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Gastbeitrag – Wer übernimmt Verantwortung für bezahlbaren Wohnraum?

Monika Schmid-Balzert
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Der Satz „Servus, wir sammeln Spenden für den Freistaat – für Finanzminister Füracker“, löst bei den Passant*innen, die wir vor der Alten Akademie in der Fußgängerzone angesprochen haben, keine Welle von Sympathie aus. „Ich zahl schon genug Steuern“, ist oft die erste ablehnende Reaktion. „Ja, und nun wollen wir dem Freistaat unter die Arme greifen, damit der nicht unsere Immobilien verscherbeln muss“, habe ich wieder und wieder den Passant*innen erklärt – und manche haben dann tatsächlich was gespendet. So viel sei verraten: Die Spenden gingen nicht an Finanzminister Albert Füracker (CSU). Mehr dazu später.

Die Spendenaktion war Satire, wir haben sie gemeinsam mit dem AK Junges Forum vom Münchner Forum organisiert und sind von den Eisbären von „Abbrechen Abbrechen“ und der Mieterinitiative #ausspekuliert unterstützt worden. Nicht nur Organisationen wie wir als Mieterverein München treten der Politik immer wieder auf die Füße und erinnern sie daran, dass sie ihrer Verantwortung für bezahlbaren Wohnraum nicht annähernd gerecht werden, es gibt auch ein beachtenswertes zivilgesellschaftliches Engagement – und wir alle miteinander brauchen eine hohe Frustrationstoleranz.

Spenden für den Freistaat? Eine satirische Aktion gegen destruktive Liegenschaftspolitik. (oben) Monika Schmid-Balzert, (unten) Mitglied von „Abbrechen Abbrechen“ ©Lukas Barth-Tuttas

Die Alte Akademie haben wir gewählt, weil sie einst uns allen als Bürger*innen gehört hat.

Ihr kennt sie sicher: Das verhängte Renaissancegebäude im Herzen Münchens – mitten in der Fußgängerzone – dessen Dauerbaustelle seit über einem Jahr stillsteht. 2013 hat der Freistaat das ehemalige Jesuitenkolleg an den österreichischen Pleitier René Benko in Erbpacht verkauft – seit vergangener Woche sitzt der Investor in U-Haft. Wie es mit der Alten Akademie weitergeht, ist unklar. 2013 war auch das Jahr, als die Bayerische Landesbank in Schieflage geriet und der damalige Finanzminister Markus Söder (CSU) 33.000 staatliche Wohnungen verkauft hat, rund 8.000 davon allein in München. Zum Vergleich: Die drei Wohnungsbaugesellschaften des Freistaats haben aktuell 29.000 Wohnungen in „Bestand, Bau, Planung oder Entwicklung.“ Planung und Entwicklung – da ist noch keine einzige Wohnung gebaut, weshalb Bayern seine selbst gesteckten Wohnungsbauziele immer wieder krachend verfehlt. Noch ein Vergleich: Die Stadt München hat 93.000 Wohnungen selbst im Bestand.

Söder hatte den GBW-Verkauf damals als „alternativlos“ bezeichnet. Die Alternative wäre gewesen, die staatlichen Wohnungen an ein Konsortium der Städte München, Nürnberg und Erlangen zu verkaufen. Doch sie gingen an die private Patrizia (heute Dawonia), die nach maximaler Rendite statt bezahlbarer Miete strebt. Viele ehemalige GBW-Mieter*innen haben seitdem ihr Zuhause verloren, weil es unbezahlbar wurde.

„Planung und Entwicklung“ wäre auch auf dem Grundstück in der Seidlstraße möglich gewesen, wo früher der Club Meinburk war. Der Freistaat hat es 2023 an Apple verkauft. Ich möchte niemanden mit einer langen Liste an verkauften staatlichen Grundstücken langweilen, das Münchner Forum hat in einer interaktiven Karte die Dimensionen des Ausverkaufs in München sichtbar gemacht.

Wie es mit der Alten Akademie weitergeht, ist unklar. Gemeinsame Aktion des Mieterverein München e.V. mit dem AK Junges Forum vom Münchner Forum, den Eisbären von „Abbrechen Abbrechen“ und der Mieterinitiative #ausspekuliert ©Lukas Barth-Tuttas

Liegenschaftspolitik nennt sich das, destruktive Liegenschaftspolitik nennen wir das. Es sind unser aller Immobilien, die gegen Höchstgebot an Investmentfirmen verkauft werden. Wir fordern eine soziale Liegenschaftspolitik! Der Freistaat muss seine Liegenschaften behalten und selbst entwickeln oder günstiger an Kommunen oder Genossenschaften oder soziale Organisationen abgeben. Stattdessen wurden in den letzten Jahren wieder und wieder zahllose Chancen vertan: Chancen für bezahlbaren Wohnraum und bezahlbare Gewerbeflächen, für inhabergeführte Geschäfte, für das Handwerk oder für Kunst und Kultur.

Wir Bürger*innen investieren mit unseren Steuern in die Infrastruktur unserer Stadt.

Wir haben all das, was diese Grundstücke so wertvoll macht und sie im Wert immer weiter steigen lässt, geschaffen. Wir sind die, die Viertel mit Leben füllen, die hier arbeiten, kreativ sind, sich für die Stadtgesellschaft einbringen, kleine Läden eröffnen und hier wohnen. Doch wie lange noch? Die Gewinne werden von Investoren eingesackt, während sich Gering- und Normalverdienende die Stadt nicht mehr leisten können und der Freistaat weiter seine Grundstücke zum Höchstpreis verscherbelt, um seine Finanzen zu sanieren.

Deshalb gehen die 88,14 Euro, die wir vor der Alten Akademie gesammelt haben, symbolisch an die BISS München. Die Obdachlosenzeitschrift konnte 2013 im Bieterverfahren um das ehemalige Frauengefängnis in der Au nicht mithalten, der Freistaat verkaufte auch hier an den Meistbietenden. Heute ist statt eines Sozialprojekts von BISS, die ein Hotel geplant hatten, in dem Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen eine Ausbildung machen sollten, unbezahlbarer Wohnraum der Legat Living geworden.

Monika Schmid-Balzert (51) ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, stellvertretende Geschäftsführerin vom DMB Mieterverein München e.V. und Geschäftsführerin des bayerischen Dachverbandes DMB Bayern. Seit 2000 setzt sie sich für die Rechte von Mieterinnen und Mietern ein, sowohl in der Rechtsberatung beim Mieterverein München als auch auf politischer Ebene.