Kultur, Nach(t)kritik

Der Polt-Kosmos

Thomas Steierer

Polt_OpusMagnum (1)

In Feuilleton, Funk und Fernsehen: Im Frühjahr ist Gerhard Polt hierzulande groß gefeiert worden. Anlässlich seines 70. Geburtstags. Nun findet am Mittwoch (11. Juli) im Münchner Literaturhaus die Finissage statt zur multimedialen Polt-Ausstellung “Braucht`s des?!“, die noch bis zum 15. Juli zu sehen ist. Danach kann man sich den legendären Ausnahmekabarettisten mittels aktueller Gesamtwerkschau weiter umfassend erlesen und anhören. Eine Rezension.

Zu Polts rundem Geburtstag im Mai hat sich auch sein Züricher Stammverlag nicht lumpen lassen und eine doppelgleisige Werkschau Polts vorgelegt. 10 Bände, thematisch untergliedert in Kapitel wie „Von Brot und Spielen“, „Vom Geben und Nehmen“ oder „Von Banden und Bindungen“, sowie eine CD-Box mit Polts bisherigen 9 Platten zwischen 1977 („Der Erwin i“) und 2008 („Apokalypsen“).

Viel Wichtiges findet sich hier gesammelt, abzüglich filmischen Höhepunkten wie „Kehraus“ und Polts Bühnenaktivitäten mit den Biermösl Blösn. In diversen zeitlosen Monologen und Dialogen, Szenen, Gedichten und Liedern, aus den Anfängen mit Co-Autor und Filmemacher Hanns Christian Müller bis dato: Die Werkschau vermittelt ein umfassendes Deja-vu mit Jenem, was Polt aus- und groß macht. Sie zeigt einen vielstimmigen Chronisten und treffsicheren Parodisten spießbürgerlicher Abgründe und Entgleisungen. In seiner unverwechselbar inbrünstigen Vortragsweise brüllend, komisch und erschreckend authentisch. Als Philosoph mit besonderer Antenne für die Metaebene bayerischer Befindlichkeiten, Sinnesfreuden und Seelenschmerzen.

Ein Wiedersehen- und Hören gibt es mit all den Grundwirmers, Besenwieslers, Ameisgrubers, Deutelmosers, Dr. Bödeles, Heinz-Rüdigers, all den Hobbyhistorikern in der Pförtnerloge, Atombunkerbesitzern mit St. Florians-Prinzip-Attitüde, CSU-Devotionaliensammlern, Cholerikervätern, Chefsadisten in Klassikern wie „Mai Ling“, „Nikolausi“ , „Leberkäs Hawaii“ oder „Attacke auf Geistesmensch“: „Der Adi hat überhaupt nicht zugeschlagen, von Zuschlagen kann keine Rede sein, sondern er hat dem Zwetschgenmanderl den Maßkrug lediglich auf dem Schädel aufgesetzt und dann war a Ruhe.“

In Bezug auf die große Polt-Retrospektive lautet die Antwort auf das bauernschlauem Bescheidenheits-Motto “Braucht`s des?!” duktusgemäß freilich: Schon.
Warum nicht in nun vorliegender Gesamtwerk-Brockenform? Sie nimmt trotz zahlreicher Buch-CD-Dopplungen im Buchregal deutlich weniger Platz ein, als etwa Goethes sämtliche Werke. Siehe Goethe-Vergleich der Literatin Elke Heidenreich bei der Präsentation des Polt-Kompendiums in München. Es bleibt dabei: Ehre, wem Ehre gebührt.

Kein & Aber. Gerhard Polt: Bibliothek, 10 Bände und Begleitbuch, 59,90 Euro. Gerhard Polt: Opus Magnum, 9 CDs. Spieldauer ca. 8 Std. 30 Min., 49,90 Euro.

Die Ausstellung “Braucht’s des?” ist noch bis zum 15. Juli im Literaturhaus im Literaturhaus zu sehen (Öffnungszeiten:Di/Mi/Fr 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr; Eintritt 5/3 Euro). Die Finissage am 11. Juli um 20 Uhr mit Gerhard Polt unter dem Motto “Notte Italiana” ist bereits ausverkauft. Aber: Bei schönem Wetter, wenn die Veranstaltung nicht im Saal, sondern im Freien stattfindet, gibt es eine sogenannte “Schönwetter”-Warteliste, Kartentelefon: 089-29193427, Eintritt: Euro 14.- / 10.-.

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