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Ein Besuch in Nantesbuch: Reallabor für gesunde Böden

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Böden sind unsere Lebensgrundlage und prägen unser Klima. Die Stiftung Kunst und Natur  hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese wertvolle Ressource zu schützen und neue Lösungen für den Erhalt der Biodiversität zu entwickeln. Ein Besuch in Nantesbuch.

Von Simone Fasse

Boden kann man hören. Ökoakustiker machen es möglich: Mit sensiblen Mikrofonen nehmen sie die Geräusche der obersten Humusschicht auf. Eine ungewöhnliche Methode, mit der sich erahnen lässt, wie viel Leben sich in den nur rund 30 Zentimetern der  fruchtbaren Erde tummelt. Genau diesen empfindlichen Lebensraum zu erhalten und das Wissen um die Bedeutung von Böden in die breite Öffentlichkeit zu bringen, das hat sich die Stiftung Kunst und Natur zur Aufgabe gemacht. Die Stiftung bewirtschaftet und renaturiert seit 2012 das 320 Hektar große Gelände Nantesbuch im bayerischen Voralpenland. Susanne Klatten hat das Gelände erworben und ist Initiatorin der Stiftung. „Die Vielfalt und der Reichtum menschlichen Wirtschaftens – alles baut auf Boden auf. Der aber ist eine endliche Ressource“, betont Susanne Klatten, die Anfang 2025 auch die Geschäftsführung der Stiftung mit 40 Beschäftigten übernommen hat.

Weltweit wird immer mehr fruchtbarer Mutterboden zerstört, was langfristig die Grundlage der Lebensmittelproduktion und damit die menschliche Existenz gefährdet. Ob Dürren oder Starkregen, nur gesunde Böden können den Auswirkungen des Klimawandels standhalten.

Eine wichtige Rolle spielt dabei in Nantesbuch, einst Insel in einem eiszeitlichen See, die Wiedervernässung von Mooren. Nantesbuch liegt in einem 30 km langen Moorkorridor, dort finden sich so viele intakte und naturnahe Moore wie kaum woanders in Deutschland. War das Trockenlegen von Mooren, zum Beispiel über Drainage-Gräben früher für die Schaffung von Ackerflächen und Torfnutzung gängige Praxis, ist heute klar, wie wertvoll Moore als CO2-Speicher sind. „Rund  7,5 % Prozent der gesamtdeutschen Treibhausgasemissionen werden aus entwässerten Moorböden  freigesetzt“, weiß Raphaela Luna Nánási, Projektreferentin für den Bereich Boden, Landnutzung und Klima der Stiftung.

In Nantesbuch werden deshalb unter anderem Gräben geschlossen, damit sich die Moore wieder vernässen und miteinander vernetzen. Bei der Landschaftspflege unterstützen die Tiere der Stiftung, wie Heckrinder oder Wasserbüffel. Dank ihrer robusten Klauen können sich die Tiere ohne Probleme in der Moorlandschaft bewegen. Sie agieren somit als „Landschaftspfleger“ und helfen, die so genannte Paludikultur umzusetzen, die Beweidung und das Wirtschaften auf nassen Flächen.

Neben dem schrittweisen Umstieg auf eine extensive Landbewirtschaftung, etwa mit möglichst wenig Einsatz von Gülle, Mist oder Dünger, gehört auch ein Permagarten als Herzstück zum weitläufigen Gelände. Auf einem terrassenförmig angelegten Hektar Fläche wachsen im Garten alte Sorten und saisonales Gemüse in einem eigenen Kreislauf. Der zentrale Gedanke der Permakultur ist, sich an den Kreisläufen der Natur zu orientieren. Energieintensive und umweltbelastende Industrietechnologien werden dabei reduziert und durch biologische Ressourcen ersetzt – so genannte Untersaat, beispielsweise Klee, hält den Boden feucht, während weiter oben der Mais wächst. Gepflanzt wird so, dass ein Schutz vor Schädlingen entsteht und Nützlinge angezogen werden, etwa Zwiebeln neben Karotten. „Die Gärtnerinnen investieren noch immer viel Arbeit darin, den feuchten und stark verdichteten Boden zu lockern“ berichtet die ausgebildete Geologin Nánási. Mit dem angebauten Gemüse sowie den angebauten Heil- und Wildkräutern werden Besucher und Beschäftigte im Langen Haus verköstigt. Der Garten mit weitem Blick auf das Gelände ist öffentlich zugänglich und soll Natur für Besucher sinnlich erfahrbar machen. Auch Zielkonflikte werden hier aufgedeckt: Was ist theoretisch möglich, und was ist wirtschaftlich machbar?

Kartoffelernte im Permagarten | Foto: Mafred Jarisch

“Wir sind ein innovatives Reallabor, ein lebendiger Ort für Bodenforschung“, fasst es Nánási zusammen. „Wir wollen das Handeln langfristig beeinflussen und Zielgruppen auf verschiedenen Ebenen erreichen, außerdem die Wissenschaft unterstützen, etwa durch die Bereitstellung von Flächen für Untersuchungen und Tests.“  Auch das Monitoring von Biodiversität und das Messen der Maßnahmen sind fester Bestandteil der Stiftungsarbeit.

Dabei geht es um weit mehr als praktischen Naturschutz: In Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden und Forschenden werden Disziplinen verknüpft und zukunftsfähige Lösungen für den Erhalt und Wiederaufbau von Böden erarbeitet. Treffpunkt dafür ist das „Lange Haus“, ein ehemaliger Gutshof, der zum modernen Tagungs- und Eventort umgebaut wurde. Hier finden regelmäßig Feste, Workshops, Diskussionsabende und Stammtische statt, die Kunst, Kultur und Wissenschaft mit Naturerfahrung verbinden.

So entdecken Besucher, wie die umgebende Landschaft klingt und schmeckt, und lernen die Zusammenhänge zwischen Boden und Gesundheit kennen. Studierende z.B. der TU München oder der Hochschule Weihenstephan Triesdorf gehören regelmäßig zu den Gästen. „Fester Bestandteil des Programms sind auch die Treffen des Kompetenznetzwerks Boden sowie das jährliche Forum Nantesbuch mit Panels und Arbeitsgruppen von Fachleuten, die sich mit dem Thema beschäftigen“, so Nánási.

Neben Nantesbuch zählt auch das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg zur Stiftung Kunst und Natur – das einzige Kunstmuseum Deutschlands mit dem Schwerpunkt Natur. Hier wie dort verknüpfen Ausstellungen, Forschungsprojekte und künstlerische Formate Kultur und Ökologie zu einem besonderen Miteinander und bieten den interdisziplinären Austausch – ein starkes Fundament, um bodenfreundliche Ideen zu säen.

Fotos: Manfred Jarisch