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Hilfe auf Rädern – Münchner Radl-Initiative sammelt für und radelt in die Ukraine
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Sebastian Herrmann ist Journalist der Süddeutschen Zeitung und erfolgreicher Buchautor. Seit 2022 war er vier Mal in der Ukraine und hat geholfen, insgesamt 18 Rettungswagen zu finanzieren und nach Lviv zu fahren. Das letzte Mal war er im Oktober 2024 im Rahmen des „Kultur.Konvois“, den die Sportfreunde Stiller ins Leben gerufen haben, unterstützt von den Toten Hosen, Jan Delay, Udo Lindenberg und vielen anderen.
Diesen Sommer bringt Sebastian Herrmann gemeinsam mit seinen Rennrad-Freunden Andi Lipp, Christian Schmid und Sebastian Wilhelmi die Initiative Chainreaction Bikeconvoy for Ukraine auf die Straße. Mit einem Rad-Konvoi sollen zehn Rettungswagen in die Ukraine gebracht werden. Mit der rund 1.200 Kilometer langen Radtour von München nach Lviv wird Aufmerksamkeit generiert. Das Geld für die Fahrzeuge wird bereits jetzt gesammelt.
Die Rettungswagen sind Begleitfahrzeuge der Tour und werden natürlich in der Ukraine bleiben, um dort Leben zu retten. Für die Aktion arbeitet die Initiative Chainreaction mit Bamberg:UA zusammen, einem Verein, der seit Beginn des Krieges bereits Dutzende Krankenwagen und Evakuierungsbusse ins Land gebracht hat. Ein Rettungswagen kann pro Tag bis zu fünf Menschenleben retten.
Crowdfunding für die gute Sache
Ein gebrauchter Rettungswagen kostet zwischen 12.000 und 20.000 Euro. Um die nötige Summe zusammenzubringen, setzt das Team auf eine Crowdfunding-Kampagne sowie auf Spenden von Firmen. Angesprochen werden gezielt Rad-Communitys, Sportlerinnen und Sportler sowie Unternehmen aus der Fahrradbranche. Außerdem hat die Initiative ein Trikot entworfen, das ab dem 7. April über den Online-Händler Rose bestellbar sein wird. Pro verkauftem Trikot werden 50 Euro gespendet.
Jeder kann mitmachen
Ob als Spender, Mitradler oder Multiplikator – jede Unterstützung zählt. Wer selbst aufs Rad steigen will, kann sich der Gruppe anschließen, sich über die Homepage https://chainreaction-bikeconvoy.org/de/home/ für die Fahrt anmelden und Teil „eines außergewöhnlichen humanitären Projekts“ werden, wie es auf der Website heißt. Denn hier geht es nicht nur ums Radfahren, sondern darum, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
Wir haben Sebastian angerufen und wollten wissen, wie er auf diese ungewöhnliche Idee gekommen ist:
Entstanden ist das auch durch Gespräche mit Rüdiger von den Sportfreunden Stiller, mit dem ich am Stadtrand von Germering immer wieder auf einer Bank sitze und gemeinsam Bier trinke. Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Russland-Thema, daraus sind immer wieder Projekte entstanden. Eines Tages sagte er: ‚Ich hab’ einen Krankenwagen gekauft.‘ Und dann sind wir losgefahren.
Der erste Rettungswagen, den wir im November 2022 gebracht haben, war fast 300 Tage im Einsatz, bevor er verloren ging – im Schnitt wurden damit fünf Schwerverletzte pro Tag transportiert. Das macht einen Unterschied. Seitdem gab es mehrere Aktionen. Zum Beispiel hatten wir die Idee mit dem Kulturkonvoi – im Februar 2024 sind wir mit sechs Wagen los, im Oktober 2024 mit zehn.
Es reicht aber aus meiner Sicht jetzt nicht. Wir müssen auch irgendwie eine Mindset-Mobilisierung hinkriegen, darum geht es mir auch, mit dem Radkonvoi, dass wir ins Tun kommen und dass wir spüren, wozu wir in der Lage sind, wenn wir alle zusammenhalten und gemeinsam etwas wagen. Wie stark wir in der Gruppe sein können, dass wissen wir gerade als Radfahrer. Es ist ein Problem, dass wir das immer noch nicht für möglich halten, dass es uns in Europa und Deutschland auch an den Kragen geht.


Warum das Rad als Begleitung der Rettungswagen?
Weil wir Radfahrer und Rennradspinner sind. Weil wir diesen Sport lieben und viele Menschen kennen, denen das genauso geht. Das erste Mal kam mir die Idee an der polnisch-ukrainischen Grenze, als wir auf der ersten Fahrt Ende 2022 nachts von Onkel Bogdan, einem polnisch-ukrainischen Priester, durch enge Waldstraßen bis zum Grenzübergang geführt wurden. Ich fühlte mich wie auf einer Langstreckenfahrt. Die Idee habe ich mit mir herumgetragen, bis sie konkret wurde.
Am 5. Juli 2025 soll es in sechs Etappen mit jeweils 200 Kilometern am Tag losgehen: Die Route bis an die Grenze der Ukraine verläuft von München nach Passau, weiter nach Linz und Wien, knapp vorbei an Bratislava und nach einem kurzen Abschnitt durch die Slowakei, dann durch Tschechien weiter nach Polen.
Geht es hier nicht vor allem um sportlichen Ehrgeiz?
Darüber haben wir natürlich auch diskutiert. Aber ohne das Radprojekt könnten wir nicht so viele Spenden für Rettungswagen sammeln. Wir erreichen so eine bestimmte Blase und bringen das Thema ins Gespräch. Jeder versteht sofort: ‚Wir fahren mit dem Rad und nehmen Rettungswagen mit.‘ Ohne Radfahrt könnten wir auch keine Rettungswagen organisieren und übergeben.
Und dann geht es auch darum, ein Zeichen zu setzen und sichtbar zu sein, wenn wir unterwegs sind. Ein Konvoi aus hoffentlich zehn Rettungswagen und einem Rudel Radler in unseren Trikots sollte doch unterwegs etwas Aufmerksamkeit provozieren. Momentan glaube ich zum ersten Mal wirklich fest daran, dass wir tatsächlich zehn Krankenwagen schaffen. Wir haben Anfang Dezember mit der Spendenaktion begonnen und sind jetzt schon bei fünf. Drei Monate bleiben uns noch für die Spendenaktion und mehrere Zusagen stimmen uns optimistisch, dass wir das Ziel erreichen können.
Vielen Dank und alles Gute!
Danke, das motiviert uns. Wir wollen aktiv etwas tun, anstatt nur zu reden.
Alle Infos unter:
https://chainreaction-bikeconvoy.org/de/home/
Und auf Instagram:
Fotocredit ©CHAINREACTION Bikeconvoy