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Wird München grüner? – Das bringt die neue Baumschutzverordnung wirklich
- Wird München grüner? – Das bringt die neue Baumschutzverordnung wirklich - 20. November 2025
München ist die am stärksten versiegelte Großstadt Deutschlands. In Zeiten der Klimakrise zeigt sich das immer deutlicher: Asphalt und Beton speichern Wärme, Tropennächte nehmen zu, und ganze Viertel überhitzen im Sommer. Alte Bestandsbäume wären dabei wichtiger denn je – sie spenden Schatten, kühlen ihre Umgebung und verbessern das Stadtklima spürbar.
Doch die Münchner Baumbilanz ist seit Jahren negativ: Es werden mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Zwischen 2010 und 2022 hat München netto mehr als 34.000 Bäume verloren. Vor allem auf Privatgrundstücken verschwinden immer häufiger ältere, großkronige
Exemplare.
Vor diesem Hintergrund hat der Stadtrat nun die strengste Baumschutznovelle seit über zehn Jahren beschlossen. Sie soll verhindern, dass München weiter überhitzt und an Lebensqualität verliert. Doch was bedeutet das konkret – und reicht das, um die Stadt wirklich grüner zu machen?
Was sich jetzt konkret ändert
Die neue Baumschutzverordnung bringt eine Reihe konkreter, teils weitreichender Anpassungen. Die wichtigste: Bäume sind künftig bereits ab einem Stammumfang von 60 Zentimetern statt bisher 80 Zentimetern geschützt. Dadurch fallen künftig deutlich mehr Bäume unter die Genehmigungspflicht – auch viele mittelgroße, die bisher problemlos gefällt werden konnten.
Außerdem stellt die Stadt erstmals alle Obstbäume und bestimmte Klettergehölze wie Efeu, Wisteria oder Wilden Wein unter Schutz. Der BUND Naturschutz begrüßt diese Neuerungen, sieht aber eine zentrale Lücke: Habitatbäume, also alte oder teilweise abgestorbene Bäume, bleiben weiterhin kaum geschützt. Dabei seien gerade diese Bäume enorm wichtig.
„Gerade diese Habitat- oder Biotopbäume sind unverzichtbar in einer Stadt, die immer mehr an ‚wilden‘ Grünflächen mit Rückzugsorten für Vögel, Insekten, Kleinsäuger etc. verliert“, mahnt Dorit Zimmermann, Sprecherin des AK Baum- und Gehölzschutz beim BUND München.
Zimmermann betont zudem, dass Bäume stets aus zwei Perspektiven betrachtet werden müssten: „Zum einen als schöner, vitaler, grüner Baum, der uns Menschen erfreut, und zum anderen aber auch als wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere – und damit als Quelle und
Förderer der Biodiversität in der Großstadt München.“
Strengere Ersatzpflicht und höhere Ausgleichszahlungen
Der Bund Naturschutz kritisiert zwar, dass auch nach der Novelle weiterhin gilt: Baurecht sticht Baumschutz. Doch zumindest eines wird jetzt deutlich spürbar: Wer künftig die Axt ansetzt, muss sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Wird ein geschützter Baum genehmigt gefällt, muss grundsätzlich ein Ersatzbaum gepflanzt werden. Ist eine Nachpflanzung nicht möglich, werden künftig deutlich höhere Ausgleichszahlungen fällig: zwischen 5.000 und über 10.000 Euro pro Baum, statt bisher rund 750 Euro.
Die neue Höhe ergibt sich aus einem Bewertungssystem, das Größe, Art und Standortbedingungen berücksichtigt. Die Stadt will damit realistische Werte ansetzen – und verdeutlichen, wie viele junge Bäume notwendig wären, um den Verlust eines alten, ökologisch wertvollen Exemplars auch nur annähernd auszugleichen.
Mehr Geld für neue Bäume und private Förderung
Die Einnahmen aus den erhöhten Ausgleichszahlungen sollen vollständig in Baumneupflanzungen, Pflege und Entsiegelungsprojekte fließen. Die Stadt hat bereits über 1.200 potenzielle neue Standorte identifiziert, an denen insgesamt mehr als 2.000 Bäume gepflanzt werden könnten.
Auch Privatleute sollen stärker unterstützt werden: Für Neupflanzungen im eigenen Garten gibt es künftig bis zu 90 Prozent Zuschuss, maximal 750 Euro pro Baum – inklusive kostenloser Beratung zu klimaresilienten Arten. So soll wieder mehr Grün in Münchens Wohngebiete zurückkehren.

Ausweitung des Schutzbereichs – mehr als die Hälfte der Stadtfläche
Die Verordnung gilt außerdem für alle neuen Baugebiete, die seit der letzten Novelle 2013 entstanden sind. Damit stehen nun rund 53,5 Prozent der gesamten Stadtfläche unter Baumschutz – ein spürbarer Anstieg, der auch Nachverdichtungsgebiete einschließt, in denen zuletzt besonders viele Bäume verloren gingen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass im restlichen Stadtgebiet frei gefällt werden dürfte. Auch dort gelten weiterhin andere naturschutzrechtliche Vorgaben – die BSVO greift nun lediglich in deutlich mehr Bereichen zusätzlich.
Mehr Kontrollen
Um den erhöhten Aufwand zu bewältigen und die Vorgaben tatsächlich umsetzen zu können, schafft die Stadt drei neue Stellen in der Verwaltung. Sie sollen Genehmigungen schneller bearbeiten, Eigentümer:innen besser beraten und Verstöße konsequenter kontrollieren. Bei Personen oder Firmen, die wiederholt gegen Auflagen verstoßen, kann die Stadt künftig außerdem Sicherheitsleistungen verlangen, um die späteren Ersatzpflanzungen abzusichern.
Der BUND Naturschutz bewertet die Novelle insgesamt positiv: Die abgesenkte Schutzgrenze, die neuen geschützten Arten und die höheren Ausgleichszahlungen seien „ein Signal in die richtige Richtung“. Besonders in einer stark versiegelten Stadt wie München seien alte, großkronige Bäume unverzichtbar.
Gleichzeitig bleibt ein Grundproblem bestehen: Baurecht bleibt stärker als Baumschutz. Sobald ein Bauvorhaben genehmigt ist, verlieren selbst alte oder ökologisch besonders wertvolle Bäume ihren Schutz. Warum dieser Konflikt so groß ist, formuliert der BUND Naturschutz so:
„Wir brauchen nicht nur bezahlbaren Wohnraum in München, sondern auch ausreichend Grün zum Atmen und Leben, aber auch für den Erhalt der Artenvielfalt. Dieser Spagat ist eine große Aufgabe, die die Stadt zunehmend leisten muss.“
Kritik von Eigentümerverbänden
Haus & Grund München sieht die Reform deutlich kritischer. Der Verband warnt vor zusätzlicher Bürokratie, hohen Kosten und stärkeren Eingriffen ins Eigentum. Damit zeigt sich ein vertrautes Spannungsfeld: Die Stadt braucht mehr bezahlbaren Wohnraum – soll dabei aber nicht weiter an Lebensqualität verlieren, weil immer mehr Bäume verschwinden.
Wird München jetzt wirklich grüner? Die neue Baumschutzverordnung schafft deutlich bessere Voraussetzungen dafür, dass in München mehr Bäume erhalten bleiben und neue gepflanzt werden.
Allein zwischen 2010 und 2022 hat die Stadt laut Bund Naturschutz einen Nettoverlust von über 34.000 Bäumen erlitten – eine Entwicklung, die zeigt, wie dringend gegengesteuert werden muss. Höhere Ausgleichszahlungen, ein erweiterter Schutzumfang und zusätzliche Förderprogramme
könnten diese seit Jahren negative Baumbilanz nun spürbar verbessern. Das kann die Stadt tatsächlich grüner machen.
Damit aus dem Anspruch aber Realität wird, muss München aus Sicht der Naturschutzverbände vor allem eines schaffen: den Konflikt zwischen Wohnungsbau und Stadtgrün neu auszubalancieren. Gelingt das, könnte die Novelle dazu beitragen, dass München den kommenden Hitzesommern nicht schutzlos gegenübersteht, sondern genügend Grün behält, damit die Stadt auch künftig lebenswert bleibt.

Diese Bäume in der Mitte der Fürstenrieder Straße mussten dem Tram-Ausbau weichen. Das Wachstum der Stadt, gepaart mit Umwelteinflüssen führt seit Jahren dazu, dass München eine negative Baum-Bilanz aufweist. Foto: Mucbook