Aktuell, Leben, Warum tust du das?

Jetzt werden Baubgruben zu Biergärten – Café Kosmos-Macher eröffnet heute eine Garten-Gastro in Schwabing

Marco Eisenack

So kurios wie genial: Florian Schönhofer vom Café Kosmos eröffnet einen Biergarten in einer brachliegenden Schwabinger Baugrube. 4,5 Meter unter der Straße erwartet die Besucher:innen neben Brotzeit und Erfrischungen auch Landwirtschaft zum Anfassen: Mit einer Hühnerfarm und Hochbeeten zum Selbstbepflanzen entsteht zugleich auch eine kleine Farm für die Familien aus der Nachbarschaft.

Vergangene Woche hat der zuständige Architekt und MUCBOOK-Kolumnist Benedict Esche (Kollektiv A) auf LinkedIn die frohe Botschaft der baurechtlichen Genehmigung verkündet: „In einer Baugrube in Schwabing entsteht ein neuer Raum für Erholung, Begegnung, Austausch und Kultur. Die Genehmigung für den Kulturgarten ist erteilt – ein Experiment für Stadtentwicklung, das zeigt, wie Brachflächen aktiv genutzt werden können.“

Wir wollten von Florian Schönhofer wissen, wie man auf so eine Idee kommt und wie schwer es war, für so ein Experiment eine Genehmigung zu bekommen.


 

Man kennt dich ja über das Café Kosmos. Wie kommt es, dass du plötzlich im Kontext der Stadtbegrünung auftauchst?

Vor fünf, sechs Jahren hatte ich ja bereits ein Baumpatenprojekt gemacht. Da ist das jetzt nicht so wahnsinnig weit weg.

Was für ein Baumpaten-Projekt war das?

Ich habe in der Nähe von Bad Tölz alte Obstsorten gepflanzt. Da konnte man eine Patenschaft übernehmen und ab der ersten Ernte gehörte einem dann der Baum fünf Jahre lang zum Ernten.

Das war ja noch vor Corona, vor der großen Zeitenwende. Wieso hat dich das Thema Selbstversorgung interessiert?

Ja genau, das war vor der großen Zeitenwende. Ich bin ein brutaler Abnehmer von Äpfeln und kaufe in der Woche 400 Kilo fürs Kosmos. Darum habe ich mich mit dieser ganzen Landwirtschaftsthematik ein bisschen näher befasst.

400 Kilo Äpfel in der Woche?

Weil wir Apfel-Wodka herstellen. Das mache ich schon seit rund 16 Jahren. Und da habe ich mich öfter mit den Bauern unterhalten und kam näher in Kontakt. So hatte ich die Idee, das ein bisschen zusammenzubringen, dieses bäuerliche und das städtische Leben.

Die Landwirte sitzen 16 Stunden am Tag auf dem Bulldog und arbeiten sich den Arsch ab. Und wir verstehen das gar nicht und sehen nur, dass sie uns im Frühjahr nicht erlauben über die Wiesen zu laufen. Und dann sind wir grantig. Es hat sich heute einfach ein bisschen auseinander entwickelt. Das siehst du auch sehr stark bei gesellschaftlichen Themen wie diesen ganzen Bauernprotesten, weil sie sich heute nicht wertgeschätzt fühlen. Und ich dachte mir, bringen wir Stadt und Land wieder ein bisschen zusammen. Das ist mir ganz gut gelungen und seitdem habe ich einige Bauernfreunde. Ich kenne aber auch Städter, die sowas cool finden. Dann habe ich dieses Grundstück in der Hiltenspergerstraße entdeckt und dachte mir, das passt genau zu dem, was ich sonst so mache. Vorher habe ich die Städter aufs Land gezogen, jetzt ziehe ich das Land in die Stadt, weil so eine Brache ist ja nichts anderes. Da sind jetzt Hühner drauf, dann kriegt jeder ein Hochbeet. Das ist so ein bisschen anders gedachtes Kleingärtnertum, quasi Social Gardening mit 130 Hochbeeten.

Und wer nutzt die Hochbeete?

Viele Familien natürlich. In der Gegend vom Nordbad bis zum Frankfurter Ring haben viele Leute ja keine Balkone. Das ist dicht bebaut, eng und da hat man diese Möglichkeiten gar nicht. Und in einer Kleingartenanlage hast du ewige Wartezeiten. Bis dahin sind die Kinder aus dem Haus.

Und wie groß ist die die Baugrube insgesamt?

20.000 Quadratmeter, also schon groß.

Wem gehört denn die Fläche?

Die Fläche gehört der Kirche, der Caritas.

Wie hat die Caritas reagiert, als du mit der Idee kamst?

Die waren gleich aufgeschlossen. Ihr Bauprojekt mussten sie erstmal auf Eis legen. Und logischerweise, wenn du so ein Grundstück hast, dann hast du ja Sicherungspflichten. Theoretisch musst du so eine Baugrube irgendwann wieder verfüllen und so. Und das Schöne ist, dass die Caritas ja auch eine soziale Aufgabe hat. Da bin ich dann schon wieder ein bisschen ähnlich. Ihr kennt das Kosmos wahrscheinlich, wir machen jetzt auch nicht auf Gewinnmaximierung.

Ein Hochbeet kostet 50 Euro Miete im Jahr – that’s it. Das kann sich jede junge Familie leisten. Und dann haben wir da auch ein bisschen mehr Nachhaltigkeit noch reingebracht, weil die Hochbeete, die wir da bauen, sind aus Stahl und können wiederverwendet werden. Das sind alte Industriekisten aus der Autoindustrie.

Zwischennutzung, das klingt immer so cool, aber eigentlich machst du eine Riesensauerei, weil du baust Sachen aus Plastik und schmeißt sie nachher wieder weg, was nicht anders geht. Also jetzt so ein klassisches Hochbeet, wo innen eine Folie ist, ist blöd, wenn du das nur ein paar Jahre nutzt. Diese Stahlkisten, die kannst du einfach ausleeren und wieder in Kreislauf bringen, wie eine Pfandflasche.

Aber trotzdem braucht ihr ja auch Geld für alles. Auch die Hühner brauchen ja ihr Futter.

Ja gut, also die Hühner, es ist tatsächlich traurig, aber Hühner kosten nichts. Also das sind Legehennen, die werden aussortiert, tatsächlich nach einem Jahr. Und denen tut man einen ziemlich Gefallen, wenn man sie da raus holt.

Aber es muss sich ja jemand um die Hühner kümmern.

Ja, es gibt natürlich Paten. Da haben sich die Familien drum gerissen. Und dann hast du halt jeden Tag eine andere Familie, die macht dann in der Früh den Stall auf, Futter rein, kriegt die Eier dafür und abends packen sie die Hühner wieder in den Stall.

Klingt alles sehr einfach, ist es aber vermutlich nicht. Alleine schon die Genehmigung stelle ich mir schwer vor.

Das ist natürlich so. Das ganze Ding ist ein Präzedenzfall für eine neue Form der Baugruben-Nutzung. Und da hat man natürlich in der Lokalbaukommission Angst, dass jetzt alle Baugruben so genutzt werden. Aber Baugrube ist nicht gleich Baugrube. Da geht es um hydrologische Themen, Standsicherheit etc. Das ist natürlich schwierig, du brauchst gefühlt 10.000 Gutachten, das kostet eine Schweinekohle. Das ist leider so.

Wird es auch Musik im Biergarten geben?

Der Biergarten wird von 14 bis 22 Uhr betrieben – also sehr nachbarfreundlich. Wir sind ja in einem Wohnviertel und deswegen spielen wir auch keine Musik. Im Prinzip ist das ein schönes, lustiges Hangout, würde ich sagen. Es ist auf alle Fälle eine komische Lage mitten in der Stadt.

Wie tief ist denn die Grube?

4,50 Meter.

Und wie kommt man da runter?

Über eine Rampe. Und dann gibt es halt noch Treppen.

Fotocredit ©Florian Schönhofer