Aktuell, Kolumnen, Meine Halte

Meine Halte – das Michaelibad

Yeseo Choi

Eigentlich hätte ich die Wahl zwischen Quiddestraße und Trudering Bahnhof, dennoch radle ich jeden Morgen bis zum Biergarten mit dem Schild “Dicker Mann”, parke dort mein Radl und tauche in den östlichen Ausgang des Michaelibads, meiner Halte, ab.

Alle wollen weg… oder auch nicht

Die Innenarchitektur unten mit den faden, gelb-grünen Seitenwänden sowie den roten Streifen lässt meine Halte ziemlich altbacken wirken. Eigentlich “muss [das Michaelibad] nicht groß weiter erwähnt werden.”, schreibt ein Münchener U-Bahn-Fanatiker auf sein YouTube Kanal. Auf dem ersten Blick kann man ihn irgendwie verstehen. Fast wirkt es so, als diene meine Halte nur als Fluchtweg in die Stadt. In Trudering fahren nämlich hauptsächlich Busse, sodass für viele Pendler das Michaelibad gar nicht “ihre (End)Halte” ist, sondern lediglich der nächstgelegene Anschluss ins Zentrum. Die Meisten kommen morgens mit dem Fahrrad oder sogar mit dem Auto hierhin, um sofort mit der U5 Richtung Laimer Platz. Bitte Zurückbleibenwieder wegzufahren.

Es gibt aber auch viele Münchener, die an meiner Halte aussteigen und dort zu Hause sind. Viele besuchen auch das Freizeitbad, das meiner Halte ihren Namen gibt. Meistens kommen sie bei schönem Wetter mit Freunden hierher, um auf der Wiese zu sitzen oder eine Runde auf der Abenteuerrutsche zu rutschen. Bei Erholungsbedarf wechseln sie zwischen Sauna und Whirlpool. Für die Adrenaline-Junkies gibt es im Michaelibad ein (fast!) 10 Meter Sprungbrett.

Grün, grüner, Ostpark

Direkt hinter dem Michaelibad wird es grün. In dem 1973 künstlich angelegten Ostpark kann man sich auf teils verschlungenen Wegen leicht verirren. Im 56 Hektar großen Ostpark gibt es für jeden was: Bei schönem Wetter spielen die Besucher auf der Wiese Tischtennis oder Volleyball. Zwei Minibrücken über dem See weiter, hat hinter Bäumen verdeckt ein Skaterbereich seinen Platz; hier kommen die Skater her, um ihre Moves auf den Rampen aus Beton auszutesten. Weiter südlich wird im Sommer auf knapp 400 Quadratmeter in der futuristischen Kuppel des Theatrons “Lunatico” auch kulturelles Leben gefördert — in den letzten beiden Jahren führte das Neuperlacher Festspielhaus dort Stücke von Shakespeare auf.

Jeden Morgen wieder

Während einige morgens früh im Ostpark flanieren, verstopfen hastige Autofahrer auf der anderen Seite die Heinrich-Wieland-Straße. Darunter werde auch ich sein, eilig in die Pedale meines Fahrrads tretend, um bloß nicht zu spät zur Schule zu kommen.

Der U-Bahn Fanatiker wollte nicht tiefer auf das Michaelibad eingehen, was eigentlich verständlich ist. Als Liebhaber von Münchener U-Bahnen wird er wohl schönere Haltestellen kennen als das Michaelibad. Dafür schreibe ich gerne über sie, weil ich weiß, dass meine Halte auch schönere Seiten hat als die öde Innenarchitektur. Besonders schön finde ich es auf der Heinrich-Wieland-Straße, wenn hinter mir die Sonne zwischen den Maikäfersiedlungen aufgeht und auf die Straße scheint. Die Sonne erwärmt leicht meinen Rücken, fast so, als würde sie mich für den kommenden Tag aufmuntern. Da weiß ich, dass ich am nächsten Morgen wieder gerne hier hinfahren werde.


Yeseo Choi ist Schülerpraktikantin bei Mucbook.