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“Für junge Musiker:innen in Bayern eine Katastrophe” – Kommentar zum Aus des BR-Senders PULS

Florian Kreier

PULS ist der einzige Sender des BR, der Musik von jungen, noch unbekannten Musiker:innen, von denen viele auch aus Bayern kommen, in den Vordergrund rückt. Dass die Welle zum 31.12.2025 abgeschaltet werden soll, wird von vielen in der bayerischen Sub- und Jugendkultur als großer Verlust für die bayerische Musikszene und junge Menschen in Bayern bezeichnet. Mit einer Petition versucht der Verband für Popkultur in Bayern mit den Sendeschluss abzuwenden. Florian Kreier, MUCBOOK-Kolumnist (“Monaco Me Mata”) und Musiker (Angela Aux) hat dazu ein paar Zeilen aufgeschrieben.

Der Bayerische Rundfunk will seine digitale Jugendwelle PULS Radio einstellen, das einzige Programm des BR, das ausnahmslos junge und alternative Musik entdeckt, spielt und fördert. Der BR folgt mit dieser Streichung Vorgaben einer Politik, die dabei ist, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr und mehr kaputtzusparen. Die seit Jahren laufende ARD-Reform macht den Sendern immer neue Sparvorgaben. Gleichzeitig blockiert Bayern zusammen mit anderen unionsgeführten Ländern seit 5 Jahren die überfällige „Anpassung“ des Rundfunkbeitrags (es geht um 60 Cent pro Monat). Mehr Geld gibt‘s erst nach Reformen, sonst wird‘s ja nur verschwendet, wird populistisch unterstellt. Der harte Spardruck der Sender, dem in den letzten Jahren schon viele Programme und Inhalte gerade im Kultur- und Popkulturbereich zum Opfer gefallen sind, ist also auch Folge der Agenda einiger Parteien und Politiker:innen gegen den unabhängigen öffentlich rechtlichen Rundfunk. Die neueste Ansage der Reformer: Innerhalb der ARD müssen bis 2027 mindestens 16 Radioprogramme eingespart werden, 4 davon beim BR. Was gestrichen wird, entscheidet die Programmleitung, und dort hält man nun die Digital- und Spartenprogramme BR Schlager, BR Verkehr, BR24 live und eben PULS Radio für verzichtbar.

Das ist mindestens im Fall von PULS Radio eine grobe Fehleinschätzung. Es stimmt, PULS Radio war nicht so bekannt wie manche andere BR-Programme. Das liegt aber auch an der Entscheidung des BR von 2017, PULS nicht, wie zuvor lange angekündigt, endlich eine UKW-Frequenz zu geben, sondern das Programm weiterhin nur digital über DAB+ auszustrahlen. So konnte man PULS nie übers alltägliche Küchen- oder Autoradio empfangen, es blieb „versteckt“ im Digitalen. Dazu wurde das Programm in den Jahren nach dieser Entscheidung Schritt für Schritt kleingespart. Erst weniger Sendungen, dann keine DJ-Shows mehr, schließlich keine Moderation mehr. Und nun steht eben die endgültige Abschaltung an… Das mag klingen wie eine logische Konsequenz und die vermeintlich unproblematischste Kürzung.

Aber abgesehen davon, dass sich die Kostenersparnis durch das Streichen dieses eh schon dermaßen zusammenreduzierten Senders in Grenzen halten dürfte: Das Aus für PULS Radio wäre gesellschaftlich und kulturell eben alles andere als unproblematisch und jedenfalls für die jungen Musikerinnen und Musiker in Bayern – und alle anderen, die sich hier eine lebendige Musikszene wünschen –, eine Katastrophe.

Denn PULS Radio ist ja nicht einfach irgendein Musiksender. PULS war über viele Jahre hinweg – und ist derzeit noch – der einzige öffentlich-rechtliche Ort, der sich vorrangig mit Musik von Musiker:innen aus Bayern (und Deutschland) beschäftigt hat, der einzige Sender, der die Songs gespielt hat, die hier entstanden sind – in, um und zwischen Landshut, Rosenheim, Kaufbeuren, München, Deggendorf, Augsburg, Regensburg, Schrobenhausen, Würzburg. Musik von jungen Menschen aus dem Dorf, aus der Nachbarstadt, aus der Schule deiner Geschwister, Nichten oder Kinder. Und wenn diese jungen Leute mit ihrer Musik und ihren Texten im Radio liefen – auf einem öffentlich-rechtlichen Sender! – war das nicht nur schön, sondern auch bestärkend. Es signalisierte einer ganzen Region: Ja, auch hier bei uns entsteht relevante Kultur. Auch bei uns gibt es junge Menschen, die was zu sagen haben.

GEMA-Tantiemen im Umfang von mehreren hunderttausend Euro, die in Bayern bleiben und eben nicht an Spotify, Apple oder Amazon fließen

Ohne PULS Radio verlieren Hunderte von Bands und Künstlerinnen eine öffentliche Bühne. Und neben der Hör- und Sichtbarkeit büßen sie mit jedem Song, der eben nicht mehr auf PULS läuft, auch bares Geld ein. Knapp 14 Euro schüttet die GEMA für einen bei PULS Radio eingesetzen Musiktitel aus. Auch für kleine Bands kommen da gut und gern dreistellige Beträge zusammen. Insgesamt generiert(e) das Airplay bei PULS Radio jährlich GEMA-Tantiemen im Umfang von mehreren hunderttausend Euro, die dann in der Wertschöpfungskette in Bayern bleiben und eben nicht an Spotify, Apple oder Amazon fließen. Dadurch wird bayerische Kultur direkt gefördert – und auch die Wirtschaft, weil die Bands und Musiker:innen dieses Geld wieder ausgeben für Instrumente, Proberaummiete, Studiokosten, Konzerte etc. Ohne das unersetzliche Airplay bei PULS Radio aber fehlen ihnen diese Mittel, und man kann es wirklich so herunterbrechen: Ohne PULS Radio wird es weniger Tourneen, Konzerte und Plattenproduktionen geben, weniger Jobs für Techniker, Beleuchter und Caterer, weniger Aufträge für Pressearbeit, Fotografen, Grafiker, weniger Einnahmen für Tonstudios, Booker, Clubs, Hotels, Tankstellen … Ein ganzes Segment der „Kreativwirtschaft“ muss mal wieder bluten. Die Pläne, PULS zu streichen bedeuten einen weiteren Einschnitt im Kulturbereich, der vor allem jungen Künstler:innen abseits des Mainstreams schadet. Weiter geht‘s mit der Umverteilung hin zu den reichweitenstarken Mega-Popstars und großen Playern.

Und was für eine Botschaft sendet die Abschaffung dieses für die junge Szene so wichtigen Senders an die, die erst anfangen? Warum soll man als Teenager eine Band, ein Projekt gründen, Musik aufnehmen, warum sollte man überhaupt erst in die Musikschule gehen und ein Instrument lernen, wenn man genau weiß: Mein Zeug wird nie irgendwo gespielt werden? Wenn es nicht einmal beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk im eigenen Bundesland, das sich so gern auf seine kulturelle Vielfalt beruft, auch nur einen einzigen Sender gibt, eine einzige Musikredaktion, die einem zuhört? Mit der Entscheidung, das wichtigste Radioangebot für junge Musiker:innen einfach zu beenden, missachtet der BR seinen Kulturauftrag.

Ich bin selbst Musiker. Ich trete in Dörfern und Städten auf, in Jugendzentren, auf Dorfbühnen, in kleinen Clubs. Ich weiß, wie viel es bedeutet, wenn deine Musik auf einmal im Radio läuft: Es kann deine ganze Welt verändern. Für viele junge Menschen ist Musik zu machen der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Und darum lautet meine Frage jetzt: Wo läuft künftig die Musik von jungen und alternativen Bands im BR? Wenn PULS Radio gestrichen wird, wo gibt es Ausgleich für diese vielfältige Szene? Wo finden bayerische Künstlerinnen und Künstler Gehör in einer Medienwelt, die mehr und mehr abhängig ist von profitgesteuerten Großkonzernen? Ich hoffe, der Bayerische Rundfunk und die politischen Entscheidungsträger geben uns darauf eine Antwort, die für alle Menschen passt, die in Bayern Musik machen und lieben.

So kannst du helfen, die Abschaltung von PULS zu verhindern:

  1. Unterstütze die Petition des Verbands für Popkultur in Bayern e.V mit deiner Unterschrift – das ursprüngliche Ziel von 1.500 Unterschriften ist bereits erreicht.
  2. Schalte ein und erhöhe so die Nachfrage!