Leben

Ein Ribéry zum Fürchten

Sebastian Gierke
Letzte Artikel von Sebastian Gierke (Alle anzeigen)

Der Superstar ist wieder da. Das Comeback von Beginn an. Doch noch ist nicht klar, ob man sich in München auf Franck Ribéry freuen darf – oder ihn fürchten muss.

Das Comeback in der Startelf wird sich der Superstar etwas anders vorgestellt haben. Fast zehn Grad Minus, hartgefrorener Platz, nur ein paar Hundert Zuschauer auf dem Trainingsgelände des FC Bayern München, der Gegner ein Drittligist – immerhin der Tabellenführer aus Ingolstadt – und erst die Mitspieler: die Reserve und ein paar aus der zweiten Mannschaft des FC Bayern.

Franck Ribéry trotzt den widrigen Bedingungen, vor allem der gedanklichen Langsamkeit seiner Mannschaft, ein paar gefährliche Aktionen ab. „Ich muss jetzt oft spielen, um meinen Rhythmus zu finden“, sagt er. Ribéry spielt eine Stunde, der FC Bayern gewinnt 2:0. Test bestanden, dennoch ist nicht sicher, dass Trainer Louis van Gaal ihn am Wochenende gegen Mainz 05 von Beginn aufs Feld schickt. Egal. Denn in München ist es nicht mehr so wichtig, ob der Franzose auf dem Platz steht.

ribery

Ribéry litt lange an einer Verletzung der Patellasehne, fehlte zum Rückrundenstart, weil seine großen Zehen entzündet waren. Jetzt ist er fit, hat am Samstag zum ersten Mal seit dem 26. September 2009, beim 0:1 gegen Hamburg, wieder in der Bundesliga gespielt. Ein paar Minuten. Und kaum einer hat es bemerkt. Nach seiner nicht nur für den Trainer umwerfenden Leistung war Arjen Robben der gefragte Mann. Ribéry – eine Randnotiz.

Es hat sich viel geändert beim FC Bayern in den letzten Monaten. Eine Mannschaft hat offenbar ihr Gleichgewicht gefunden, funktioniert wie eine Einheit. Die in den letzten Jahren ständig beklagte Abhängigkeit des FC Bayern von den Launen ihres Superstars: kein Thema mehr. Der Mannschaft ist es gelungen, Unsicherheit in kreative Energie umzuwandeln. Das ist auch das Verdienst des Trainers. Er hat sich mit seinem Diktat der Ordnung durchgesetzt, einer Ordnung, innerhalb derer sich die Qualitäten der Spieler jetzt entfalten können. Und einen freien Radikalen kann sich das Team auch leisten – mit Arjen Robben.

Doch mit Ribéry drängt jetzt ein weiterer Fußballanarchist in das Team, dessen Spiel von der Kraft des Chaos lebt, der sich leiten lässt von der Fragwürdigkeit jeder Ordnung. Kann die Mannschaft noch so einen verkraften? Fast wirkt es, als brauche das Team Ribéry nicht mehr. Vielleicht ist Ribéry sogar der Einzige, der die Bayern jetzt noch stoppen kann.

Als Robben und Ribéry das letzte Mal zusammen spielten, ging ein Raunen durch das Stadion in München, wie es die Arena seither nicht mehr erfüllt hat. Es war der 30. September, die erste Halbzeit des Champions League-Heimspiels gegen Juventus Turin (0:0).

Die Bayern machten vor allem dank den beiden Ausnahmekönnern mit der italienischen Defensive was sie wollten, bis zur verletzungsbedingten Auswechslung des Niederländers. Dieses Spiel war ein Versprechen auf eine goldene Zukunft, auf eine Bayern-Mannschaft, die selbst international mit den Besten mithalten kann. Jetzt wäre die Zeit, das Versprechen einzulösen.

„Es wird schwierig, Ribéry zu integrieren“, hat Louis van Gaal jedoch selbst zugegeben. Der 26-Jährige ist immer wieder versucht von der Idee des fußballerischen Originalgenies, glaubt, nichts lernen zu müssen, ganz aus sich selbst zu schöpfen, alles bereits zu wissen. Van Gaal muss es also schaffen, einen Spieler, der außerhalb der Ordnung steht, so einzubeziehen, dass das die Ordnung nicht gefährdet.

Noch ist nicht klar, ob van Gaal sein System wegen Ribéry wieder umstellt, von 4-4-2 auf 4-3-3. Eigentlich hatte man sich im Verein auf das Spiel mit zwei Stürmern festgelegt. Und welchen Stürmer soll van Gaal aus der zuletzt so erfolgreichen Mannschaft nehmen. Mario Gomez? Ivica Olić? Also doch mit zwei Stürmern, dazu Ribéry und Robben rechts und links im Mittelfeld? Dabei hat das Spiel gegen Bremen doch gezeigt, dass die Defensive durchaus in Probleme geraten kann. Und so besteht die Gefahr, dass die Mannschaft mit Ribéry aus dem Gleichgewicht gerät.

Doch was, wenn van Gaal die Integration des Franzosen gelingt? Dann werden die Gegner in der Liga in dem dyonisischen Strudel FC Bayern München untergehen, über dem sich das appolinische Schauspiel der Schönheit entfaltet. Der FC Bayern hat dann die Möglichkeit, Fußball zu bieten, wie man ihn hier zu Lande noch selten gesehen hat: die perfekte Kombination aus Ordnung und Anarchie. Und darin besteht vielleicht auch die einzige kleine Chance, Ribéry in München zu halten: Wenn er in einer Mannschaft spielt, die mit Real Madrid mithalten kann. Doch so weit ist es noch nicht. Wie gesagt:  Noch ist nicht klar, ob man sich in München auf Ribéry freuen darf – oder ihn fürchten muss.

2 Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons