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Modular ist nicht genug – eine Kolumne von Benedict Esche

Benedict Esche

Rotterdam baut modular. München auch. Doch während in den Niederlanden neue Wohnhochhäuser in wenigen Monaten entstehen, verheddert man sich hierzulande noch in endlosen Prüfverfahren, Normenkatalogen und Zuständigkeitsfragen.

Es ist nicht die Technik, die uns bremst, sondern eine Denkweise, die das Serielle mit dem Banalen verwechselt.

Man könnte es ja verstehen, wenn die Skepsis gegenüber dem modularen Bauen daher rührte, dass man die Architektur schützen will. Doch das Gegenteil ist der Fall: Was hier als modular verkauft wird, ist meist eine Ästhetik der Notlösung, geprägt von Rasterfassaden, die den Charme einer Baumarkthalle verströmen. Effizienz wird zum Argument, das Gestaltung ersetzt. Und so bleibt das Versprechen der Vorfertigung – schneller, günstiger, präziser – oft nur eine statistische Behauptung. Dabei ist die Idee so alt wie die Moderne selbst: Standardisierte Bauteile, vorgefertigte Module, industrielle Produktion. All das sollte das Bauen schneller, günstiger und besser machen. Vom Bauhaus über die Wohnmaschinen Le Corbusiers bis zu den Plattenbauten der Nachkriegszeit – immer wieder hat man versucht, durch Serialisierung die Wohnungsfrage zu lösen. Heute erlebt das serielle Bauen ein Revival, weil es genau das wieder verspricht: eine Antwort auf die eskalierenden Baukosten, den Fachkräftemangel und den Wohnungsmangel in den Städten.

Und tatsächlich kann es das auch. Modularer Holzbau kann nachhaltiger sein als konventionelle Bauweisen, serielle Fertigung kann Qualität sichern und die Geschwindigkeit des Bauens enorm erhöhen. Wohnhochhäuser wie The Stack in Rotterdam oder das HoHo in Wien zeigen, dass industrielle Vorfertigung und Architektur kein Widerspruch sein müssen. Doch was in den Niederlanden oder Österreich gelingt, scheitert hier oft an einer Mischung aus Bürokratie, Ängstlichkeit und dem fehlenden Willen, mit der Technik auch eine räumliche Idee zu verbinden.

In München setzt man inzwischen verstärkt auf eine serielle Bauweise, vor allem im Wohnungsbau. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften realisieren immer mehr Projekte mit modularen Systemen, etwa in Neuperlach oder Freiham.

Doch sieht man diesen Bauten an, dass hier nicht das Prinzip, sondern die Geschwindigkeit regiert. Schnell aufgestapelt, rasterhaft repetitiv, mit der Idee, dass Tempo architektonische Haltung ersetzt.

Das Ergebnis: Räume, die niemand vermissen würde, wenn sie morgen wieder verschwänden. Insbesondere zeigt sich das an den Containerbauten, die als schnelle Lösung für studentisches Wohnen oder Unterkünfte für Geflüchtete errichtet wurden. Was als Übergangslösung gedacht war, entwickelt sich in manchen Fällen zu einem Dauerzustand mit Gebäuden, die weder städtebaulich noch architektonisch eine Zukunft haben. War es vor 20 Jahren noch das Abitur im Container, so ist es nun das Wohnen im Container. Liebevoll wohnlich ist das nicht. Im Gewerbe zieht sich das uninspiriert fort. Schnell errichtete Hallen, standardisierte Bürogebäude ohne architektonische Idee, die sich in anonymen Clustern vervielfältigen. Hier zeigt sich, dass serielle Bauweisen oft nicht für langfristige städtische Qualitäten genutzt werden, sondern als Mittel zur kurzfristigen Flächenverwertung.

Doch München kann mehr und es gibt Hoffnung: Denn erste Projekte deuten an, dass modulares Bauen auch hier anders gehen kann. Der Holzmodulbau in Freiham zeigt, dass Geschwindigkeit nicht zwingend Monotonie bedeutet. Auch das Experimentieren mit seriellen Wohnformen, etwa im Kreativquartier, deutet darauf hin, dass die Stadt langsam beginnt, neue Wege zu suchen. Und vielleicht liegt hier die Chance für München: Statt einfach nur nach Rotterdam zu schielen, könnte die Stadt ihre eigene Interpretation von Modularität entwickeln. Eine, die nicht nur Effizienz, sondern auch Identität schafft. Denn Modularität bedeutet nicht nur Vorfertigung, sondern ein anderes Denken über Architektur. Die Niederlande haben das verstanden. Rotterdam nutzt die industrielle Produktion nicht nur, um schnell zu bauen, sondern um die Stadt zu formen. München könnte dasselbe tun – wenn es sich traut, modular nicht nur als Prozess, sondern als architektonische Haltung zu verstehen.

Über den Autor:

Benedict Esche ist mehrfach ausgezeichneter Architekt und Gründer des Architekturbüros Kollektiv A Architektur seit 2015. Er ist Stipendiat der Villa Massimo und lehrte an der TU München, der Accademia di Architettura Mendrisio sowie der AdBK München. Seit 2023 unterrichtet er an der Universität Innsbruck. Esche ist gewähltes Mitglied der Jungen Akademie (BBAW/Leopoldina).

Portrait Benedict Esche Fotocredit: ©Max Arens