Kultur, Nach(t)kritik

Was ich bei Spaceman Spiff gelernt habe.

Anika Landsteiner

Gestern hat Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff in der ausverkauften Glockenbachwerkstatt ein Solokonzert gegeben. Naja, halb solo. Denn er hatte Clara dabei und die ihr Cello. Das Duo hat damit der bittersüßen Traurigkeit der Texte neue Saiten aufgezogen – und ganz alte wieder erklingen lassen.

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Mit Spaceman Spiff kann man immer nach Hause kommen. Ganz leicht vor und zurück schaukeln, sich am Augustiner festhalten, still stehen. Egal ob er, von einer Band begleitet, im Ampere aufschlägt oder mit Clara auf einer kleinen Bühne intime Atmosphäre schafft – so oder so, man fühlt sich immer willkommen. Vor allem aber auch verstanden.

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Gestern, als wiedermal dieser Moment kam, in dem der Spaceman leicht verschmitzt die Gitarre stimmt und kleine Witze im Akkordtakt heraushaut, dann aber ernst wird und beispielsweise “Hamburg” ankündigt, da lacht der Mitte Vierziger hinter mir auf, ein Wiederholungstäter, so einer, der alles kommentieren muss.

“…Ja, da kommt der nämlich her, aus Hamburg!”

Ne, kommt er nicht, durchfährt es mich und ich bin gewillt, mich umzudrehen. Aber dann wäre ich nur noch eine mehr, die ihre Klappe nicht hält, wenn endlich mal jemand was zu sagen hat. Und Hannes sagt:

“… als ich nach Hamburg gezogen bin.”

Und der Mann hinter mir sagt:

“Ach, der kommt gar nicht dort her.”

Ja, eben.

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Die Leute, die auf Konzerten alles kommentieren und sich damit selbst profilieren müssen (“der Song ist vom ersten Album”), sind noch schlimmer, als diejenigen, die die ganze Veranstaltung erbärmlich und verwackelt mit dem Smartphone porträtieren. Von der zweiten Gruppe gab es Gott sei Dank nicht viele und bei Spaceman Spiff schließt man sowieso die Augen. Also habe ich mich durch die Menge geschoben, ein paar Meter weiter vom Moderator des Abends weg und doch weit genug, um zu folgenden Erkenntnissen zu kommen:
Die Clara, die ist wunderbar. Vor allem aber ihr Cello. Und in Kombination mit dem Hannes und seiner launischen Gitarre und dem schweren, roten Vorhang im Hintergrund, wird einem schon warm ums Herz. Und ich stelle fest: So traurig ist das alles gar nicht. Eher melancholisch. Genau so viel, wie es braucht, um an einem regnerischen Abend glückselig nach Hause zu gehen.
Geschenkt hat er uns gestern Folgendes:

… Mut

…wie lange halten wir gegen all die Ichs von morgen und wenn du keinen Mut hast, kann ich dir gerne meinen borgen. Ich hoff’, er führt dich heim. Nur werden muss jeder für sich allein… (Straßen)

…Identitätsfragen und das Finden

…zwischen all der Euphorie und sicher, besser ging’s mir nie, fällt mir wieder ein: Woanders bin ich wer gewesen. Hier muss ich irgendjemand sein. (Hamburg)

…ein bisschen Liebe

…weißt du, eine Wand, überwindet man nach wie vor immer noch am besten mittels einer Tür. Schaust du nur hinaus? Oder öffnest du sie mir? Spürst du’s, wenn ich dich berühr? (Zeit zu bleiben)

…Hoffnung

…denn auch wenn alle Photonen der Welt das nicht erleuchten können, können alle Kanonen der Welt das nicht zerstören. (Photonenkanonen)

…klitzekleine Weisheiten

…all die fleißigen Gedanken richten mehr an, als sie begreifen können. Sie kochen über, irgendwann. (Milchglas)

…Einsicht.

…und wenn morgen aus uns allen nichts geworden ist, dann wird’s wohl irgendwie so sein. (Teesatz)

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Danke Hannes, danke Clara, wir sehen uns im April.

Alle Fotos: Copyright Deniz Ispaylar

1Comment
  • Annette
    Posted at 18:28h, 20 Dezember

    Jetzt hab ich verstanden, liebe Anika, was du so machst – und du machst das sehr schön! Auf den Punkt! Und WIR wissen wenigstens, wo der Spaceman her kommt

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