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1 Minute bis zum nächsten Abriss – 3 Minuten, um es zu verhindern: europaweite Aktion für mehr Umbau
1 Minute, bis das nächste Gebäude in Europa abgerissen wird, 3 Minuten, um das zu verhindern: Die EU-Iniative HouseEurope sammelt europaweit Unterschriften gegen Abriss.
Jede Minute fällt in Europa ein Gebäude (HouseEurope!, 2025; Rechnung basierend auf EEA, 2024). Diese Zahl steht sinnbildlich für eine fatale Wegwerfkultur, die in einem Zeitalter der Wohnungs- und Klimanot nicht tragbar ist.
Denn gerade der Gebäudebestand bildet die Grundlage für eine lebenswerte Zukunft, in der bezahlbarer Wohnraum innerhalb der planetaren Grenzen geschaffen wird. Die EU-Iniative HouseEurope! nutzt dafür ein wenig beachtetes, jedoch wichtiges Instrument der Demokratie: die Europäische Bürgerinitiative (EBI, engl. ECI). Mit dem Erreichen von einer Million Unterschriften aus mindestens sieben Mitgliedstaaten bis zum 31. Januar 2026 ist die Europäische Kommission verpflichtet, sich mit dem Anliegen in einer Arbeitsgruppe zu befassen und die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zu bearbeiten.
Umbau: der Schlüssel zu bezahlbarem und klimagerechtem Wohnen
Aktuell wird durch ungehinderten Abriss bestehender und potenzieller Wohnraum zerstört. Wohnen ist ein Grundrecht und betrifft uns alle, ob in Miete oder Eigentum, ob in der Metropole oder auf dem Land. In der Realität jedoch steigen die Mieten schneller als die Einkommen. In den Speckgürteln explodieren die Bodenpreise, in anderen ländlichen Regionen verfallen Gebäude. Gleichzeitig führt uns der Bausektor mit seinem enormen Ressourcenverbrauch direkt in die Klimakrise.
Anstatt sich diesen Herausforderungen anzunehmen, verweigert sich die aktuelle Bundesregierung der Zukunft. Maßnahmen für Klimaschutz und gegen steigende Lebenshaltungskosten bleiben aus oder bereits Beschlossenes wird zurückgenommen. Engagierte Bürger:innen, die sich für klimagerechte und soziale Belange einsetzen, werden dabei allzu oft in Frage gestellt. Doch genau dieses Engagement ist entscheidend. Der Gebäudebereich liegt besonders in der Verantwortung: Abriss und Neubau bedeuten in den meisten Fällen eine Erhöhung der Mieten um 20-30% (HouseEurope!, 2025; basierend auf Eurostat, 2025). Damit gehen soziale Verdrängung und Verlust lokaler Identität einher.
Solche Verteilungskämpfe erleben wir in München beim Verkauf oder Nicht-Verkauf des Strafjustizzentrums, beim Bebauungsplan zum Paketpostareal oder bei der Diskussion um die leerstehenden Gebäude des Max-Planck-Institutes. Diese Beispiele weisen ebenfalls ein enormes zivilgesellschaftliches Engagement auf, das nicht nur konsequenten Klimaschutz fordert, sondern oft auch mehr Mitbestimmung und Transparenz beim Umgang mit dem Gebäudebestand. Denn lebenswerte Räume entstehen, wenn sich Menschen mit verschiedenen Erfahrungen einbringen, wenn unterschiedliche Interessen abgewogen und Entscheidungen nachvollziehbar getroffen werden.
Zudem ebnen Abriss und Neubau den falschen Weg in einer Welt begrenzter Ressourcen. Rund 40% des Gesamtenergieverbrauchs in der EU ist auf den Gebäudesektor zurückzuführen (Europäische Kommission, 2025). Dabei wird die Hälfte der Energie beim Bau aufgewendet. Diese sogenannte “graue Energie” wird durch Abriss einfach vernichtet, um sie beim Neubau erneut aufbringen zu müssen.
Eine solche Verschwendung bereits erbrachter Energie, Material und Arbeit widerspricht jedem Klimaziel. Sanierungsfähige Bestandsgebäude bilden dahingehend wertvolle zu aktivierende Ressourcen. Während das Bundesbauministerium immer noch das „Bauen, Bauen, Bauen“ propagiert, fordern Architects for Future hingegen eine “UM-Bauordnung”, um beispielsweise bezahlbaren Wohnraum durch Umnutzung und Sanierung bestehender Gebäude zu schaffen (Mehr zu unserer Arbeit bei Architects for Future München).
Auf europäischer Ebene fordert nun die Initiative HouseEurope! eine klare Priorisierung: Renovierung und Erhalt vor dem Abriss. Dafür braucht es politische Rahmenbedingungen, die Umbau und Wiederverwendung von Materialien vereinfachen. Die Kernforderungen bilden
1. Steuersenkungen für Renovierung und wiederverwertete Materialien
2. Verbindliche Analyse des Potentials von Bestandsgebäuden
3. ganzheitliche Lebenszyklusanalyse
4. Finanzielle Förderung von Renovierung

Jede Unterschrift ist ein klares, direktes Signal an die Politik in Brüssel und an die Mitgliedstaaten
1. Für soziale Verantwortung: Sie zeigen, dass bezahlbares Wohnen und die Nutzung vorhandener Bausubstanz zum Gemeinwohl gehören.
2. Zur Priorisierung der Wohn- und Klimakrise: Jede Unterschrift zeigt, dass bezahlbares, klimagerechtes Wohnen ein fundamentales Anliegen der Bürger:innen.
3. Gegen die Wegwerfkultur: Sie unterstützen die Forderung, die unsägliche Praxis des „Nur Neu ist Gut“ zu beenden und das Potenzial in der Sanierung bestehender Gebäude zu sehen.
Klima- und Wohnkrise sind real und betreffen die gesamte EU. Anstatt die Augen vor diesen Herausforderungen zu verschließen, zeigt HouseEurope! beides kann mit gemeinsamen Engagement angegangen werden.
Bis zum 31.01.2026 fehlen noch rund 950.000 Unterschriften. Eure Unterstützung ist gefragt, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu schaffen. Jede Unterschrift zählt und zeigt Haltung gegenüber politischen Entscheidungsträgern.