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Münchner Clubs öffnen wieder – Interview mit Peter Fleming (Harry Klein)

Bis gestern stand für Münchner Clubbetreiber*innen nicht fest, ob sie am 04. März – wie in allen anderen Bundesländern auch – wieder öffnen dürfen. Dann hat sich das bayerische Kabinett dazu durchgerungen, die Disco-Ampeln auf Grün zu stellen. Bis zum 19. März dürfen die Clubs nun unter 2G+ Bedingungen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Dann soll auch diese Regel entfallen.

Was erwartet euch am Wochenende? Wie ist die Stimmung bei den Betreiber*innen? Wir haben mit Peter Fleming vom Harry Klein aus dem Anlass heraus gesprochen. Weiter unten findet ihr außerdem ein paar nützliche Ausgeh-Tipps für das erste Club-Wochenende in München seit Ende November.

„Wir freuen uns wahnsinnig“ – Peter Fleming vom Harry Klein im Gespräch

Hi Peter, am Freitag dürft ihr endlich wieder eröffnen. Wie ist die Stimmung bei euch im Team?

Wir hatten jetzt insgesamt fast 24 Monate geschlossen. Im Herbst nach der kurzen Öffnung nochmal zu schließen war ganz komisch für die Stimmung, aber jetzt ist die Stimmung natürlich bombastisch. Wir freuen uns wahnsinnig, dass auch die Mitarbeiter*innen fast alle noch dabei sind. Von 40 Leuten hatten wir vielleicht zwei oder drei Absagen. Das ist auch für die Gäste cool: sie kommen und erkennen die Leute wieder – den Türsteher, die Barfrau, die Garderobe. Man weiß einfach: Okay, ich bin wieder im Harry.

Warum war das jetzt so eine Zitterpartie bis grünes Licht von der Landesregierung für Freitag kam?

Die Bundesregierung hat die Empfehlung rausgegeben, die Clubs am 04. März zu öffnen. Fast alle Bundesländer bis auf Bayern haben das schon umgesetzt. Letzte Woche wurde in Bayern aber das Kabinett umgebildet – das war wohl wichtiger – daher gab es die entscheidende Kabinettssitzung nicht, wo man das besprochen hätte und es wurde sich nicht darum gekümmert. Ich bin auch in einer Chatgruppe mit Clubbetreiber*innen aus ganz Bayern: Da herrschte in den vergangenen Wochen die totale Verunsicherung.

Die Zuversicht hat sich aber gelohnt?

Es haben alle schon geplant. Ein Freund von mir aus Nürnberg, der auch Veranstaltungen macht, war so mutig und hat das schon vor drei Wochen online gestellt und gesagt: „Das klappt, wir machen am 04. März auf!“ Zuversicht und ein gewisses Grundvertrauen in sich selbst helfen. Wenn es Rückschläge gibt – und die gibt es immer wieder – dann muss man wieder aufstehen und das nächste Projekt anpacken.

Was erwartet uns am Freitag und in den kommenden Wochen bei euch?

Wir fangen erstmal mit lokalen Künstler*innen wieder an – Residents und lokale Kollektive – wie wir das im Oktober auch schon gemacht haben. Damit wollen wir uns für die lokale Szene stark machen. 90 Prozent unseres Bookings sind lokale Künstler*innen. Ich finde, die haben es am allermeisten verdient. Danach kommen auch andere Künstler*innen, wie zum Beispiel DJ Karotte, die man einfach von uns kennt. Aber ich will noch nicht zu viel verraten und bin gerade am Verhandeln. Nach den ersten zwei Wochen kommen auch nationale und internationale DJ*s.

Wie geht ihr mit der aktuellen Pandemielage um, habt ihr nicht auch Angst zum Schauplatz von Superspreader-Events zu werden?

Jeder kennt die Lage mit Omikron – bis auf die Schwurbler. Die anderen Leute nehmen die Pandemie total ernst und sind seriös. Es gilt 2G+ und letztendlich musst du deinen Nachweis mitbringen, dass du geimpft und geboostert oder genesen oder getestet bist. Wie das genau funktioniert erklären wir wunderbar auf unserer Webseite.

 Wie zuversichtlich seid ihr, dass ihr nicht bald wieder schließen müsst?

Wenn man etwas weiter in die Zukunft schaut, bleibt die Problematik schon bestehen. Der Sommer wird wunderbar laufen, da bin ich mir sicher, aber im Herbst stellen sich die Fragen schon erneut. Es fehlen allgemein Booster-Impfungen. Eine neue Variante könnte wieder zu Schließungen führen. Im Hinterkopf schwingt das schon mit.

Ein ganz anderes Thema: In der Ukraine herrscht Krieg und in Deutschland eröffnen die Clubs wieder. Ist jetzt die richtige Zeit zum Feiern? Wie geht ihr damit um und mit welchem Gefühl eröffnet ihr in dieser Hinsicht?

Wir haben zum Beispiel am zurückliegenden Sonntag sofort eine Demo am Marienplatz mitinitiiert. Wir sind auf jeden Fall solidarisch. Jeder weiß auch, dass das Harry Klein politisch ist und wir solche Sachen thematisieren. Ein Dancefloor ist politisch: bei uns geht es auch um Awareness und Gendergerechtigkeit. Wir greifen diese wichtigen Themen auf und das gilt auch für die Ukraine. Ich glaube aber eben nicht, dass jetzt jeder einzelne, der am Wochenende Feiern und Tanzen und endlich wieder aus seinem Alltag entschwinden möchte, dafür leiden muss.

Ich glaube, dass die Menschen trotzdem Diskutieren werden. Ich habe gestern mit einem Freund aus Moskau telefoniert und wir haben natürlich über die Ukraine und Corona gesprochen. Das machst du automatisch, egal, wen du triffst. Du sprichst über diese wirklich relevanten Themen. Aber du gehst trotzdem feiern.

Wenn du zurück blickst auf das Harry Klein vor der Pandemie: eröffnet da am Freitag der gleiche Club wieder?

Das ist eine gute Frage. Rein optisch haben wir nicht viel verändert. Wir hatten den Gedanken, dass wir den Leuten eher den Anschluss geben wollen und nicht einfach etwas Neues machen. Es ist schon noch der Club, den sie kennen. Aber natürlich ist man in dieser Pandemiezeit gewachsen. Zum Beispiel machen wir inzwischen Videoaufnahmen im Club von DJs und VJs und veröffentlichen diese. Wir starten auch gerade eine etwas andere Marketing Strategie. Wir versuchen von Social Media etwas wegzukommen und lieber auf E-Mail-Marketing zu setzen und dadurch die Leute direkter anzusprechen. Von daher gibt es schon Sachen, die wir als Betreiber und als Personal aus den letzten beiden Jahren mitgenommen und gelernt haben.

Ich finde außerdem, dass man in den acht Wochen im Herbst gemerkt hat, dass das Publikum anders gefeiert hat. Ich hatte das Gefühl, es ist mehr so wie ganz früher: es wurde sich mehr gefreut und es hatte wieder einen höheren Stellenwert. Egal ob ein unbekannter DJ oder eine Monika Kruse da war, die Leute haben das trotzdem aufgesogen, haben geschrien und gefeiert. Und das alle zusammen: vom Gast über das Personal zu den Betreibern – dieser Spirit hat sich verbessert im Gegensatz zu vor der Pandemie. 

Eine neue Anfangseuphorie?

So kann man es sagen. Auch die ganzen jungen Leute, die im Oktober oder November nachgekommen sind und vorher vielleicht noch nie in einem Club waren: die haben einen neuen Drive reingebracht.

Danke für das Gespräch.


Wenn eure Beine jetzt schon unruhig zucken: hier ist eine kleine Auswahl an Opening Veranstaltungen am Wochenende:

Harry Klein: Unter dem Motto „Wir sind wieder da!“ muss das Soundsystem im Harry Klein an zwei Tagen endlich wieder ganze Arbeit leisten und wird dabei von lokalen Lieblingen wie Lily Lillemor, Mellowflex, Julian Wassermann, Stefanie Raschke oder Benna auf Anschlag gebracht.

Die Rote Sonne setzt auf eine etwas härtere Gangart und lädt Gäste wie Christoph Faust, Rene Wise und High Future in den szenigen Keller. Alle Einnahmen des Reopening Weekends sollen übrigens an Hilfsorganisationen für ukrainische Flüchtlinge und humanitäre Hilfe in der Ukraine fließen.

Eher gitarrenlastig dürfte es im Strom Club zugehen. Bei „Netzer geht ins Strom“ wird den Zeiten der Kultkneipe Netzer & Overath mit Indiehits gehuldigt und am Samstag bei „Kasino“ unter dem Motto „not your average indie club night“ auch mal zu HipHop, (Indie-)Pop oder Elektronischem gegriffen.

Gang-Alarm herrscht im Bahnwärter Thiel mit Residents und Freund*innen des Hauses wie Moritz Butschek, Natanael Megersa oder Etzo. Dazu ist jeweils ein (inter-)nationaler Act gebucht und am Samstag geht es wohl schon um 14 Uhr draußen los.

Der Blitz Club hüllt sich noch im Ungewissen und wird das Line Up spontan bekannt geben. Aber man darf auf ein stilsicheres Sound-Bouquet hoffen.

Das Import Export hat wie immer sehr spezielle Konzerte geplant – unter anderen mit Fallwander und aus der Reihe „Behind the Green Door“ – die zu späterer Stunde dann von DJ Sets ergänzt werden.

Im Substanz legt Bavarian Mobile Disco auf, der auch hier auf Mucbook.de (oder in unserem Printheft) manchmal in die Tasten haut. „Indiefresse“ heißt die neue Partyreihe, die am Freitag startet und nichts anderes verspricht.

Der Goldene Reiter zeigt sich indes elektronischer denn je und lädt DJane-Durchstarterin Rosa Red (a.k.a. Rosa Kammermeier) und Permanent Vacation-Routinier Benjamin Fröhlich am Freitag ein, bevor awi-Urgestein André Dancekowski den Laden am Samstag seiner schnapsgetränkten Bestimmung zuführt.

Wer eher auf einmalige und diskretere Sachen steht, der sollte auf Telegram, Insta oder in seinem Ravezirkel nach irgendwas mit „People of Poison“ fragen.

Als erster Club hat in der Nacht von Donnerstag auf Freitag übrigens die Milchbar geöffnet, vor der sich bis zur Öffnung um 0 Uhr nachts – man sah es in entsprechenden Insta Stories – lange Schlangen bildeten.

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