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Nachdem Social Media die Reichweite demokratisierte, ist bereits die nächste Revolution im Gange: Macht generative Künstliche Intelligenz die Wirtschaft fairer? Agnes Lison und Johannes Priewich von der KI-Beratung disruptive glauben: Ja, wenn man weiß, wie man sie richtig einsetzt. Ein Gespräch über das Ende verpasster Chancen, den kreativen Umgang mit Technik – und die Kunst, einem Toaster das Verliebtsein zu erklären.

© disruptive KI Academy
MUCBOOK: Schon lange vor der GenAI-Revolution wart ihr Teil der Münchner Kreativagentur IAN In A Nutshell, die davon lebt, Inhalte und Ideen zu entwickeln – bis heute. Jetzt habt ihr vor zwei Jahren eine Beratungsfirma gegründet, die anderen hilft, KI u.a. für bessere Inhalte zu nutzen. Macht ihr euch damit nicht selbst überflüssig?
Johannes: Das könnte man meinen, aber ich würde widersprechen. Zum Verständnis hilft es, sich Tools wie ChatGPT, Perplexity und Co wortwörtlich im Sinne ihrer Gruppenbezeichnung vorzustellen – nämlich als Werkzeuge. Von alleine ersetzen sie nichts, vor allem keine Fachkräfte, die wissen, wie man damit umgeht. Jeder kann einen Hammer schwingen – aber ein Haus bauen? Ähnlich ist es mit generativer KI: Wenn der Mensch vor dem Endgerät selbst keine Vorstellung davon hat, wie ein gutes Ergebnis aussieht und was dafür nötig ist; wenn er sich über das Ziel nicht im Klaren ist oder schlecht kommuniziert, wird er mit KI auch nicht weiter kommen, als bis dato.
MUCBOOK: Warum nicht?
Johannes: Weil generative KI nicht auf Knopfdruck kreativ, strukturiert oder produktiv ist. Sie verarbeitet nur, womit man sie füttert und beauftragt. Klar, kleinere Aufgaben wie Textkürzungen oder Lektorate klappen womöglich auch ohne viel Übung oder ein tieferes Technologieverständnis. Allen, die mehr mit generativer KI vorhaben, sei aber gesagt: Trotz aller Daten und Sprachverarbeitung, die Large Language Models in petto haben, muss man als Nutzer:in immer noch selbst gezielt arbeiten und den Bots kreative Pfade eröffnen. Ansonsten bekommt man von Tools wie ChatGPT auch nur Wiedergekäutes, Halbgares oder Abwegiges. Hat man aber gute Ideen und schafft es, sie in gezielte Anweisungen – sogenannte Prompts – zu übersetzen, kann generative KI die eigene Arbeit um ein Vielfaches effizienter, ja sogar besser machen. Und nicht zu vergessen: Routineaufgaben übernehmen, die einen Menschen viel Zeit kosten.
Agnes: Für mich als Art Direktorin ist es ganz ähnlich. Anfangs haben mich die fehlerhaften KI-Bilder belustigt und mir ein trügerisches Gefühl gegeben. Ich dachte noch: „Mein Job ist sicher.“ Doch mein Verständnis hat sich gewandelt. Heute weiß ich: KI ersetzt mich nicht, sie ergänzt meine Arbeit. Der echte Mehrwert entfaltet sich erst durch den bewussten und gekonnten Umgang mit den Werkzeugen. Ich nutze sie fast täglich für Konzeptskizzen und die Erschaffung neuer Welten – KI ist eine wertvolle Unterstützung und hilft mir, Ideen zu visualisieren, die sonst vielleicht nur schwer zu erklären wären.
MUCBOOK: Aber macht es deine Arbeit wirklich besser?
Agnes: Auf jeden Fall. Zuerst einmal muss man sich über die eigene Idee klar werden. Und das allein ist schon ein Gewinn. Außerdem eröffnet die Technologie ganz neue Möglichkeiten – zum Beispiel bei Pitches (so nennt man Bewerbungen um neue Projekte/Etats im Agenturgeschäft):
Wer früher beispielsweise ein Plakat mit fotografischem Motiv mitbringen wollte, um dem Kunden eine Vorstellung vom Endergebnis zu ermöglichen, musste auf das Material in Fotodatenbanken wie getty oder Shutterstock hoffen. War das geplante Motiv zu spezifisch, gab es noch drei Alternativen: selbst shooten (teuer und aufwändig), anskizzieren (weniger cool und überzeugend) oder man hatte eben Pech. Heute sind der eigenen Vorstellung keine Grenzen mehr gesetzt. Und das meine ich tatsächlich so: Was ich akkurat beschreiben kann, kann eine generative KI visualisieren. Auf diese Weise haben wir in den letzten Jahren schon Pitches für uns entschieden. Der Trick ist, Gedankenprozesse – ja sogar Gefühle – so unmissverständlich zu formulieren, dass sie ein Sprachmodell nicht missverstehen kann.
MUCBOOK: Erklärt das bitte mal genauer.
Agnes: Es gibt ein Gedankenspiel, das ich oft in Workshops und Vorträgen verwende: Stell dir vor, du müsstest einem Toaster erklären, wie sich Schmetterlinge im Bauch anfühlen – so in etwa fühlt es sich an, einer KI menschliche Gefühle und Bedürfnisse zu spiegeln. Denn ein LLM-Chatbot bezieht sein Wissen über Liebe und Verliebtheit ausschließlich aus Quellen, die ihm zur Verfügung stehen und kann daher nur schlecht bewerten, welche Beschreibung im vorherrschenden Kontext die passendste ist.
Johannes: Die gängigen Sprachmodelle tun sich allesamt schwer mit Emotionen, Subtext, Sarkasmus und Ironie, weil man dafür ein Selbstgefühl und echte Erfahrungen braucht. All das hat ein Large Language Model nicht. Es kann mit Wahrscheinlichkeit arbeiten, aber nicht mit Erfahrung. Das zwingt uns dazu, viel präziser zu formulieren und zu kontextualisieren.

© Verena Kathrein
MUCBOOK: Und genau diese Fähigkeit bringt ihr mit disruptive auch anderen bei?
Agnes: Genau. disruptive hat inzwischen drei Säulen: Beratung, Seminare und eine digitale KI-Akademie. Wir helfen Unternehmen dabei, GenAI in den Arbeitsalltag zu bringen – vom Management über Marketing und Vertrieb bis zu HR. Unsere KI-Consultants kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen wie (Kreativ-)Strategie, Performance Marketing, Design und Content Produktion, das ist unser USP.
Johannes: Seit Februar gilt laut dem „AI Act”, dem KI-Gesetz der Europäischen Union: Unternehmen sind verpflichtet, ihre Mitarbeitenden im Bereich KI auszubilden – und da kommen wir ins Spiel. Wir bieten modulare, praxisnahe Formate, die je nach Bedarf angepasst werden. Vom Impuls-Vortrag bis zum mehrtägigen Hands-on-Workshop ist alles dabei. Gerade feilen wir an einem Konzept für einen Promptathon – also einen Hackathon, bei dem Teams einen großen Case nur mithilfe von Prompts und unterschiedlichen GenAI-Tools bearbeiten. Es geht um Aufklärung, vor allem aber um praxisnahes Skill-Development.
Wer sich lieber selbst weiterbilden möchte, ohne dafür Workshops zu besuchen, kann das in unserer disruptive KI-Akademie tun. Das ist eine webbasierte Lernplattform, vergleichbar mit Babbel oder StudySmarter, auf der wir KI-Kompetenzen mithilfe von Videolektionen, Tests und Quiz-Duellen unter den Nutzer:innen vermitteln. Alle Module sind praxisnah, effizient und direkt auf den Arbeitsalltag zugeschnitten – inklusive Prompting-Hacks, Tool-Tipps, Einordnungen zum AI Act und News aus der KI-Welt. Wer nicht nur KI verstehen, sondern anwenden will, ist herzlich dazu eingeladen, die Testversion kostenlos auszuprobieren!
MUCBOOK: Auch in der Akademie macht ihr euch neue Mittel und Wege der KI zunutze: Stimmt es, dass hier Video-Avatare zum Einsatz kommen?
Agnes: Das stimmt. Die Grundlage dafür sind Intros, die ganz regulär vor der Kamera eingesprochen wurden. Diese Videosequenzen dienen dann als Basis für ergänzende Avatar-Inhalte, der Rest wird mit KI generiert. Das spart Zeit und ist skalierbar. Johannes und ich haben zum Beispiel eigene Avatare – mit Vertrag natürlich. Wir wollen nicht plötzlich Waschmaschinen verkaufen.
MUCBOOK: Mit Blick auf euren zweiten Job in der Werbeagentur: Auf welche Tools wollt ihr nicht mehr verzichten?
Johannes: Zugegeben, ich schwöre nach wie vor auf ChatGPT – für die Textarbeit, Visualisierungen und als Brainstorming-Partner. PerplexityAI nutze ich am liebsten für Recherchen und neue Perspektiven, Suno für Musik, Midjourney für kurze Animationen und Gemini als Assistenz innerhalb unserer Google Suite.
Agnes: Mit Midjourney visualisiere ich alles, vom kreativen Moodboard bis zum ersten Entwurf für ein Kampagnen-Visual. Und Perplexity ist mein Mentor für Kopf und Alltag. Ich nutze es für Wissensfragen, aber eben auch für ganz persönliche Dinge. So wird es manchmal auch zum Ratgeber, wenn ich zum Beispiel frage: “Wie kann ich meine Bedürfnisse mit gewaltfreier Kommunikation äußern, ohne Vorwürfe zu machen?”
MUCBOOK: Glaubt ihr, ChatGPT & Co verändern die Marketingwelt nachhaltig – gerade in einer Stadt wie München?
Johannes: Ich glaube, die Karten werden neu gemischt. Agenturen brauchen jetzt keinen riesigen Personalpool mehr, um ganz oben mitzuspielen, weil man seinen Output mit KI auch ohne großes Budget skalieren kann. Im Grunde heißt das: Es zählt die beste Idee, nicht mehr unbedingt, wer die meisten Ressourcen für die Umsetzung hat.
Agnes: Und das ist eigentlich das Schönste: KI kann demokratisieren, neue Chancen eröffnen und Wettbewerbsnachteile ausgleichen. Man muss nur wissen, wie.

© disruptive KI Academy
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