Kultur, Was machen wir heute?

Eine Forschungsreise wider das Vergessen

Paul_Huf

Die erste Deportation jüdischer Münchner jährt sich im November zum 70. Mal. Anlässlich dieses Jahrestages reist ein Team um Künstler Paul Huf zu den Zielorten der Münchner Deportationen. Berichte, Fotos und Zeichnungen werden während dieser Reise täglich nach München übertragen und auch auf einem “tagebook” auf mucbook veröffentlicht. Nach der Rückkehr werden Paul Hufs Bilder zunächst in einer Ausstellung gezeigt und anschließend an Privathaushalte verliehen.

Das Team und der visuell-literarische Reisebericht

Paul Huf recherchiert seit 2009 über die Geschichte der Deportation der Juden aus München in die Konzentrationslager in Tschechien, Polen und Litauen. Vom heutigen Verladebahnhof in Milbertshofen aus reist das vierköpfige, interdisziplinäre Forscherteam per Bahn in mehreren Etappen nach Theresienstadt, Auschwitz, Lublin und Kaunas. Paul Huf wird die Reise in Zeichnungen und Fotos dokumentieren.

Der 1932 geborene Zeitzeuge und Holocaust-Überlebende Ernst Grube war selbst in dem Barackenlager in Milbertshofen interniert. 1945 wurde er nach Theresienstadt deportiert. Ein Großteil seiner Familie wurde durch die Nationalsozialisten ermordet.
Die Autorin und Journalistin Renate Eichmeier wird die Gespräche aufnehmen und die Reiseetappen literarisch beschreiben. Die Pädagogin Helga Hanusa reist als Team-Supervisorin mit. Historiker Maximilian Strnad und Mathematiker Lars Mentrup begleiten das Projekt von München aus. So entsteht Tag für Tag ein visuell-literarischer Reisebericht.

Echtzeitübertragung der Reise auf das Kulturhaus in Milbertshofen

Dieser Reisebericht wird täglich von unterwegs über das Internet gesendet und ab Einbruch der Dunkelheit an die Außenwand des Kulturhauses Milbertshofen projiziert. So können Interessierte den Verlauf der Reise mitverfolgen (6. – 20. November, täglich von 19 – 22 Uhr).

Ausstellung der Reisewerke in Privathaushalten

Nach der Reise findet das Projekt eine Fortsetzung: Die auf der Reise entstandenen Fotos und Zeichnungen werden bei einer Ausstellung ab dem 1. Dezember im Kulturhaus Milbertshofen gezeigt. Die Bilder werden dann über den dortigen Kunstverleih kostenfrei an Münchner Haushalte verliehen. So entsteht eine Ausstellung über verschiedenste Privaträume hinweg. Das Gedenken wandert damit aus dem öffentlichen in den privaten Raum und wird so tiefer verankert.

Die Bilder der Reise werden nicht auf den ersten Blick als Holocaust-Repräsentationen zu erkennen sein, obwohl sie Anspielungen auf Bildikonen des Holocausts enthalten. Die Kenntnis des größeren Zusammenhangs hinter den Einzelbildern und ihres historischen Hintergrunds lädt die Arbeiten aber unmissverständlich auf. Die Verantwortung für die Kontextualisierung dieser Kunstwerke und ihre Vermittlung liegt dann bei den Privatleuten.

Künstlerische Herausforderung

Eine begleitete Reise, und zwar mit einem Zeitzeugen des Holocaust, verspricht eine besonders intensive Erfahrung zu werden, die ihre Entsprechung in der künstlerischen Form finden muss. Entscheidend für das Gelingen des Projekts ist die künstlerisch anspruchsvolle Auseinandersetzung mit Klischees der Holocaust-Repräsentation. Die Herausforderung besteht darin, stereotype Bilder wie Schienenstränge, Viehwaggons, Schuhhaufen und Birkenwälder durch Motive aus dem eigenen Bildrepertoire des Künstlers zu ergänzen, ohne dabei der Ernsthaftigkeit des Sujets Abbruch zu tun.

Mehr Informationen und der Online-Reisebericht unter:
www.forschungsreise-wider-das-vergessen.de

Text und Foto: Paul Huf

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