Kultur, Nach(t)kritik

Die ganze Milch aufs Nähzeug geschüttet

Thomas Steierer

GrissemannundStermann-Covergroß

Das kongeniale österreichisch-deutsche Satire-Duo Grissemann und Stermann („Willkommen Österreich“, „Salon Helga“, „Immer nie am Meer“) kommt im April nach München. Mit aktualisiertem Dauerbrenner-Kabarettprogramm „Die deutsche Kochschau 3.0.“ Zur Einstimmung ein Hinweis auf ihre kürzlich erschienene Textsammlung „Speichelfäden in der Buttermilch. Gesammelte Werke I.“

Die beiden in Wien lebenden Moderatoren, Kabarettisten, Autoren und Schauspieler Christoph Grissemann (geboren 1966 in Innsbruck) und Dirk Stermann (geboren 1965 in Duisburg) sind auch hierzulande keine Unbekannten. Seit langem sind sie nicht nur 3Sat-Sehern (vom ORF übernommene Late-Night-Show „Willkommen Österreich“), FM4-Hörern („Salon Helga“) und Heinz-Strunk-Fans (gemeinsamer Kinofilm „Immer nie am Meer“) ein Begriff.
Als: Garanten für pointenreiches, anzügliches, gescheites, verrücktes Kabarett (im Jahr 2002 ausgezeichnet mit dem renommierten Kabarettpreis „Salzburger Stier“).
Und: Als subversiv-intelligentes Gegengewicht zur rechts-konservativen dunklen Seite der Macht in Österreich.

Seit 2007 geben Grissemann und Stermann mit großem Erfolg ihr – nun aktualisiertes – Live-Programm „Die Deutsche Kochschau“ zum Besten.
Darin lassen sie – auch im Hinblick auf aktuelle braune Rattenfänger – der diabolisch-irren Nazi-Propaganda-Diktion von Hitler, Goebbels und Co. die Luft raus. Führen sie mittels zugespitzt kompositorischer Komik gänzlich ad absurdum: Im Gewand der seit geraumer Zeit inflationär gesendeten TV-Kochsendungen („Wollt Ihr das totale Sieb?“).

Jetzt sind Grissemanns und Stermanns bisherige Radio-Texte im Band „Speichelfäden in der Buttermilch. Gesammelte Werke I“ erschienen.

In Tagebuchform bekommt man neben kollegialen Frotzeleien Grissemann vs. Stermann und traumatischen Erinnerungen des Ex-Ehepaars Dieter Bohlen /Verona Feldbusch auch – nicht für bare Münze zu nehmende – Einblicke in den österreichischen Indie-Qualitätsradio-Pionier-Sender „FM4.“
Vor allem hinsichtlich der Protagonisten, einschließlich des als Menschenfresser dargestellten Radiomoderators und „Chefkontrollers“ Martin Blumenau:
„Liebes Tagebuch, unser junger Kollege Heinrich aus Frankfurt hat die merkwürdigste Selbstmordart gewählt, nachdem seine Eintracht abgestiegen ist. Er hat Chefkontroller Blumenau ein Stück Schokolade weggefressen, vor dessen Augen! Aber man kann sich doch auch weniger qualvoll aus dem Leben verabschieden!“

Dazu finden sich in Grissemanns und Stermanns Radio-Werkschau allerlei gewohnt hanebüchene Miniaturen, Dialoge, Gedichte, Kurzgeschichten. Und Top-Listen, zum Beispiel:

Die drei besten Aufreißsprüche von Dirk Stermann:
1. Mal sehen, ob ich diesmal was gewonnen hab.
2. Mal sehen, was Omma mir so geschenkt hat.
3. Mist, schon wieder die ganze Milch aufs Nähzeug geschüttet.

Oder:

Dinge, mit denen man sich ganz schlecht abtrocknen kann:
1. ein Liter Bier
2. Karamellbonbon
3. Fleischerhaken
4. Kaffeemaschinen

Groteskes, Zotiges, Treffendes, Vogelwildes, Absurdes, Subtiles: „Speichelfäden in der Buttermilch“ bündelt zwischen zwei Buchdeckeln schwarz auf weiß die ganze Bandbreite, die Grissemann und Stermann groß gemacht hat. Im Radio. Und darüber hinaus. Als Karriere-Grundstein für Bühne, Film und Fernsehen. Neubegeisterten dient die Radio-Werkschau trotz 700-Seiten-Umfang als gefühlt handliche Eintrittskarte in den vielschichtigen Grissemann- und Stermann-Kosmos. Eh klar.

Christoph Grissemann, Dirk Stermann, „Speichelfäden in der Buttermilch. Gesammelte Werke I.“ 2011 erschienen im Tropen-Verlag, 698 Seiten, broschiert, 18 Euro. Grissemann und Stermann live in München: „Die Deutsche Kochschau 3.0“ am 15. und 16. April, 20:30 Uhr im Lustspielhaus (Karten 24 Euro). Plus: Lesung Dirk Stermann „6 Österreicher unter den ersten 5“ am 16. April, 17:00 Uhr im Stadttheater Oblomow (Karten 14, ermäßigt 11 Euro).

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