Kultur, Nach(t)kritik

Die Phantasie wird siegen

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Das Albumcover von Max Prosas "Die Phantasie wird siegen"

Lockenkopf, Gitarre, etwas heisere Stimme – Max Prosa hat alles, was ein Singer/Songwriter braucht. Im Ampere bewies er jetzt, dass er zu Recht von der Vorband zum Hauptact aufgestiegen ist.

Man kommt wohl nicht um den Bob-Dylan-Vergleich herum, wenn man über Max Prosa schreibt, den Jüngsten in der Garde der deutschen Singer/Songwriter.  Wie er da im Ampere auf der Bühne steht, um den Hals nicht nur die Gitarre, sondern auch eine Mundharmonika, erinnert Max Prosa tatsächlich an den Großmeister aus Amerika, den er sich als Vorbild genommen hat: Er habe es immer als Herausforderung gesehen, die Art von Texten auf Deutsch zu schreiben, die Dylan auf Englisch schrieb, sagte er vor kurzem dem Musikmagazin “Melodie & Rhythmus”. Das ist ambitioniert, vielleicht überambitioniert – aber wem die Karriere so scheinbar reibungslos gelingt wie Max Prosa, der kann wohl auch hohe Ziele haben.

Mit 18 machte er in Berlin Abitur, studierte kurz Physik und  sang eine Weile als Straßenmusiker in Irland. Zurück in Deutschland zog er von Charlottenburg nach Neukölln und versuchte es ernsthaft mit der Musik, schrieb nachdenkliche, manchmal pathetische Texte und verpackte sie in eingängige Melodien, mal melancholisch, mal wild. Er ist ein ernstzunehmender junger Liedermacher geworden, einer von denen, die Rado Fritz die “Neuen DeutschPoeten” taufte.

Noch im letzten Jahr traten er und seine Band als Vorgruppe für Clueso auf, jetzt touren sie selbst durch ganz Deutschland – und haben sich mit ihrem “lyrischen Folkrock” offensichtlich eine eigene Fangemeinde erspielt. Das Ampere jedenfalls ist voll, als Max Prosa am Mittwochabend auf die Bühne springt, die dunkelblonden Locken hüpfen mit,  und mit einem seiner stärksten Songs das Konzert beginnt:  “Und wär die Schwerkraft nicht/ dann fänd ich dich/wo auch immer du jetzt bist/ und mich auf deine Art vermisst” – “Flügel aus Beton” erzählt, wie so mancher von Prosas Texten, von der Liebe und der Unmöglichkeit durch die Zwänge des Alltags zueinander zu finden.

So viel Lebenserfahrung, wie vermeintlich in seinen Texten steckt, kann der 22-jährige Prosa, der mit bürgerlichem Namen Podeschwig heißt, noch gar nicht gesammelt haben. Das gibt er auch gerne zu und so heißt sein Debütalbum, aus dem fast alle Songs an diesem Abend stammen, auch treffend “Die Phantasie wird siegen”. Die Worte stehen in weißen Leuchtbuchstaben auf der Bühne des Ampere, wo Prosa jetzt die Ballade “Visionen von Marie” singt. Auch dieses Lied handelt von der Liebe, es ist ein Auf und Ab, ein Hin und Her zwischen zwei Menschen, die nicht voneinander lassen können.

Spätestens hier hat Prosa sein Publikum für sich gewonnen, die jungen Frauen in der ersten Reihe hängen an seinen Lippen.  Aber Max Prosa zieht nicht nur Teenager an. Im Publikum finden sich mehrere Generationen – und überraschend viele Männer, die offensichtlich  nicht nur von Freundinnen mitgezerrt worden, sondern aus freien Stücken gekommen sind, wippen sie doch anerkennend mit dem Kopf oder singen gar mit.

Auf der Bühne fehlt die Authentizität    Foto: TinoSieland

Was Max Prosa in vielen seiner Songs schafft – nämlich authentisch zu wirken – gelingt ihm auf der Bühne noch nicht ganz. Wenn er singt, steht er im Ausfallschritt da und wippt fast mechanisch auf dem hinteren Bein vor und zurück, was auf Dauer irritiert. Wenn er ins Publikum spricht, sind die Worte so genuschelt verschludert, dass man sie kaum versteht. Und wenn die Songs schneller werden, dann hüpft er in der roten Jeans und dem Tweedjacket unkontrolliert auf der Bühne herum, als stünde er auf einem Trampolin. Vielleicht ist das der Versuch, rockiger und härter zu wirken,  als er ist, vielleicht ist es Nervosität, auf jeden Fall wirkt es aufgesetzt. Man weiß nicht, wen man ihm am Ende abnehmen soll – den naiv-überwältigten Jungkünstler, der sich über die Eintrittskarten freut, “wo der Name draufgedruckt ist und so”, oder den abgeklärten Bühnenprofi.

Trotzdem  wirkt es charmant, wie er mit den vollen Lippen ins Publikum strahlt und die Bühne mehr als einmal ganz seiner Band überlässt, die instrumental überzeugt und die Hyperaktivität ihres Frontmannes ein wenig ausgleicht. Seine Fans scheint die ohnehin nicht zu stören, sie erklatschen sich zwei Zugaben.

Mit “Totgesagte Welt” verabschiedetet sich Max Prosa nach knapp eineinhalb Stunden aus München – jetzt wieder ganz ruhig und ehrlich.

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