Kultur, Leben

Zündfunk auf Sparflamme

zuendfunk-radio

Es scheppert, es rauscht, und es kracht, dass einem angst und bange um sein Radiogerät werden könnte. Doch wer regelmäßig um 19 Uhr auf der Frequenz von Bayern 2 einschaltet, der lehnt sich entspannt zurück und freut sich auf die nächsten anderthalb Stunden – er weiß: Das ist der Zündfunk-Jingle. Doch es droht Ungemach.

Wenn die Sparpläne des Bayerischen Rundfunks Wirklichkeit werden, könnte sich das bald ändern. Von Juli an soll der Zündfunk einen Teil seiner Sendezeit abgeben. Zwölf Prozent klingen harmlos, doch diese Berechnung schließt sämtliche, vom Zündfunk betreuten Formate mit ein; also auch Nachtmix, Generator und Zündfunk extra.

Im Klartext bedeutet die Kürzung: Ein Drittel des abendlichen Magazins fällt weg. Von Montag bis Donnerstag zündfunkt es künftig nur noch 55 Minuten lang, dafür kommt am Freitag und an Feiertagen eine halbe Stunde hinzu.

Seit fast 40 Jahren gibt es den Zündfunk inzwischen. 1974 als Jugendprogramm gestartet, ist er gemeinsam mit seinen Hörern erwachsen geworden. Von Alterserscheinungen fehlt jede Spur: In Bayern über UKW, in Flensburg via Internet – Zündfunk-Fans sitzen in ganz Deutschland vor den Boxen.

Und gehen auch mal auf die Straße, wenn „ihr“ Programm bedroht ist. So geschehen vor fünf Jahren, als der Zündfunk durch eine digitale Jugendwelle ersetzt werden sollte. Die Hörer sammelten über 10.000 Unterschriften, organisierten ein großes Festival und hatten schließlich Erfolg: Der Bayerische Rundfunk verschloss seine DAB-Pläne vorerst in der Schublade.

Einer der Köpfe der damaligen Protestbewegung war Patrick Gruban, der die Stimmen der Hörer auf www.zuendfunkretten.de bündelte. Fast vier Jahre nach dem letzten Eintrag hat er die Webseite nun wieder zum Leben erweckt.

„Es ist ganz wichtig, dass wir zeigen: Wir sind noch da! Jetzt geht es um Aufmerksamkeit.“

In Bayern gebe es nicht nur die Klassik-Lobby, auch ein Jugendprogramm habe treue Unterstützer. Patrick Gruban fürchtet einen Teufelskreis: „Nur noch eine Stunde am Abend – dann heißt es plötzlich: Sag mal, warum braucht ihr eigentlich so viel Geld und Mitarbeiter? Und schon folgt der Rattenschwanz aus Budgetkürzung und Entlassungen. Bis am Ende nichts mehr übrig ist.“
Der Redaktionsleiter des Zündfunks, Jan Heierman, hält diese Sorgen für unbegründet:

„Wir streichen ja nicht nur beim Zündfunk. Alle Programme müssen sich nach der Decke strecken, das Geld ist überall knapp.“

Seit 2009 seien die Etats eingefroren, angesichts steigender Kosten bliebe keine andere Möglichkeit, als auch beim Programm zu kürzen. Auf einer Klausur im März habe man das Programmangebot gemeinsam auf Sparpotential abgeklopft.

Regine Fenn, BR-Pressesprecherin, weist auf andere Kürzungen im Programm hin. Es trifft keineswegs nur die Szenesendung: „Unsere Pläne wurden teilweise verkürzt dargestellt. So senden wir künftig nur noch eine statt fünf Nahaufnahmen pro Woche und auf Bayern 3 streichen wir das Horoskop.“

Auch in der Produktion werde kräftig eingespart: Künftig müssen Journalisten ihre Kurzbeiträge selbst schneiden und abmischen.

Ironie des Schicksals: Laut der jüngsten Mediaanalyse konnte Bayern 2 die Zahl seiner Hörerzahlen um mehr als ein Viertel steigen – fast eine halbe Million Menschen hören täglich eines der erfolgreichsten Kulturprogramme in Deutschland. Diesen Sender trifft nun die Hauptlast der Sparmaßnahmen: Zündfunk, Nahaufnahme und Musikfeature werden beschnitten oder fallen weg.

Regine Fenn betont, dass der Zündfunk noch immer große Wertschätzung genießt.

„Für den Bayerischen Rundfunk geht es aber darum, unseren Kernauftrag zu erfüllen. Das bedeutet: Qualität, Kulturkompetenz und regionale Informationen. Dafür brauchen wir alle Programme: von den Oldies auf Bayern 1 bis zu B5 Aktuell als Infokanal.“

Weniger Sendezeit freut keinen Programmmacher – auch Jan Heiermann nicht: „Keine Frage, diese halbe Stunde tut uns weh. Jetzt geht es darum, die Reform so zu gestalten, dass die Hörer nicht darunter leiden müssen.”

Was das genau heißt, steht noch nicht fest. Spielt der Zündfunk künftig weniger Musik? Sollen sich die Moderatoren kürzer fassen? Oder fallen Beiträge und Kolumnen weg? Im 16. Stock des BR-Hochhauses dürfte in den nächsten Wochen viel diskutiert werden. Könnte es sein, dass am Ende nicht nur an Inhalten, sondern auch an Mitarbeitern gespart wird? „Das will ich nicht hoffen”, sagt Jan Heiermann, und stellt dann klar: „Nein, definitiv nicht. Unterm Strich wird die Arbeit erstmal die gleiche sein. Meine Kolleginnen und Kollegen müssen sich keine Sorgen machen.”

Auch Patrick Gruban sieht die Existenz des Zündfunks nicht gefährdet: „2006 war die Situation eine ganz andere, da ging es ums Ganze. Die aktuelle Reform schmeckt mir zwar nicht, aber ich glaube kaum, dass deshalb der Zündfunk verschwinden wird.”

Große Aktionen seien fürs Erste nicht geplant. „Wir werden kaum noch einmal so viele Menschen mobilisieren können, das kann schnell nach hinten losgehen. Wenn wir eine Petition mit 50 Unterschriften abgeben, dann stellen wir uns damit selbst ein Bein.” Wichtig sei es, die Entwicklung im Auge zu behalten und zum richtigen Zeitpunkt Alarm zu schlagen.

Jan Heiermann weiß um die kritische Aufmerksamkeit seiner Hörer. „Wir als Bayerischer Rundfunk wollen Radio für die Menschen machen. Wenn wir aber niemand mehr erreichen, wenn das Radio egal geworden ist, dann können wir einpacken.” Für ihn ist die Zündfunk-Retten-Bewegung ein gutes Zeichen.

„Natürlich schmeichelt dieser Zuspruch. So viele Fans, das ist was Schönes.”

Und so können junge Bands weiterhin ihre Musik im Montagsdemo präsentieren, die Bayernkuriere Geschichten aus ihrer Region erzählen und Alice ihre etwas andere Gesellschaftskritik zum Besten geben. Und weiterhin dürften Uneingeweihte hektisch an den Reglern schrauben, wenn es um 5 nach 7 scheppert, rauscht und kracht, bis eine angenehme Frauenstimme sagt: „Bayern 2 – Zündfunk!”

Foto: Isi Fischer/www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd)

Ähnliche Artikel

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons