Kultur, Nach(t)kritik

DJ Bobo – Monströse Projektionsfläche

Sebastian Gierke
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Man kann es ja mal versuchen. Man kann sich fest vornehmen, unvoreingenommen hinzugehen. Dem Ganzen eine Chance zu geben. DJ Bobo eine Chance zu geben.

Im Pop ist es ja tatsächlich so, dass Erfolg eine gewisse Bedeutung generiert. Eine Bedeutung, die über das Konkrete hinausreicht, zum Beispiel über die Musik und denjenigen, der sie macht. Das führt manchmal zum krampfhafter Überinterpretation, doch hin und wieder auch zu Erkenntnisgewinn.

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Zum Beispiel konnte man in den 1980ern in dem was über Pop geschrieben stand so viel über die Welt erfahren, wie sonst an keiner anderen Stelle.

Aber was, verflucht noch mal, kann man bei DJ Bobo erfahren? Außer, dass wir in vielerlei Hinsicht mittlerweile unterhalb jeglicher Geschmacksgrenze angekommen sind. Deshalb darf auch niemand kommen und sagen, man müsse jedem Geschmack etwas bieten. Das  Problem ist weniger ästhetischer als intellektueller Natur.

DJ Bobo also:  Der hatte es auch einmal versucht. 2007 trat DJ Bobo für die Schweiz beim Eurovision Song Contest an. Er war Favorit, wie Lena Mayer-Landrut und schied schon im Halbfinale aus – sang und klanglos.

In der Münchner Olympiahalle trat er genau an dem Abend auf, als Lena in Oslo gewann. Beide machen Unterhaltung für die Massen – und könnten doch nicht unterschiedlicher sein. Lena, ohne große Show, sich ganz auf ihre Ausstrahlung verlassend.

Und René Baumann alias DJ Bobo: Vor einer 14 Meter hohen buddhaähnlichen Figur, auf deren sechs Armen die Musiker und Tänzer stehen – eine Mischung aus Rummelplatz und Möchtegern-LA-Show. Kurz vor Beginn des Konzerts eine Durchsage: „Ohne unsere Sponsoren wäre diese Veranstaltung nicht nachvollzieh… ähh … vorstellbar.“

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Der Versprecher passt. Das was im Anschluss passiert ist tatsächlich nur schwer nachvollziehbar. Ein Versuch – ohne intellektuelle Onanie: Dieser relativ kleine, keineswegs außergewöhnlich aussehende Schweizer mit dem schütterem Haar und einer Art Powerranger-Kostüm, das wahrscheinlich schon 12-Jährige an einem Erwachsenen Mann lächerlich finden, ist für seine Fans eine Projektionsfläche.

Er hat kaum Charisma, kaum Bühnenpräsenz, bewegt sich wie eine Puppe. Doch was ihm hier fehlt, versucht er durch Show wegzumachen. Mit Tänzern und Feuer und monströser Bühne. Tatsächlich hat er einmal gesagt: „Viele Fans sehen mich als legitimen Nachfolger von Michael Jackson, nicht was die Musik angeht, aber die Shows.“ Kein Witz.

Es geht also um diese Bubblegum-Show, das völlig Größenwahnsinnige dabei und das Versprechen, einen in eine andere Welt zu entführen. Nichts dagegen einzuwenden. So lässt sich auch guter Pop beschreiben.Und tatsächlich: Die bestuhlte Olympiahalle ist zwar bei weitem nicht ausverkauft. Doch die, die gekommen sind, langjährige Fans, die meisten um die 40 Jahre alt, hat DJ Bobo im Griff.

Wie auf Knopfdruck machen sie alles was er sagt. Die Hände in die Luft, Urwaldlaute, aufstehen, hinsetzten. Er steuert sie, wie ein Marionettenspieler. Das ist der unbedingte Wille zum unterhalten werden.

Nur leider sieht die Fantasy-Welt des DJ Bobo ein bisschen so aus, wie sich die Einfältigkeit das Phantasievolle vorstellt. Das ist eine seltsame Ästhetik, die das Leben zum Schweigen und das Werk zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Es ist groß und doof. Der einzig passende Gesichtsausdruck dazu wäre wohl der, dieses gewaltigen Buddha-Wesens, das in Ketten liegt und unglaublich gelangweilt dreinschaut. Und tatsächlich schauen die meisten Fans genauso drein, während sie ihre Arme in die Luft schmeißen – oder bilde ich mir das nur ein?

Gutes Entertainment ist das jedenfalls nicht. Denn gutes Entertainment, guter Pop muss auch immer als Denkvorgang beschreibbar bleiben. Ist Lena eigentlich die Ikone der krisengeschüttelten Mittelschicht? Nö, aber drüber nachdenken, das kann man – wenn man nicht zu DJ Bobo geht.

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