Kultur, Nach(t)kritik

Christian Scott: Trompete, sportlich

Christina Maria Bauer
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Drei Stunden Soundcheck hatte es am Nachmittag gebraucht, um das Equipment auszutarieren. Am Abend des vergangenen Mittwoch postierte sich dazwischen Christian Scott mit seinem Oktett, um dem Münchner Publikum im Rahmen seiner derzeitigen Europa-Tour einen Eindruck davon zu geben, wie Jazz aus New Orleans heutzutage so klingt. Da stand ein energiesprühender Trompeter im Muskelshirt, der sein Tun sicht- und hörbar sportlich nimmt und entsprechend mit reichlich Ehrgeiz und Ideen aufwartet. Er heimste dafür unter anderem schon zwei Edison Awards und eine Grammy-Nominierung ein.

Seiner Musik, einer Genreverschmelzung, die ausgehend von moderner Jazzstilistik großzügig Rockdynamik, Funk-Riffs, Soul-Voicings und Pop-Anklänge verwebt, gab er kurzerhand den Namen „Stretch Music“. Ein gleichnamiges, eigenes Label gibt es inzwischen ebenfalls, auf dem er soeben das aktuelle Album veröffentlicht hat, sein zehntes als Leader. Einen Teil seiner Energie steckt der 32-Jährige außerdem in das Guardians Institute, eine von seiner Familie initiierte Stiftung, die benachteiligten Kindern seiner Heimatstadt zu Bildungsquellen wie Musikinstrumenten, Büchern und Unterricht verhilft.

Einige Takte sanftes Anklingen zu Konzertbeginn, dann sprintete Scott für die nächsten zwei Stunden ab in energiegeladene Sphären. Flankiert von Flötistin Elena Pinderhughes und Saxofonist Braxton Cook, getragen von einer umfangreichen Rhythmussection mit zwei Schlagzeugern, die mal mit versetzt ineinander geschichteten, afro-kubanischen Rhythmen, mal mit Rockpatterns die Band vorantrieben, spielte er rasante, ausführliche Soloparts, im Ton variationsreich, verschliffen, rauh und oft scharfkantig, sprang durch die Skalen oder jagte sein Horn in schnellen Glissandi bis in ein fanfarenhaft-gleissendes Aufblitzen hinauf.

Es gab sie, die sanfteren Sounds, als solche zu bezeichnen aber insbesondere im Vergleich zum Rest der Performance. In dem Kontext auch nachvollziehbar, dass Scott sich für diese Klänge zu einem eigens dazu bühnenmittig und bodennah aufgestellten Mikrofon wandte, wo er sie hingebungsvoll hineinpustete. Ein wenig gingen sie dann leider doch im massigen Bandsound unter, der ohne Weiteres auch einen zwei bis drei Mal so großen akustischen Raum hätte ausfüllen können.

Scotts Instrumentarium umfasst mehrere eigens nach seinen Vorstellungen angefertigte Trompeten- und Flügelhornmodelle. Für den Fall, dass jemand sein Spiel nicht gut fände, hatte er in seiner launigen Moderation auch einen unschlagbaren Tip parat: Derjenige möge sich doch einfach seine App zur aktuellen CD kaufen, die sei „fucking cool“, denn damit ließe sich seine Musik interaktiv hören und außerdem bei Bedarf mal eben die lästige Trompetenstimme abstellen.

Bei der Fülle an Multi-Genre-Einflüssen sprang gerade ein älteres Stück hörbar jazzig ins Ohr, eine Widmung seines berühmten Onkels, des Saxofonisten Donald Harrison, an Trompeterkoryphäe Miles Davis mit dem entsprechenden Titel „Kind of new“. Die, so bekundete der Trompeter, habe er zum ersten Mal schon als Jugendlicher gespielt. Als eine Stärke seiner eigenen, ebenso ausführlich wie vielschichtig gearbeiteten Kompositionen erwiesen sich die ausgefeilten Soloparts der ordentlich gefeatureten anderen Instrumentalisten.

So schwang etwa Laurence Fields volle Akkorde und elegante Melodielinien über die Tasten auf die Steinway-Saiten, Bassist Kris Funn eilte in rasant-melodischen Pizzicato-Läufen durch das gesamte Tonspektrum seines Instruments. Ebenfalls bemerkenswert: Elena Pinderhughes, mit 20 Jahren die Jüngste im Bunde, an der Querflöte, der sie wendige, schillernde Soloparts zwischen Jazzig-Improvisiertem und wellenförmig-impressionistischen Anklängen entlockte.

Mehrmals schälten sich aus dem dichten Bandsound gelungene, ineinandergreifende Improvisations-Passagen heraus, besonders im Dialog von Scott mit Funn sowie Pinderhughes mit Cook. Die sprühende Energie der Musik sprang locker auf das Publikum über, das die Combo schließlich mit ausdauerndem Applaus noch einmal für eine Zugabe auf die Bühne komplimentierte.

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