dass man seinen guten Geschmack über die allerorts verstreuten Facebook-Like-Buttons zu definieren versucht. Slacktivimus nennt sich dieses Phänomen, wenn es sich dabei um politische Inhalte handelt. Zusammengesetzt aus “slacker” (engl. für rumhängen) und “activism” bezeichnet dieser Ausdruck Menschen, die sich ganz gemütlich engagieren möchten, ohne ständig auf irgendwelchen Demos rumzustiefeln. In diese Leute setzen wir als Initiative unsere Hoffnung. Durch einen einzigen Click gelingt es fast schon spielerisch ein kritisches Bewusstsein für bestimmte Sachverhalte (Bsp. Gentrifizierung) zu schaffen und die Öffentlichkeit auf unser Anliegen hinzuweisen.

Wie es der Zufall will, hat durch unsere Fanpage auch ein Dokumentarfilmteam von der Hochschule für Film und Fernsehen in München von der Sache Wind bekommen und verfolgt uns seitdem auf Schritt und Tritt. Jetzt wird also auch noch ein Kinofilm über uns gedreht…

Wer jetzt Lust bekommen hat, mitzumachen oder mehr über die Hintergründe erfahren möchte, den verweise ich auf unsere Homepage http://www.kulturelles-schwabing.de

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