Aktuell, Kultur
“Warum gibt es nicht städtische Clubs, so wie es städtische Theater gibt?” die neuen Chefs des Feierwerk im Interview
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Der Feierwerk steht seit mehr als 40 Jahren für Kultur, Vielfalt und und junge Kunst in München. Von Konzerte und Party über Ausstellungen und Kunst-Workshops bis hin zu Radio-Shows: An Standorten in der Homebase Hansastraße sowie inzwischen auch im Domagkpark, in Neuperlach und Obersendling kommen junge Menschen mit ganz unterschiedlichsten Hintergründen zusammen.
Neu an der Spitze der Institution, einer der tragenden Säule der Münchner Subkultur: Julia Viechtl und Andreas Huber. Julia Viechtl war seit 2018 Leiterin der im Feierwerk angedockten Fachstelle Pop, die unter anderem die Sprungbrett-Konzertreihe verantwortet. Als ehemalige Profi-Musikerin (“Fertig, los!“) ist sie mit den Themen der Szene gut vertraut. Andreas Huber war zuvor sieben Jahre lang Einrichtungsleiter der Feierwerk Südpolstation. Anschließend übernahm er die Position des Pädagogischen Leiters des Vereins und machte sich besonders für neue inklusive und nachhaltige Angebote stark.
Als neue Doppelspitze sitzen sie seit Januar am Steuer des Feierwerk-Frachters. Was haben sie vor? Welchen Herausforderungen sehen sie sich gegenüber? Und warum können sich Musiker:innen ganz besonders freuen? Marco Eisenack hat die beiden in der Hansastraße 39 besucht und einige überraschende Antworten bekommen.
MUCBOOK: Julia, Andreas – Glückwunsch an euch beide zur Position der Geschäftsführung im legendären Feierwerk. Warum gleich zu zweit?
Julia: Die Entscheidung für eine Doppelspitze war aus meiner Sicht alternativlos. Mir war schnell klar: Alleine kann und will ich das nicht stemmen. Gerade der sozialpädagogische Bereich des Feierwerks ist sehr umfangreich, da fehlt mir das Know-how. Aber Andreas bringt genau das mit. Also hab ich ihn gefragt, ob er Lust hat, das gemeinsam zu machen.
Andreas: Und ich hatte. Es war sofort klar, dass wir zusammen ein gutes Team sein könnten. Das Feierwerk ist inhaltlich riesig – von der Musik bis zur politischen Bildung, von Veranstaltungen bis zu Jugendprojekten. Allein wäre das kaum zu schaffen. Wir ergänzen uns gut: Julia bringt viel aus dem Kulturbereich mit, ich aus der sozialen Arbeit. Zusammen haben wir einen 360-Grad-Blick.
MUCBOOK: Wie viele Menschen arbeiten hier eigentlich?
Julia: Festangestellt etwa 70. Aber insgesamt sind wir mit allen Honorarkräften, Ehrenamtlichen, BFDler:innen und Minijobber:innen rund 200 Leute. Das ist ein beachtliches Team.
MUCBOOK: Was euch als Chefs jetzt auch besonders angeht: Wie finanziert das Feierwerk dieses umfangreiche Angebot eigentlich?
Andreas: Wir haben eine Mischfinanzierung. Viele Bereiche wie unsere Jugendfreizeitstätten sind über das Sozialreferat der Stadt München bezuschusst. Weitere Mittel kommen vom Kulturreferat, vom Direktorium, vom Amt für Wohnen und Migration, aber auch vom Bund, z.B. für unser Mehrgenerationenhaus Dschungelpalast. Und dann gibt es natürlich Bereiche, in denen wir Einnahmen selbst erwirtschaften müssen, etwa bei Konzerten.
Julia: Und auch Spenden sind wichtig! Man kann uns über den Förderverein unterstützen oder direkt spenden. Gerade jetzt hilft das sehr.

© Feierwerk / Celli Pratter
MUCBOOK: Wie geht ihr mit den aktuellen Krisen um? Pandemie, Inflation, Personalkosten…
Julia: Es ist hart. Nach Corona war das Publikum zögerlich. Jetzt füllen sich die Räume langsam wieder. Aber die Energiepreise sind explodiert. Die Honorare u.a. für Techniker:innen steigen. Unsere Gebäude sind energetisch nicht optimiert. Das trifft uns doppelt.
Andreas: Dazu kommt: Viele Zuschüsse steigen nicht im gleichen Maß wie die Tariflöhne. Dadurch haben wir faktisch weniger Budget. Wir müssen sparen, obwohl alles teurer wird.
MUCBOOK: Wie wirkt sich das auf euer Programm aus?
Julia: Kleine Konzerte und, Nischenformate zu ermöglichen wird immer schwieriger für alle, die in diesem Bereich tätig sind. Aber das ist ja genau das, wofür das Feierwerk seit jeher steht und was wir als unseren Auftrag verstehen. Davon werden wir auch nicht abrücken.
MUCBOOK: Was wäre die ideale Unterstützung für euch?
Julia: Wir wissen um die schwierige städtische Haushaltslage. Was wir brauchen, sind Zuschüsse, die steigen und zwar mindestens im gleichen Maße, wie die Kosten steigen. Und ganz grundsätzlich: eine Aufwertung der Popkultur. Sie ist mehr als Unterhaltung. Sie ist Ausdruck unserer Zeit.
Andreas: Und sie stärkt die Demokratie. In unseren Einrichtungen erleben junge Menschen Vielfalt, Selbstwirksamkeit, Mitbestimmung. Das sind Schlüsselerfahrungen. Gerade jetzt darf hier nicht gekürzt werden.

© Feierwerk / Andrea Mühleck
MUCBOOK: Alle reden in ihren Konzepten immer von Vielfalt. Oft sind das nur Worte. Wie zeigt sich das bei euch konkret?
Andreas: In unseren Einrichtungen treffen sich Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. Die lernen voneinander, machen zusammen Musik, Kunst oder Radio. Vielfalt ist hier Alltag.
MUCBOOK: Wie geht es mit der berühmten Fachstelle Pop weiter, die du geleitet hast?
Julia: Die ist für mich ein echtes Herzensprojekt. Ich kam 2016 dazu, nachdem ich meine Masterarbeit zum Thema Music Cities geschrieben habe. Die Feierwerk Fachstelle Pop bietet Beratung, Vernetzung, Workshops, Fördertools wie den “Munich Music Booster” (Link zur Förderung: Feierwerk | Munich Music Booster) – eine Kleinstförderung für Musiker*innen, Veranstaltende und alle weiteren Akteur:*innen, die direkten Support für neue Projekte brauchen.
MUCBOOK: Können Mini-Förderung von 250.- bis 500.- Euro überhaupt etwas bewirken?
Julia: Sehr viel. Man kann damit z.B. Veranstaltungskosten bezahlen, Workshops möglich machen, Vernetzungstreffen organisieren, erste Aufnahmen finanzieren und somit den Mut fassen, ein Projekt überhaupt zu starten. Viele wissen gar nicht, dass sie für Förderungen in Frage kommen. Das zu vermitteln, ist Teil unserer Arbeit.
MUCBOOK: Du standest in der Band “Fertig, Los!” am Bass, bis ihr euch vor gut zehn Jahren aufgelöst habt und kennst das Auf und Ab im Leben als Musikerin. Wie hat sich das Musikmachen durch digitale Plattformen verändert?
Julia: Total. Es ist viel zugänglicher geworden. Jede:r kann heute Musik aufnehmen und teilen. Aber: Von der Musik zu leben ist schwerer denn je. Früher hat es gereicht Musiker:in zu sein, heute braucht man Social-Media-Kompetenz, Booking-Wissen, Vermarktungsstrategien u.v.m.
MUCBOOK: Wird Musik für die Musiker:innen in München zwangsläufig zur Nebentätigkeit?
Julia: Für viele ja. Gerade in München, mit den hohen Lebenshaltungskosten. Viele Musiker:innen haben Brotjobs. Würden mehr Räume und mehr Förderungen zur Verfügung stehen, könnten sich mehr auf die Kunst konzentrieren.

© Feierwerk
MUCBOOK: Räume sind ja ein Dauerproblem in München. Was erlebt ihr da?
Julia: Es ist ein Drama. Nicht nur bei Proberäumen, auch bei Clubs. Wer heute einen Club aufmachen will, hat kaum eine Chance. Früher konnte man einfach mal was ausprobieren. Heute ist das fast unmöglich.
MUCBOOK: Was wäre die Lösung?
Julia: Warum gibt es nicht städtische Clubs, wie es städtische Theater gibt? Wenn Kulturpolitik ernst meint, dass Pop dazugehört, muss sie dafür auch mehr Raum schaffen. Angefangen bei Proberäumen.
MUCBOOK: Apropos Proberäume: Hier habt ihr ein neues Angebot?
Julia: Das “AMP” – das Adi-Meislinger- Proberaumzentrum soll dieses Jahr noch starten. Hier wird es zehn Proberäume in einem Neubau bei uns auf dem Gelände in der Hansastraße (Adi-Maislinger-Str.) geben. Buchbar über eine App. So erreichen wir viele Musiker:innen und verhindern, dass die Räume von wenigen Dauer-Mieter:innen blockiert werden. Sharing statt Abschottung.
MUCBOOK: Welche Events stehen 2025 sonst noch an?
Julia: Die “Feierwerk Sessions” im Orangehouse finden monatlich statt, dort geben wir jungen Musiker:innen eine Bühne. Im Oktober kommt wieder “Sound of Munich Now”. Und wir gestalten zwei Wochen beim Theatron Musiksommer. Wir freuen uns riesig darauf.
Andreas: Und im Kinderbereich gibt es das Dschungelpalast Sommerfest, Faschingspartys, neue Angebote im Westpark – wir starten 2025 mit einer neuen Jugendfreizeitstätte.

© Feierwerk / Andrea Mühleck
MUCBOOK: Und wenn man sich hier so umschaut. Der Blick auf die alten Fenster. Wie steht’s mit der Generalsanierung eurer Gebäude aus?
Andreas: Ein Dauerbrenner. Die Gebäude gehören der Stadt, wir sind Träger. Seit Jahren ist die Generalsanierung im Gespräch – jetzt kommt gerade wieder Bewegung ins Thema. Einen konkreten Zeitplan kennen wir aber noch nicht.
Julia: Die energetische Sanierung und die Verbesserung der Barrierefreiheit sind überfällig. Unsere Räume sind hier nicht auf dem Stand, den wir uns wünschen.
MUCBOOK: Was war die positivste Überraschung in den ersten 100 Tagen?
Andreas: Die Begeisterung im Team. Alle haben Lust, gemeinsam loszulegen. Und die Offenheit gegenüber neuen Ideen war und ist größer, als wir erwartet hatten.
Julia: Und wie gut Andi und ich als Team funktionieren. Wir kannten uns zwar, hatten aber nie eng zusammengearbeitet. Jetzt ist es wie ein Sechser im Lotto.
MUCBOOK: Und was ist anstrengender als gedacht?
Julia: Die schiere Menge an Aufgaben. Diese Stelle war mal für eine Person ausgeschrieben. Unmöglich! Wir sind froh, dass wir uns das teilen können.
MUCBOOK: Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Feierwerks?
Julia: Dass wir weiterhin ein Ort bleiben, an dem Menschen sich ausprobieren, mitgestalten und wachsen dürfen. Dass Popkultur nicht als Luxus, sondern als notwendiger Teil städtischen Lebens anerkannt wird.
Andreas: Und dass Vielfalt nicht nur ein Schlagwort ist, sondern gelebte Realität. Das Feierwerk soll ein Raum für Begegnung bleiben. Für alle.
Titelfoto: Julia Viechtl und Andreas Huber © Feierwerk / Jonas Nefzger