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Während vielerorts Geschäfte ins Internet abwandern, Leerstand droht und Verkehrschaos die Plätze dominiert, hat Freising gezeigt, dass es auch anders geht – und dafür den Pries für Baukultur der Europäischen Metropolregion München bekommen. Das Erfolgsrezept? Hands-on Mentalität, Weitsicht, enger Austausch mit den Bürger*innen und ein Oberbürgermeister, der Platz für neue Ideen schafft. Marco Eisenack hatte Tobias Eschenbacher, Oberbürgermeister der Stadt Freising, im MUCBOOK-Podcast MUNICH NEXT LEVEL zu Gast. Hier verrät er, wie man Widerstände vermeidet und positive Kraft für Veränderung schafft.
Mutiger Umbau, der eine Stadt verändert hat
Tobias Eschenbacher war 34 Jahre alt, als er in Freising Oberbürgermeister wurde. Nach gerade einmal zwei Amtszeiten zieht er sich trotz seiner Erfolge aus der aktiven Politik zurück. Bei der Kommunalwahl im März 2026 tritt er nicht mehr als OB-Kandidat an. „Ich habe das erreicht, was ich wollte und höre dann wieder auf.“ Eine Haltung, die Seltenheitswert hat – und die den besonderen Charakter Eschenbachers zeigt: Lust auf Neues und Mut, zu unkonventionellen Entscheidungen.
Denn Freising hat in Eschenbachers Amtszeit einen Innenstadtumbau durchgezogen, der vielen anderen Kommunen als „unmöglich“ galt: Die Hauptstraße – so lang wie die Kaufingerstraße in München – wurde nahezu komplett verkehrsberuhigt. Die Innenstadt ist heute zu 90 Prozent autofrei. Auch vor dem großen Streitthema Stellplätze hat sich Eschenbacher nicht gedrückt: Normale Parkplätze gibt es in der City keine mehr. Dafür grüne Plätze, lebendige Gassen, wieder freigelegte Bachläufe – die Moosach, einst aus hygienischen Gründen unter die Erde verbannt, plätschert heute munter durch die Altstadt. Abends ist es schwierig, einen Platz auf den Stufen am Wasser zu ergattern. Wenn Eschenbacher die Freisinger:innen an Sommerabenden am Stadtbach sitzen sieht, staunt er manchmal selbst, wie sehr die Wirklichkeit heute den schönen Visualisierung aus der Zeit der Planung gleicht.

Die offengelegte Moosach fließt durch die Freisinger Innenstadt. © Kirchmaier
Veränderung anschieben: Von der Shopping Mall zur belebten Innenstadt
Eschenbacher und sein Team wollten die Altstadt als lebendigen Raum neu denken. Denn es gab eine klare Prämisse: Die Zukunft der Innenstädte liegt nicht im Kampf um den letzten Stellplatz, sondern in der Qualität des Aufenthalts. Freising hat sich entschieden: Keine Shopping Mall auf der grünen Wiese zu bauen, sondern eine Altstadt zu entwickeln, die zum Flanieren, Wohnen und Leben einlädt – und damit auch den Einzelhandel stärkt.
Der Freisinger Bürgermeister sieht keine Notwendigkeit für den Parkplatz direkt vor dem Laden. „Man muss akzeptieren, dass es Bereiche gibt, wo das Auto nicht mehr hingehört. Aber dafür muss man Alternativen schaffen“, erklärt Eschenbacher. Parkplätze gibt es jetzt außerhalb des Zentrums, in Parkhäusern und auf dem Volksfestplatz – und die reichen offenbar völlig aus.
Der Umbau war für Freising ein Mammutprojekt: Während der jahrelangen Bauzeit war die Innenstadt aufgerissen, Wege wurden täglich geändert. Und doch: Die Freisinger:innen haben mitgezogen. Ein Bürgerentscheid zur Moosach-Öffnung 2020 brachte satte 74 Prozent Zustimmung. Ein klares Zeichen: Die Menschen wollen diese neue Stadt.
Was Freising auszeichnet, ist nicht nur die Konsequenz im Umbau, sondern auch die Art, wie dieser Prozess organisiert wurde. Ein breit aufgestellter Innenstadtbeirat, engagierte Bürger:innen, Eigentümer:innen und Händler:innen – sie alle saßen gemeinsam an einem Tisch. Es war dieser kontinuierliche Dialog, der Vertrauen aufgebaut hat. Eschenbacher sagt selbst: „Man muss kompromissbereit sein und akzeptieren, dass der andere auch recht haben könnte.“ Vielleicht genau die Haltung, die den Umbau so erfolgreich gemacht hat.

Die Obere Hauptstraße lädt zum Verweilen ein. © Reichenwallner
Zukunftsfragen: Schwammstadt und Klimaanpassung
Doch Freising bleibt nicht stehen. Auch Klimaanpassung spielt eine zentrale Rolle: Entsiegelung, Schwammstadt-Prinzip, Raum für Wasser und Schatten in Zeiten zunehmender Hitze. Gerade im Altstadtkontext ist das eine Herausforderung – doch auch hier wird vorausgedacht. Bauminseln entstehen, die Infrastruktur wird an Starkregenereignisse angepasst. Gleichzeitig stellt sich die Stadt die Frage: Wie können Denkmalschutz und Klimaschutz zusammen funktionieren? Kommen doch die Besucher:innen zum Großteil auch wegen des historischen Flair in die bayerische Kleinstadt. Freising ist eine von fünf Pilotkommunen in Bayern, die zeigen will, wie Solaranlagen in historischen Stadtbildern machbar sind – sensibel und doch sichtbar.

Die Freisinger Innenstadt ist heute zu 90 Prozent autofrei. © Kirchmaier
Zeigen, dass es geht
Was Eschenbacher immer wieder betont: Politik muss den Interessenausgleich schaffen. Nicht für Ideologien, sondern für Menschen. In Freising wohnen rund 10 Prozent der Bevölkerung in der Innenstadt – das schafft eine ganz eigene Dynamik, denn: Wer hier lebt, sorgt für lebendige Straßen, für alltägliche Begegnungen und für die Kaufkraft direkt vor Ort.
Und was tut ein so umtriebiger Oberbürgermeister, wenn er aufhört zu regieren? Dann, sagt Eschenbacher, freue er sich auf mehr Zeit mit seiner Familie – und darauf, sein Wissen weiterzugeben. In Zukunft will er auch andere Städte beraten und seine Erfahrungen zum Großumbau der Stadt Freising teilen und um zu zeigen, dass es geht. Dass eine lebenswerte, klimafitte und attraktive Innenstadt kein Luftschloss ist – sondern das Ergebnis von einem kontinuerlichen Austausch zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bürger:innen und einer klaren Entscheidung: Das Auto muss nicht immer im Mittelpunkt stehen. Der Mensch schon.

Klimaschutz und Denkmalschutz vereint. © Kirchmaier
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