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Die olympische Katastrophe

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Manche Argumente gegen Olympia 2018 schießen ein wenig übers Ziel hinaus.

Gegen Olympische Winterspiele lassen sich – gerade unter ökologischen Aspekten – natürlich Einwände vorbringen. Auch die Finanzierung muss immer wieder hinterfragt werden. Wenn das Bid-Book im September vorliegt, werden wir gemeinsam mit der Basis entscheiden, ob das Bewerbungskonzept noch unserem Beschluss vom letzten Jahr entspricht. Nachdem was uns jedoch bisher vorliegt, erinnert manche Behauptung der Olympiakritiker an den überwunden geglaubten „Katastrophismus“ Grüner Gründerzeiten. Und manches ist auch einfach nicht wahr. Einige der sogenannten Argumente von der Website „NOlympia“ verdienen nähere Betrachtung.

Zunächst muss natürlich die Grundsatzfrage geklärt sein: Wer Olympische Spiele oder Großsportveranstaltungen grundsätzlich ablehnt, den kann natürlich auch kein noch so ökologisches und nachhaltiges Konzept überzeugen. Aber wer grundsätzlich für Olympische Spiele als Veranstaltungen der Völkerverständigung und der Förderung des Sports ist, der muss die Münchner Bewerbung auch mit den anderen Bewerberstädten PyeongChang und Annecy vergleichen.

Kosten – das billigste Konzept
München setzt auf Effizienzsteigerungen und Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur, während PyeongChang die wesentlichen Straßen und Schienenverbindungen neu bauen muss. Annecy würde die bestehende Infrastruktur nützen, aber eine neue Expressbahnstrecke bauen. Insgesamt unterscheiden sich die Kosten massiv. Sind für München nach dem Mini Bid Book 936 Mio USD geplant, so sind es für PyeongChang 3.600 Mio USD und für Annecy 2.137 Mio USD. Ein klares Zeichen für eine nachhaltige Bewerbung, die zum Großteil auf vorhandene Infrastruktur setzt!
Im Gesamtvergleich der Kosten schneidet München deutlich besser ab als die Mitbewerberstädte. Neben den Kosten für die Verkehrsinfrastruktur sind auch die Kosten für die neuen Sportstätten deutlich niedriger. So liegen die Planungen der Münchner Bewerbung bei 330 Mio USD, während Pyeong Chang 440 Mio USD und Annecy 420 Mio USD veranschlagt

Plus 2 oder plus 4?
Von Beginn an haben die Olympiakritiker erklärt, es sei ein schwerer Verstoß gegen das Ziel der Nachhaltigkeit, die bestehenden Sportanlagen in Ruhpolding und Oberstdorf („München plus 4“) nicht in die Spiele zu integrieren.
Doch abgesehen davon, dass ein solch dezentrales Konzept vom IOC nicht akzeptiert wird (Annecy wurde aus genau diesem Grund aufgefordert, sein Sportstättenkonzept zu überarbeiten), darf man die ökologischen Vorteile von „München plus 4“ nicht überschätzen. Schließlich müsste man in Oberstdorf noch ein zusätzliches Olympisches Dorf (inklusive Kantinen, Polikliniken, Service Center etc.) bauen. Und auch NOlympia warnt ja auf seiner Website vor „enormen Verkehrsströmen“ durch „die räumliche Aufteilung der Einzeldisziplinen zwischen München, Garmisch-Partenkirchen, Oberammergau und Königssee.“1 Hier stellt sich die Frage, was die Olympiagegner im Sinne der Nachhaltigkeit nun eigentlich für den richtigen Weg halten: Weniger Verkehr durch ein möglichst zentrales Sportstättenkonzept? Oder die Nutzung vorhandener, aber weit auseinander gelegener Sportstätten mit der logischen Folge von mehr Verkehr? Man darf wohl davon ausgehen, dass die Olympiabewerbung es nur falsch machen kann.

Verkehrspolitische Schwarzmalerei
So erleichtert alle Grünen und Naturschützer über das vorläufige Ende der Pläne für einen Autobahn-Südring um München auch sind – für die Wortführer der NOlympia-Kampagne hat es auch einen Nachteil: Sie haben jetzt ein Scheinargument weniger in der Hand, mit dem sie der Öffentlichkeit vor den schrecklichen und zerstörerischen Auswirkungen Olympischer Winterspiele Angst machen könnten – auch wenn sie es noch nicht gemerkt haben.
Noch Wochen nach der Entscheidung der Staatsregierung, den Autobahn-Südring für die nächsten Jahre auf Eis zu legen, war auf der NOlympia-Website zu lesen, Münchner Bürgerinitiativen fürchteten den „Vollzug“ der Südtrasse durch den Perlacher Forst wegen der olympischen Winterspiele. Und dies bedeute „dass für ein lediglich zweiwöchiges Sportereignis erhöhtes Verkehrsaufkommen, ökologisch höchst zweifelhafte und dauerhaft irreversible Infrastrukturprojekte in Angriff genommen würden, für die die Olympischen Spiele als Rechtfertigung dienten.“
Tatsache ist: Der Autobahn-Südring hat und hatte mit den Olympischen Spielen nie etwas zu tun. Untypisch ist diese Argumentation leider nicht. Die NOlympier bringen ja auch die 3.Startbahn am Münchner Flughafen mit den Olympischen Spielen in Verbindung und die Verbreiterung der A 8 nach Salzburg. Beides sind Projekte, die bei allen Grünen – Gegnern wie Befürwortern von Olympia 2018 – auf Ablehnung stoßen. Und beides sind Projekte, die von der Olympiabewerbung schlichtweg nicht tangiert werden, denn für die von den Spielen erzeugten Verkehrsströme sind derart kostspielige und überdimensionierte Projekte bei weitem nicht notwendig.
Ähnlich liegt der Fall beim sogenannten „Kramertunnel“, der angeblich im „Eiltempo“ durchgeboxt werden soll (ein Raumordnungsverfahren dazu gab es schon 1982). Seit Jahrzehnten fordern die lärmgeplagten Garmischer an der Durchgangsstraße nach Ehrwald eine Umgehung. Ein Tunnel durch das Kramermassiv sollte daher eigentlich schon zur Ski-WM 2011 fertiggestellt werden, doch dann verzögerte sich der Baubeginn durch Streitigkeiten über den Trassenverlauf. Der Bund Naturschutz, grundsätzlich nicht gegen die Umgehung, scheiterte mit einer Klage gegen die Planfeststellung, und mittlerweile hat der Bau längst begonnen. Selbst wer den Argumenten des BN gegen die Trasse folgen will, muss sich fragen: Was hat das mit den Olympischen Spielen zu tun?
In dieselbe Kategorie gehören auch noch die Tieferlegung der Landshuter Allee und die Verbreiterung des Föhringer Rings in München. Letzteres ist ein seit Jahren zwischen SPD und Grünen umstrittenes Projekt, das auch im rot-grünen Kooperationsvertrag als Dissens festgehalten wurde. Das bedeutet: Die Grünen haben keine Möglichkeit, den Ausbau zu verhindern – mit oder ohne Olympische Spiele.
Aber natürlich gibt es Verkehrsprojekte, die mit den Olympischen Spielen in direktem Zusammenhang stehen: Der Wanktunnel z.B., der Garmisch-Partenkirchen auf der Ostseite vom Durchgangsverkehr nach Mittenwald entlasten soll. Dieser Tunnel, auch er seit langer Zeit von einer Mehrheit in Garmisch-Partenkirchen gefordert und auch vom örtlichen Bund Naturschutz nicht rundweg abgelehnt, hätte ohne die Olympiabewerbung kaum Chancen schnell realisiert zu werden. Das Gleiche gilt wohl auch für den Ausbau der Bundesstraße bis Oberau und eine teilweise im Tunnel verlaufende Ortsumgehung.
So richtig es bleibt, teure Straßenbauten in Frage zu stellen, so fällt doch auf, dass vor Ort kaum grundsätzlicher Protest gegen all diese Straßenbauprojekte zu vernehmen war. Die nolympische Warnung vor wachsendem Transitverkehr klingt realistisch – aber was Lärm- und Schadstoffemissionen angeht, kann die Situation für die Anwohner der bestehenden Durchgangsstraßen nur besser werden.
Zu einer solchen Verbesserung könnte auch der Ausbau der Bahnstrecke München – Garmisch-Partenkirchen beitragen, der ein seit langem beklagtes Defizit beheben und auch nach den Spielen eine attraktive Alternative zur Autobahn bieten würde. Die Behauptung, dass mit einer Realisierung von wirksamen Ausbaumaßnahmen der Bahnstrecken aufgrund des kurzen zeitlichen Vorlaufs vor 2018 nicht gerechnet werden könne, ist eine weiteres nolympisches Scheinargument. Der Ausbau wird kommen, die Fahrtzeit um 15 Minuten verkürzen und die Passagierkapazität deutlich erhöhen.
Schließlich die Parkplätze, hässliche Begleiterscheinung jedes Großereignisses. Klar – wer sie vermeiden will, muss auf Veranstaltungen verzichten, die große Menschenmassen anziehen. Das Münchner Bewerbungskonzept sieht vor, in Garmisch-Partenkirchen, Farchant, Oberau (wie das in Ohlstadt gemacht wird, war bei Drucklegung noch nicht absehbar) Zufahrtsbeschränkungen zu verhängen und Shuttle-Busse zu den Sportstätten verkehren zu lassen. Der motorisierte Individualverkehr wird an P&R-Flächen abgefangen, wozu an den Rändern der Region Garmisch/Ohlstadt (?) temporäre Parkplätze eingerichtet werden. Temporär bedeutet: Die Flächen werden in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Dass dies nicht möglich sei, ist eine willkürliche Behauptung.

Der Schnee – fällt er oder nicht?
Unbestritten ist, dass auch in der Alpenregion – hier sogar überdurchschnittlich – eine Erhöhung der Durchschnittstemperaturen festgestellt wurde. Diese Entwicklung wird – das Klima ist ein träges System – auch so schnell nicht aufzuhalten sein. Und das bedeutet natürlich auch, dass im Schnitt weniger Schnee fällt, der dann auch schneller abtaut.
Eine Wettervorhersage für den Februar 2018 ist natürlich unmöglich. Allerdings prognostiziert der Wissenschaftler, der sich bisher am intensivsten mit dem Klimawandel in den nördlichen Alpen befasst hat, Prof. Dr. Wolfgang Seiler, für die Region Garmisch-Partenkirchen in den Jahren bis 2018 keine signifikante Verschlechterung der Wintersportbedingungen. Das liegt zum einen an der Lage Garmischs im Schatten des Wettersteinmassivs und zum anderen an der saisonalen Niederschlagsverteilung, die für Garmisch mehr klare und damit auch mehr kalte Nächte erwarten lässt – gute Bedingungen für Schneebevorratung. Prof. Seiler urteilte jedenfalls, „dass Wintersport auch im Jahre 2018 und damit die Durchführung der Winterolympiade (..) durchaus möglich ist.“
Die Nolympier wissen auch das natürlich besser: „Wie soll das in acht Jahren werden? Für Natur- wie für Kunstschnee wird es zu warm.“ Festzuhalten bleibt, dass diese düsteren Prognosen bisher nicht durch die Expertise eines Meteorologen, Klimaforschers oder eines anderen Wissenschaftlers untermauert werden. Prof. Seiler dagegen berät die Münchner Olympiabewerbung in der Fachkommission Umwelt.

Keine weiteren Beschneiungsteiche
Nicht zu leugnen ist allerdings der Einsatz von Beschneiungsanlagen für die Skiwettbewerbe. Natürlich muss man die Beschneiung von immer mehr Flächen im gesamten Alpenraum zum Zwecke des Skitourismus grundsätzlich kritisch bewerten. Das Wasser fehlt in den natürlichen Gewässern und kehrt irgendwann durch Verdunstung in den natürlichen Kreislauf zurück. Und auch der Energieverbrauch ist ja beträchtlich – allerdings werden alle zusätzlich durch die Olympischen Spiele erzeugten CO2-Emissonen kompensiert.
Doch die alpinen Skipisten in Garmisch-Partenkirchen werden ohnehin jedes Jahr für die Zwecke des normalen Skitourismus und für den Ski-Weltcup beschneit. Dies wird also nicht durch die Olympischen Spiele verursacht. Die Beschneiungsanlagen für die nordischen Skiwettbewerbe – voraussichtlich in Schwaiganger – werden ebenso wie die gesamten Sportstätten an diesem Ort nur temporär errichtet. Diese zusätzliche temporäre Beschneiung dürfte in Relation zu den gesamten 600 ha Beschneiungsfläche in Bayern mengenmäßig kaum ins Gewicht fallen. Anders als NOlympia dies behauptet, sind keine weiteren Beschneiungsteiche vorgesehen und sie sind auch nicht „zwingend erforderlich.“
Beschneiungsanlagen müssen ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, in dem auch gewässer- und fischökologische Belange zu wahren sind.
Weltweit finden Wintersport-Großveranstaltungen auf künstlichem Schnee statt, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Sportler zu schaffen. Ohne Beschneiungsanlagen sind internationale Wettbewerbe nicht mehr vorstellbar. Wer also künstliche Beschneiung grundsätzlich ablehnt, macht auch dem Hochleistungswintersport und vielen beliebten Veranstaltungen mit Zehntausenden von Zuschauern den Garaus.
Aber das wollen wohl auch die Olympiagegner nicht. Denn selbstverständlich würden ja auch „die modernen Sportstätten in Ruhpolding und Oberstdorf“, deren Einbindung in das Olympiakonzept die Kritiker ja für eine unabdingbare Voraussetzung für Nachhaltigkeit halten, nicht ohne künstliche Beschneiung auskommen.

Plusenergie wird auch 2018 kein Standard sein
Plusenergiehäuser werden die Häuser der Zukunft sein. Doch von dieser Erkenntnis zur Realität ist es noch ein weiter Weg. Die Mehrkosten für Plusenergiehäuser liegen bei 10- 20 % der heutigen Baukosten und deswegen gibt es bisher nur einzelne Pilotprojekte und keine einzige Siedlung. Olympische Spiele könnten die Entwicklung mit dem Vorzeigeprojekten Olympischer Dörfer in Plusenergie-Bauweise deutlich beschleunigen und damit neue Standards setzen, in Deutschland, Europa, ja weltweit. Dass man damit „eine schon heute geplante und z.T. umgesetzte Praxis“ als Vision verkaufen wolle, kann nur jemand schreiben, der die praktischen politischen Probleme bei der Durchsetzung höherer ökologischer Standards nicht kennt.

Ökologische Sanierung von Sportanlagen
Die deutschen Sportstätten sind teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Viele Vereine und die immer klammeren Kommunen haben kein Geld, diese zu sanieren, erst recht nicht hochenergetisch. Sie sind auf Fördermittel angewiesen. Im Rahmen des Leitprojektes „100 Sportvereine reduzieren 2018 t CO2/Jahr“ werden Fördergelder für eine hochenergetische Sanierung zur Verfügung gestellt, die es sonst nicht gäbe – ein Beitrag zum Klimaschutz und Förderung des Breitensports. Die Polemik, hier würden „selbstverständliche Energieeinsparungen durch Modernisierung von Heizung, Beleuchtung etc. als Beitrag zum Klimaschutz in einem ‚Umweltleitprojekt’ hochgejubelt“, ist ein weiterer Nachweis von praxisfernem Maximalismus.

CO2-Kompensation: „Ablasshandel“?
Der HSV tut es, Greenpeace tut es, die Stadt Düsseldorf tut es, und die Grüne Bundestagsfraktion tut es auch: Sie alle kompensieren die CO2-Emissionen ihrer Flugreisen mit der Investition in Klimaschutzprojekte weltweit. Vermeidung ist am besten, klar – aber manche Emissionen lassen sich nicht vermeiden, außer man reist nicht. Aber das gilt für jede Tagung, für jede Veranstaltung , für jeden Urlaub.
Wenn wir Olympische Spiele grundsätzlich wollen, wenn wir wollen, dass Menschen aus der ganzen Welt sich bei Sportveranstaltungen treffen, dann wird es nicht ohne Flüge gehen. Diese dann mit ehrgeizigen Klimaschutzprojekten auszugleichen ist bisher einmalig bei Großsportveranstaltungen und muss Standard werden. Damit würde München ein Zeichen setzen!

Dieser Artikel ist in der Grünen Mamba erschienen, der Zeitung der Stadtratsfraktion Die Grünen – Rosa Liste und auf klimaherbst.de, der Website für grünen Lebensstil in München.

Foto: Makaristos

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