
Aktuell, Warum tust du das?
Warum tust du das? – mit Antonia Cruel und Max Seeberger von Stiltlife
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Schonmal Häuser auf Stelzen gesehen? Meistens findet man solche Gebäude eher an Küsten, wo die Häuser so im oder näher am Wasser stehen können. Jetzt gibt es sie aber auch in Bayern: Das Startup Stiltlife ist momentan in der Testphase einer neuen Gebäudekategorie. Die Stelzenhäuser von Stiltlife sind nämlich zusätzlich auch noch mobil. Wie das aussieht und warum diese Art von Häusern zur Bewältigung des Wohnungsmangels beitragen kann, erklären Antonia und Max im MUCBOOK-Interview.
Antonia, Max, stellt euch doch beide erstmal kurz vor.
Wir sind Antonia (31) und Max (36), seit 2020 ein Paar und Partner im Beruf. Antonia ist Architektin mit Abschluss an der TUM und ETH Zürich. Sie hat als Projektmanagerin im Bereich Quartiersentwicklung und als Immobilienberaterin gearbeitet – ihr Fokus liegt auf Mehrfachnutzung. Für ihr Engagement und ihre Arbeit, die das wissenschaftliche Fundament für Stiltlife bildet, wurde sie bereits mit dem deutschen Nachwuchswissenschaftspreis sowie mit dem MAT Award „30 under 30″ausgezeichnet.
Max hat einen Master in Management & Technology von der TUM, begeistert sich für Projektentwicklung und Bau von nachhaltiger Urlaubsarchitektur, ist Gründer und Inhaber der erfolgreichen Winterfestival-Marke „Skigaudi” und bringt als Unternehmer viel Erfahrung in den Bereichen Marketing, Experience Design und Produktentwicklung mit.
Seit 2024 sind wir außerdem Eltern eines Sohnes – das macht unseren Antrieb, zukunftsfähige Wohnräume zu schaffen, noch stärker.
Nun zu Stiltlife: Was ist die Grundidee dieses Projekts?
Die Grundidee von Stiltlife ist simpel, aber visionär: Mit Stiltlife möchten wir eine konkrete Möglichkeit bieten, Häuser wie Bäume und Städte wie Wälder zu bauen. Dazu haben wir unsere mobilen Stelzenhäuser entwickelt, die ohne Eingriff in die Natur aufgestellt werden können und durch ihre Bauweise zusätzliche Habitate bereitstellen und Biodiversität fördern. Unser Ziel ist es, regenerativen Wohnraum zu schaffen, der flexibel, umweltfreundlich und ortsunabhängig ist. Herausgekommen ist das erste mobile Stelzenhaus – ein kleines, autarkes Zuhause zwischen den Baumkronen.

Wie kam es zu der Idee?
Max liebt seit jeher Baumhäuser und findet seit Jahren Erholung in seinem eigenen selbst errichteten mobilen Micro-Retreat. Antonia ist Expertin für Zwischennutzung und nachhaltige Bauweisen. Bei einem gemeinsamen Urlaub auf Sardinien kam uns die Idee: Warum nicht auch anderen die Möglichkeit zu bieten, temporäre Wohnorte in der Natur zu genießen, die man leicht aufstellen und wieder abbauen kann? So entstand der Grundstein für Stiltlife.
Sind die Häuser komplett von euch entwickelt? Wie geht man an so ein Projekt heran?
Unser erster 1:1 Prototyp eines mobilen Stelzenhauses entstand im Rahmen unserer EXIST-Förderphase. Von der Idee bis zum Prototypen haben wir alles mit viel Eigenleistung entwickelt und gebaut und konnten das Bundesministerium für Wirtschaft, das Land Bayern sowie die Audi Umweltstiftung überzeugen, uns zu fördern. Zudem konnten wir mehrere Produktpartner für den Prototypenbau gewinnen. Für die komplexen technischen Anforderungen haben wir Experten aus Maschinenbau, Sensor- und Softwaretechnik, Statik, Holzbau, KI, Offgrid-Technik und Bauphysik hinzugezogen und mit diversen Lehrstühlen der TU München zusammengearbeitet. Die intelligente Standsicherheits-Überwachung haben wir gemeinsam mit Zulieferbetrieben entwickelt. Beim Bau des Raummoduls half uns eine regionale Zimmerei, die Stelzen, Klappbalkone und Treppe wurden ebenfalls von Fachfirmen aus der Region gefertigt – so entstand ein mobiles Haus, das technisch ausgereift und gleichzeitig nachhaltig ist.
Woher kommt die Form der Häuser? Gibt es dafür einen bestimmten Grund oder war das einfach eine Frage der Ästhetik?
Die Form unseres Stelzenhauses ist nicht zufällig gewählt. Um es mobil und straßentauglich zu machen, haben wir uns an den Maßen der deutschen Straßenverkehrsordnung orientiert und die Kanten abgeschrägt, um einerseits mehr Licht in den Innenraum zu holen und andererseits einen Habitat-Raum an der schrägen Unterseite für Vogelnistplätze zu schaffen. Innen haben wir einen Ort geschaffen, der zur Ruhe einlädt: Die dunkle, durch indirekte Beleuchtung geprägte Innenraumgestaltung nimmt sich bewusst zurück und dient somit der Vermeidung von Lichtsmog. Große Holzfenster rahmen die Natur ein und schaffen das Gefühl, direkt in den Baumkronen zu wohnen.
Woraus bestehen die Häuser?
Für uns war von Anfang an klar: Das Haus muss, wo regulatorisch zulässig, aus nachwachsenden und biologisch abbaubaren Werkstoffen hergestellt werden, die recyclier- und trennbar sind. Die tragende Konstruktion des Raummoduls und die Stelzen bestehen aus CO₂-freiem Stahl und regionalem Konstruktionsvollholz, gedämmt ist es mit Schafwolle. Die Außenhaut besteht aus 100% natürlichem Kork, einem Abfallprodukt aus der Flaschenkorkproduktion. Als natürliche “Rinde des Hauses” bildet er die äußere Schutz und Isolationsschicht. Der Kork verfügt über hervorragende biologische und bauphysikalische Eigenschaften und bietet durch seine Struktur Mikrohabitate für Insekten und ist durch eine innovative Verlegetechnik klebstofffrei verbaut. Das Haus benötigt kein herkömmliches Fundament und erfüllt die Anforderungen der Energieeinsparverordnung.
Wie viel Platz hat man im Inneren? Wie ist die Raumaufteilung?
Mit 18 m² plus Splitlevel ist das Stelzenhaus ideal für Wochenendtrips zu zweit, Einzelpersonen oder kleine Familien. Der zentrale Wohnbereich umfasst Kochzeile und Sitzgelegenheit, daneben befindet sich ein Bad mit Trockentrenntoilette und wassersparender Dusche. Über eine Schlafempore gelangt man in die Ruhezone, während ein großzügiger Habitat- und Stauraum darunter integriert ist.
Wie sieht es mit der Strom- und Wasserversorgung aus?
Unsere Häuser können autark betrieben werden: Photovoltaikmodule auf dem Dach ernten Sonnenenergie für den Betrieb und den großen Batteriespeicher, eine ergänzende Versorgung über Landstrom ist möglich, im Notfall springt ein Biokraftstoff-Aggregat ein. Ein Holzofen ist optional. Leitungswasser wird über die Stelzen zum Innenraum befördert, Regenwasser wird über das Dach gesammelt und mittels Partikel- und UV-Filter für den Gebrauch aufbereitet. Soweit kein Landanschluss vorhanden ist, werden der große Trinkwassertank und der Grauwassertank monatlich befüllt und geleert. Aber natürlich ist auch ein Anschluss an lokale Versorgungsnetze möglich, was den technischen Einsatz deutlich reduziert – je nach Standort.
Was war vor der Testphase die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war, eine komplett neue Gebäudekategorie zu schaffen und verschiedene technische Disziplinen und Fachsprachen zu synchronisieren. Über zwei Jahre hinweg haben wir in wöchentlichen Meetings jeden Schritt abgestimmt – vom Statiker bis zum Maschinenbauer. Praktisch war es eine Gratwanderung zwischen bautechnischen Vorgaben und der Idee, ein möglichst großzügiges Raumgefühl zu schaffen. Doch im Juli konnten wir das Ergebnis bei der ersten Aufstellung erfolgreich testen: Das System lässt sich innerhalb von 2h aufstellen und mobil ausrichten, steht stabil und ist funktional.
Was habt ihr aus dem Pilotprojekt gelernt?
Der Prototyp ist der erste Schritt, um unsere Vision in die Realität zu bringen. Dank der Zusammenarbeit mit Holz- und Metallbauern und unserer hohen Eigenleistung beim Bau haben wir wertvolle Einblicke gewonnen, wie sich die Produktion noch effizienter gestalten und organisieren lässt und worauf wir bei der Verarbeitung der Naturmaterialien besonders achten müssen. Zudem ist das Haus so konzipiert, dass es dank digitalem Zwilling einfach reproduziert werden kann.
Wie soll es mit den Stelzenhäusern weitergehen? Wer soll da wohnen, wo sollen sie stehen?
Wir planen, den Prototyp im Frühjahr 2026 in der Region Ammersee bei einem unserer Natur-Landpartner als Micro-Retreat für Städter anzubieten. So wollen wir Nutzer:innen-Feedback sammeln und Menschen erstmalig die Möglichkeit bieten, in unseren Stelzenbaumhäusern Ruhe und Erholung in der Natur zu erleben. Interessierte können sich bereits jetzt auf unserer Webseite anmelden, um als erste eine Buchungsmöglichkeit zu erhalten. Langfristig sehen wir unsere Stelzenhäuser sowohl im urbanen Raum – etwa als Ergänzung auf Brachen oder über Parkplätzen – als auch in ländlichen Gebieten, wo sie minimalinvasives und naturnahe Micro-Retreats ermöglichen.

Ist eine barrierefreie Variante der Häuser in Planung? Oder gibt es bereits eine Option, sie barrierefrei zu machen?
Der aktuelle Prototyp ist nicht barrierefrei, kann aber mit einem Treppenlift und einem barrierefreien Innenausbau nachgerüstet werden. Wir planen, künftig auch explizit barrierefreie Modelle anzubieten, um möglichst vielen Menschen Zugang zu diesem besonderen Wohnkonzept zu ermöglichen.
Kurz und knapp: Warum sind Stelzenhäuser zukunftsweisend in der Wohnraumskrise?
Stelzenhäuser sind eine innovative Lösung für die Wohnraumkrise: Sie nutzen ungenutzte Räume effizient, sind mobil und flexibel einsetzbar und schonen die Umwelt durch minimalen Flächenverbrauch. Ob in Städten auf Brachflächen oder in der Natur – sie schaffen bezahlbaren und ökologisch wertvollen Wohnraum ohne Flächenversiegelung.
Warum ist Stiltlife für Förderer attraktiv?
Stiltlife bietet Förderern die Chance, in ein innovatives und bewusst handelndes Unternehmen zu investieren, das mit seinem zum Patent angemeldeten Produkt aktuelle wirtschaftliche und ökologische Herausforderungen vereint. Mit unserem Stelzenhaus-Konzept bieten wir Zugang zu zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen und schnell wachsenden Märkten: 8 Mrd.€ Marktvolumen alleine für Natur-Retreats in der DACH Region – und ermöglicht dabei echten Mehrwert für Nutzer:innen, Partner und Biosphäre. Unsere Entwicklung trifft schon jetzt auf positive Resonanz: Unser Konzept ist auf der Architekturplattform Archdaily als eines der Gewinnerteams des internationalen Microhome Award 2025 vorgestellt worden. Wer uns unterstützt, fördert somit nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch eine innovative Bauweise mit großem Wachstumspotenzial.
Stiltlife GmbH & Co. KG
Herrsching am Ammersee
Website www.stiltlife.com
Instagram @join.stiltlife
Fotos: Stiltlife GmbH & Co. KG