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Weniger Raum, mehr Zuhause – Architektur-Kolumne von Benedict Esche
- Weniger Raum, mehr Zuhause – Architektur-Kolumne von Benedict Esche - 3. April 2025
- Modular ist nicht genug – eine Kolumne von Benedict Esche - 12. März 2025
Das Sommersemester beginnt Ende April, und die Wohnungssuche in München ist in vollem Gange. Für viele Studierende stellt sich nicht mehr nur die Frage, wo sie studieren wollen – sondern auch, ob sie sich das Leben in der Stadt überhaupt leisten können. (Link zu einer aktuellen Studie des Moses-Mendelssohn-Instituts)
Wohnraum ist schon längst keine Frage des Quadratmeterpreises mehr. Es geht um etwas Grundsätzlicheres: Gibt es denn überhaupt Platz? Während die Stadt wächst, schrumpft der Raum für jene, die ihn am dringendsten brauchen. Wer heute ein Zimmer sucht, trifft auf Mieten, die sich an Vollverdiener richten. Und auch klassische Wohngemeinschaften sind keine günstige Alternative mehr. Das elitäre Studentenzimmer mit Dachterrasse? Ein Mythos aus einer anderen Zeit.
Wir müssen anders bauen. Kleinstwohnungen, durchdacht, effizient, nicht als Notlösung, sondern als Konzept für eine neue Form des Wohnens.
Die Antwort auf diese Krise kann nicht sein, nur weiter von bezahlbarem Wohnraum zu reden. Wir müssen anders bauen. Kleinstwohnungen, durchdacht, effizient, nicht als Notlösung, sondern als Konzept für eine neue Form des Wohnens. Es braucht keine 30 Quadratmeter, wenn 15 perfekt organisiert sind. Was zählt, sind smarte Grundrisse, flexible Möblierung, Gemeinschaftsräume – Orte, die aus wenig Fläche ein echtes Zuhause machen.
Ein kleineres Apartment bedeutet nicht Verzicht, sondern neue Möglichkeiten. Wenn private Flächen reduziert werden, bleibt mehr Raum für gemeinschaftliche Angebote. Statt der schmalen Singleküche könnte eine großzügige, gemeinsam genutzte Kochlandschaft mit Blick über die Stadt treten. Statt individueller Balkone, die in Kleinstwohnungen kaum Platz finden, könnten begrünte Dachterrassen entstehen – Rückzugsorte und soziale Räume zugleich, ganz im Sinne von Le Corbusiers Dachgärten. Der Innenhof könnte mehr sein als eine Schattenschneise zwischen Gebäuden: eine Fahrradwerkstatt, eine offene Werkbank, eine Ladestation für E-Bikes, die allen gehören. Und vielleicht findet sich auf dem Dach sogar ein Betreiber für ein Café – nicht als teure Geste, sondern als Ort, der das Haus nach außen vernetzt.

Community ist mehr gewünscht denn je. Gerade in einer zunehmend digitalisierten und distanzierten Welt fühlen sich viele Menschen isolierter denn je. Architektur kann dem entgegenwirken. Sie kann Orte schaffen, die nicht nur bewohnt, sondern erlebt werden.
In Tokio funktionieren Mikroapartments auf weniger als 10 Quadratmetern – weil sie clever geplant sind. In Zürich entstehen Clusterwohnungen, die Privatheit und Gemeinschaft neu ausbalancieren. In München? Entstehen zwar neue Wohnheime und Mikroapartments, doch oft mit der falschen Haltung: zu teuer, zu unflexibel, zu eng gedacht.
Dichte ist nicht das Problem – schlechte Planung ist es.
Wohnraum muss wieder eine Frage der Verfügbarkeit werden, nicht des Einkommens. Dichte ist nicht das Problem – schlechte Planung ist es. Ein Zimmer, das funktioniert, ist besser als eine große Wohnung, die man sich nicht leisten kann. Wer heute in München studiert, sollte nicht nur eine Matratze in einem überfüllten WG-Zimmer finden, sondern einen Ort, an dem man wirklich zuhause ist.
Über den Autor:
Benedict Esche ist mehrfach ausgezeichneter Architekt und Gründer des Architekturbüros Kollektiv A Architektur seit 2015. Er ist Stipendiat der Villa Massimo und lehrte an der TU München, der Accademia di Architettura Mendrisio sowie der AdBK München. Seit 2023 unterrichtet er an der Universität Innsbruck. Esche ist gewähltes Mitglied der Jungen Akademie (BBAW/Leopoldina).
Fotocredit: © Foto von CHUTTERSNAP auf Unsplash und Lummi.ai