Kultur

Von Betthupferln und zellulosefreien Geschäftsmodellen

Jana Edelmann
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Was denken etablierte Medienmacher und erfolgreiche Schriftsteller über Literatur im Internet? Wir haben bei der Buchpreisverleihung Corine den Preisträger Mohammed Hanif und seinen Laudator Claus Kleber befragt.

In München hat sich am Dienstag die Verlags- und Literaturszene versammelt, um Krimischriftsteller, Hörbuchautoren, Essayisten und politische Verdiente mit dem internationalen Buchpreis Corine auszuzeichnen. Wer nicht ausgezeichnet wurde: Blogger, Ebookschreiber, Internetjünglinge. Für die gibt es noch nicht einmal eine Preiskategorie. Die Umfrage ergab: Wirtschaftliche Interessen und die fehlende konservative Wertschätzung von Netz-Inhalten sind der Grund. Noch. Denn die Befragten waren sich einig: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ebooks und andere Internet-Veröffentlichungen auch vom Verlagswesen geehrt werden.

Mohammad Hanif: Corine-Belletristik-Preisträger 2009 für „Eine Kiste explodierender Mangos“; pakistanischer Krimi-Autor
„Eine Auszeichnung für eine Online-Veröffentlichung kann es vielleicht in 5 Jahren einmal geben, aber noch nicht jetzt. Bücher sind Objekte, Menschen wollen Bücher besitzen. Sie wollen Bücher mit ins Bett nehmen, sie wie einen Schatz unter das Kissen legen. Die Menschen sind angezogen von Büchern, weil sie Objekte sind, die sie besitzen können, die greifbar sind. Online-Inhalte dagegen existieren nur irgendwo, sie bleiben abstrakt. Und etwas, dass man besitzen kann, wertschätzt man einfach ganz anders. Bücher haben außerdem einen gewissen Snob-Wert: Sie sind ausgewählt von altmodischen Verlagsmenschen. Die entscheiden, ob etwas Geschriebenes überhaupt Wert ist, gelesen zu werden von einem breiten Publikum. Während bei Online-Veröffentlichungen allein der Leser, der Seitenbesucher, darüber entscheidet. Für mich ist diese Snob-Wertschätzung auf jeden Fall etwas sehr gutes: So kann man vom Schreiben leben, das ist momentan im Internet noch sehr schwierig. Abe ich glaube, das Medium Buch wird nicht für das Medium Ebook aufgegeben werden. Buch und Ebook wird beides existieren, nebeneinander. Ich glaube nicht, dass ein Medium für ein anderes sterben muss.“

Claus Kleber: Hanifs Laudator und Corine-Sachbuch-Preisträger 2005 für „Amerikas Kreuzzüge“; Moderator des ZDF heute-journals
„Ich könnte mir gut vorstellen, dass es das sofort eine Preiskategorie für das beste Ebook geben kann. Es gibt ja auch einen Corine für einen Bildband oder für ein Hörbuch. Warum soll es nicht einen Corine geben für ein Buch, das nur im Internet publiziert worden ist? Vielleicht, weil die Buchverleger die Veranstalter sind, die das Event bezahlen. Die haben natürlich wenig Interesse daran, dieses Medium zu fördern. Aber auf die Dauer wird das nichts helfen. Es muss Geschäftsmodelle geben, die Veröffentlichungen ohne Zellulose unterstützen. Die müssen halt kreativ sein. Vielleicht kommt ja irgendwann die Zeit, wo nur noch die ganz großen Bücher, die Essays von Joachim Fest oder von Heinrich Böll etwa, erhalten bleiben. Und wenn wir ehrlich sind: 80 Prozent der Bücher die wir lesen, die lesen wir jetzt. Und danach schauen wir sie nie wieder an. Vielleicht sind solche Bücher im Internet, ohne Bäume für sie zu fällen, auch besser aufgehoben. Ich glaube, die Gedanken, die Literatur, die romantischen Ideen, all das wird immer seinen Weg finden. Ob das in tausend Jahren noch unbedingt durch das gebundene Buch sein muss? Wer weiß. Aber wir haben doch immer die Sehnsucht danach, die Ansichten und Geschichten anderer Personen, echte und erfundene, zur Kenntnis zu nehmen. Und zwar auch in Worten und nicht nur in Bildern. Und da muss das Verlagswesen seinen Weg finden.“

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