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Münchens Startup-Szene: Im Gespräch mit Prof. Dr. Helmut Schönenberger

Startups: Ursprung von Innovation, Sammlung von Talent. Die junge Münchner IT-Szene ist berüchtigt für ihre Quantität und Qualität an Startups. Doch woher kommt die ,,Kultur des Entrepreneurships”? Sind Startups ein Universitätsphänomen? Wie hat COVID-19 die Münchner Startup-Szene beeinflusst?

Bereits vor einiger Zeit haben wir uns dem Thema gewidmet, jetzt möchten wir noch offene Fragen klären. Deswegen fragen wir Prof. Dr. Helmut Schönenberger, einen der Mitgründer und heutiger Leiter der UnternehmerTUM. Diese ist ein An-Institut der TUM, in welchem Startups gegründet und begleitet werden. Im vorherigen Artikel wurde beschrieben, dass die Politik der 1990er ein bedeutungsvoller Faktor für die Entwicklung der Münchner IT-Szene war. Auch zu dieser Zeit war Prof. Dr. Helmut Schönenberger von den Entwicklungen im Silicon Valley fasziniert, spezifisch dem Modell der Stanford University als ein Inkubator für Startups. Der Freistaat Bayern, unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, förderte seine Diplomarbeit zu ,,Universitäten als Motor von Gründungsnetzwerken in Technologieregionen”. Aus dieser Idee wurde 21 Jahre später die UnternehmerTUM. Prof. Dr. Helmut Schönenberger ist also nicht nur ein Gesprächspartner, der von Tag eins an die Münchener Startupszene beeinflusst hat, sondern auch ein Beispiel dafür, wie wichtig die gesellschaftliche Förderung von Ideen ist.

Herr Prof. Dr. Schönenberger, was sind die Gründe dafür, dass ,,Big Tech”, wie zum Beispiel Google und Apple, sich in München ausbreitet?

München ist ein sehr gutes Umfeld für Innovationen und für Startups, weil es sehr gute Universitäten mit der TU München, der LMU und auch mit der Hochschule München gibt und enorm viel Talent da ist, aber gleichzeitig auch Startups und weitere Industrie-Unternehmen. Das ist eine tolle Mischung an Playern, die es natürlich noch interessanter machen für solche Big Tech Unternehmen, wie Google oder Apple. Gleichzeitig kaufen diese Firmen auch wieder Startups auf. Beispielsweise Metaio, ein Startup aus der TU München, wurde von Apple gekauft und viele der Mitarbeiter sind heute die Apple-Mitarbeiter, die in München sind.

Hat es das Unternehmertum in München schon immer gegeben?

Was die TU München UnternehmerTUM betrifft haben wir damals gestartet im Jahre 2002, um die UnternehmerTUM als das Innovation- Gründerzentrum der TU München aufzubauen. Das war ein ganz wichtiger Meilenstein, dass es eine Institution gab, die die Gründerinnen und Gründer aus der TU München ganz praktisch begleitet und befähigt. Die TU München hat in dieser Zeit auch die Strategie der unternehmerischen Universität entwickelt, damals unter der Leitung des damaligen Presidenten Wolfgang Herrmann, indem die TU sich das Gesamtmotto ,,The Entrepreneur University” gegeben hat. Mit diesem Motto und dieser Strategie ist die TU München dann auch in der Exellenzinitiative erfolgreich gewesen. Das ist dieser sehr konstante und konsequente Weg, den die TU München mit der UnternehmerTUM die letzten 20 Jahre eingeschlagen hat.

Heute sehen sie die Erfolge. Wir gründen im Jahr über 50 Hightech-Unternehmen und das ist inzwischen eine große Community an erfolgreichen Unternehmen.

Was sind die drei wichtigsten Faktoren, die die TUM ausmachen als ein Inkubator für Startups?

Das eine ist, dass die TU München mit ihren 45.000 Studierenden und über 10.000 Mitarbeitern ein gigantischer Talentepool ist. Das zweite ist, dass die TU München als Technische Universität enorme Kompetenz in Technologiefeldern, wie Additive Manufacturing, Künstliche Intelligenz, Software Engineeering, Robotics und so weiter, hat. Das dritte ist, dass die TU München in Forschung und Lehre ganz konsequent das Thema ,,Innovation and Startups” vorantreibt und eine extrem starke Unterstützungsmaschine gebaut hat, damit eben Gründerinnen und Gründer aus der Universität von der ersten Idee bis zum skalierten Unternehmen erfolgreich begleitet werden.

Damals hatten Sie das Amerikanische Silicon Valley studiert. Das Stanford Modell hatte ihnen dann die Inspiration gegeben für die UnternehmerTUM. Heute möchte ich Sie fragen: Was kann München aus Zhongguancun, dem “Silicon Valley von China”, lernen?

Ich bin sehr fasziniert von den Unternehmerinnen und Unternehmern in China. Was wir glaube ich lernen können ist der Mut, schnell und groß zu denken und Dinge anzupacken. Das ist großartig, wie Chinesische Unternehmerinnen und Unternehmer das vorantreiben und da sehr schnell und sehr pragmatisch, aber auch sehr diszipliniert Firmen hochziehen. Das ist eine Schnelligkeit, eine Konsequenz und eine Geschwindigkeit, die oft schneller ist als in Europa und manchmal auch schneller ist als in den USA.

Gibt es da bestimmte Beispiele, die sie faszinieren oder von denen man lernen kann?

Ich glaube, das ist dann auch einfach, es sehr ,,hands-on” zu machen, sehr praktisch zu denken, sehr in pragmatischen Lösungen zu denken. Gleichzeitig natürlich auch mit großen Ressourcen zu arbeiten. Dass man dann auch in der Lage ist, große Risikokapitalrunden zu fahren, oder große Entwicklerteams zu rekrutieren, oder auch dann gleich in skalierbare Produktionen einzusteigen.

Wie hat die COVID-19 Pandemie die Startup-Szene und die Vernetzung zwischen Unternehmen und B2B Startups beeinflusst?

Es waren positive Trends aber auch negative Trends in der Covid-19 Krise. Positiv war, dass, gerade was Digital Unternehmen betrifft, die Gesellschaft große Fortschritte gemacht hat, digitale Tools zu nutzen. Das haben viele Softwareunternehmen und Digitalunternehmen als einen Schub erlebt. Was auch positiv war ist, dass trotz der Krise die Risikokapitalfinanzierungsrunden sogar gewachsen sind. Wir haben dieses Jahr wieder einen neuen Rekord an Venture Capital Runden. Was aber schwierig war, insbesondere bei den B2B Geschäftsmodellen, dass gerade in den Lockdown Zeiten oft Aufträge nicht gekommen sind, oder verzögert oder storniert wurden. Da haben auch viele Startups Schläge erleiden müssen.

Und die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)?

Für viele war das ein Weckruf und ein Zeitpunkt in dem man Innovationsoffensiven gestartet hat, um die internen Prozesse und Kommunikationswege zu digitalisieren. Da hat sich sehr, sehr viel getan. Da haben viele Unternehmen einen positiven Sprung gemacht. Gleichzeitig gab es natürlich auch Unternehmen, die mit den zusätzlichen Herausforderungen und zusätzlich benötigten Resourcen nicht gut zurechtgekommen sind. Die starken Unternehmen sind noch stärker geworden und die Unternehmen die bereits in der Krise waren sind noch härter getroffen worden.

Gäbe es da ein konkretes Beispiel für eine Firma, die diesen Sprung besonders gut hingekriegt hat?

Wir arbeiten mit der HÖRMANN Gruppe zusammen. Die HÖRMANN Gruppe hat aus unserer Sicht in der Zwischenzeit ein extrem starkes Digitalteam aufgebaut und inzwischen auch viele Digitalprodukte in ihr Portfolio aufgenommen.

Wie kann man als eine Gesellschaft mit dieser Disruption umgehen? Zum Beispiel, dass neue Techologien kurzzeitig weniger Arbeitsplätze bedeuten, aber dass langzeitig eine Gesellschaft von diesen profitiert.

Wichtig ist, dass unsere Gesellschaft weiter innovationsfähig und weiter wertschöpfend ist. Das heißt, wir müssen konstant an neuen Lösungen und neuen Produkten arbeiten. Dadurch, dass man sich auf diesem Weg macht, ergeben sich ständig neue Chancen. In unserem Umfeld generieren wir unglaublich viele neue Arbeitsplätze und neue Jobs. In unserem Umfeld ist es so, dass wir genau das Gegenteil an Problemen haben. Wir suchen händeringend nach Menschen, die eben mit diesen neuen Technologien umgehen können. Deswegen investieren wir ja auch ganz viel Zeit und ganz viel Geld, um eben die nächste Generation zu befähigen, mit diesen neuen Technologien umzugehen.

Ich glaube diesen positiven Weg müssen wir als eine Gesellschaft gehen: dass wir offen sind für diese neuen Technologien, für die Chancen und auch den Menschen helfen, sich aktiv auf diese Reise zu machen, indem die Gesellschaft diese neuen Technologien auch lernt zu nutzen. Im Idealfall nicht nur zu nutzen, sondern zu entwickeln oder weiterzuentwickeln.

Wenn Sie eine junge Münchner Softwareentwicklerin vor sich hätten, die in der Welt der Münchner Startups Fuß fassen möchte, welche drei Ratschläge würden Sie ihr mitgeben?

Einfach die Angebote der UnternehmerTUM und der TU München und der LMU und Hochschule München nutzen. Da gibt es unglaublich tolle Angebote. Dann einfach mal loslegen, ein gemeinsames Projekt machen, ausprobieren. Das dritte ist: wenn es funktioniert, dann den Mut haben eine Firma zu gründen.

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