Kultur

Ãœber Tod und Gott, Handbremsen und Ironie

Florian Kaindl

Am Mittwoch war Wolf Haas zu einer Lesung in der Großen Aula der Uni zu Gast. Eindrücke eines schönen Abends.

Vom Brenner selbst gibt es kein Foto. Natürlich nicht, er ist ja eine Kunstfigur. Würde es aber eins geben, müsste man sich den Brenner als Mischung aus Wolf Haas und Josef Hader vorstellen. Der Autor Haas hat die Eigenarten, den Galgenhumor und die Behäbigkeit seines literarischen Helden genauso gut drauf wie der Schauspieler Hader, der den Brenner auf der Leinwand verkörpert. Am Mittwoch ist Haas nach München gekommen, an die LMU, um aus seinem neuen Roman „Der Brenner und der liebe Gott“ vorzulesen.

Das Buch ist, nach der zwischenzeitlichen Abkehr des Autors vom Krimi, eine Rückkehr zu den Wurzeln. Der Brenner zieht immer noch, der Andrang ist groß. Wegen der Studentenproteste muss Haas vom Audimax in die Große Aula umziehen, dort gibt es bald keine Sitzplätze mehr. Die Nachzügler müssen auf die Stufen oder auf den Boden ausweichen – wie im Uni-Seminar. Während nebenan im Audimax ein Plenum stattfindet, auf dem die Studenten über ein Friedensangebot des Rektors beraten, warten die Zuhörer in der Großen Aula begierig auf den Vortrag von Wolf Haas, dem Dozenten.

Und der enttäuscht sein Publikum nicht. Die unfreiwillige Vorlage des LMU-Vizerektors, der sein neues Buch bei der Ankündigung fälschlicherweise „Der Brenner und der Tod“ nennt, nutzt Haas umgehend für seine Einstiegsbemerkung: „Dann kann ich ja gleich noch einen achten Brenner-Roman schreiben.“ Das könnte er, und das Wichtigste ist: Er müsste sich dabei nicht neu erfinden. Der neue Brenner baut auf der gleichen Stilrichtung auf wie der alte. Es geschehen Morde, es werden haarsträubende, aber letztlich hellsichtige Vergleiche und Assoziationen gezogen, und der Brenner wurstelt sich irgendwie durch.

Die absurde Beiläufigkeit der Romanhandlung steigert Haas mit österreichischer Lässigkeit: Er geht körperlich mit, wenn er liest, er dehnt die Vokale, und fixiert genüsslich das Publikum, um dann unvermittelt die Pointe zu setzen. Er formuliert vermeintlich allgemeingültige Sätze wie „Hinter jedem Massenmörder steht eine Massenseufzerin“ oder seziert schonungslos die Probleme vom Brenner beim Anbandeln mit Frauen: „Bei Frauen gibt der Brenner nie Vollgas. Eher Rückwärtsgang. Oder Handbremse.“

Der größte Trumpf des Erzählers Haas ist die Selbstironie. Zwischen den Passagen aus dem neuen Brenner-Roman gewährt er Einblick in sein Leben, in wichtige Entscheidungsprozesse. Den Entschluss, wieder über den Brenner zu schreiben, begründet er mit Auszügen aus Beiträgen von Internet-Usern, die über die wirtschaftliche Notwendigkeit dieses Schritts spekulieren. Einer meint, Haas sei wohl schwer von der Wirtschaftskrise getroffen; ein anderer hingegen ist davon überzeugt, der Schöpfer vom Brenner habe mit seinen bisherigen Büchern einen solchen Reibach gemacht, dass er es sich leisten könne, in Zukunft nur noch Gedichte zu schreiben. Was davon stimmt und was nicht, behält Haas für sich. Die Leute danken es ihm. Nach der Lesung stehen sie von der Bühne bis zur Tür, um sich ihre Bücher signieren zu lassen. Letztlich bleibt die Gewissheit, dass Haas’ Prosa in ihren besten Momenten tatsächlich so ist wie Poesie. Eine wertvolle Sammlung von Lebensweisheiten, ein Blick in den Abgrund der menschlichen Seele. Klug, melodisch, tiefgründig. Schön.

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