Kultur, Nach(t)kritik

Ein Tempel voller Nischen

Von Freitag bis in den frühen Sonntagmorgen war der Gasteig wieder Treffpunkt für Musiker, Vjs, Autoren, Performance-Künstler und andere Kreative. Zum elften Mal haben die Organisatoren des audio-visuellen Festivals Digitalanalog eingeladen, im Kulturtempel mit digitalen und analogen Elementen zu experimentieren.

Mit dabei waren in diesem Jahr beispielsweise die Elektro-Djs Dario und Marco Zenker, Songwriterin Theresa Chanson sowie die Bands YUMA, A home. A heart. Whatever oder Tanertill.

Seit 2007 sorgt das Festival jährlich für Clubstimmung im Gasteig. Ihren Anfang nahm die Veranstaltung in den Kellergewölben des Einstein- Kulturzentrums, nach Schrannenhalle roter Sonne und Haus der Kunst landete man schließlich an der Rosenheimerstraße. Die Besucherzahlen steigen von Jahr zu Jahr. Kamen anfangs nur rund tausend Leute, waren es im vergangenen Jahr schon sechs- bis achttausend. Heuer rechnet Cheforganisatorin Claudia Holmeier mit noch mehr Gästen.

Vor der Tür lassen bunte Lichter und eine große Videokunst-Leinwand die Stimmung schon erahnen. Die Rolltreppe hinter dem Eingang sieht fast so aus, als sei sie eigens für das Festival installiert worden. Wer hinauffährt steht schon mitten drin im Gewimmel von Menschen, Licht, Klängen und Videoinstallationen. Die Vorstellungen finden in drei Sälen und in den Foyers statt. Das Publikum ist vielfältig. Szenekenner sind genauso dabei wie junge und alte Neugierige. Viele Besucher wirken etwas ziellos und lassen sich entspannt durch die Räume treiben. Zu dem ständigen Kommen und Gehen, das den Charakter der Veranstaltung prägt, scheint auch der unübersichtliche Programmflyer beizutragen.

Samstagabend wird in der Black-Box im Schummerlicht zum Elektropop von Digital Haze getanzt. Im Carl-Orff-Saal steht, in grünes und rosa Licht getaucht, die Funk- und Jazzband Tonunion auf der Bühne. Ein paar Schritte weiter läuft im kleinen Kinosaal ein Film über das Münchner Label Gomma und im Foyer gibt es, vor den Konzerten, am frühen Abend noch Lesungen. Dabei sitzen die Zuschauer auf dem Teppichboden vor der Bühne. Autor Hans Platzgumer findet das gemütlich. Er ist seit den Anfängen beim digitalanalog dabei und sagt, der Idealismus und das Herzblut der Veranstalter seien unterstützenswert. Auch der familiäre Charakter des Events gefällt ihm.

Das Festival ist nicht kommerziell. Die Räume stellt das städtische Kulturreferat zur Verfügung. Der Eintritt ist frei und die Künstler bekommen keine Gage. Lediglich Fahrtkosten werden erstattet. Das Digitalanalog Festival lockt seine Hauptdarsteller mit anderen Reizen. Fragt man die Kreativen, warum sie hier auftreten, bekommt man immer wieder die gleichen Antworten. Die Atmosphäre sei etwas Besonderes, sagen viele. Außerdem könnten sie beim Digitalanalog ein anderes Publikum erreichen, als gewöhnlich.

So sieht das auch Dennis Hasenkopf, Sänger der Band Yuma, die am Samstagabend das Foyer vor dem Carl-Orff-Saal gerockt haben. “Wir treffen hier Leute, die normalerweise wahrscheinlich eher nicht zu unseren Konzerten kommen würden”, sagt er. Im Gasteig zu spielen sei darüber hinaus eine tolle Gelegenheit. Die Location und das gemischte Publikum haben auch Songwriterin und Sängerin Theresa Chanson gefallen. Sie hatte schon von der Veranstaltung gehört, fand es reizvoll, mal im Gasteig zu spielen und hat sofort zugesagt. Trotz einer leichten Erkältung hat ihr der Auftritt in dem großen hohen Raum, mit der ungewöhnlichen Atmosphäre Spaß gemacht.

Wie so oft bei Kunstveranstaltungen, die man nicht sofort komplett versteht, wirken viele Besucher des Festivals etwas ratlos.

Digitalanalog – Was das ist, kann kaum jemand beschreiben. Eine kurze und eindeutige Antwort hat nicht mal Festival-Sprecher Alex Krupp parat. Er sagt, man müsse zunächst auf die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen eingehen, die beim Festival eine Rolle spielen. Das seien Konzerte, Videokunst, Lesungen und Kunstperformances. Man versuche, mit analoger und digitaler Welt zu spielen. Perfekt ins Programm würde laut Krupp zum Beispiel eine Band passen, die Musik mit Laptop und Gitarre mache. Auch die Kombination digitalen und haptischen Erlebens sei beispielhaft für das Festival, sagt er und empfiehlt die Installation der Künstlerin Dorothea Seror im Foyer. Zwischen Videobildschirmen und digitalen Sounds wird eine rote Kiste in den Raum geschoben. Die Zuschauer sollen ihre Hände durch Löcher in den Außenwänden stecken und fühlen, was darin ist. Anfangs will das kaum einer probieren. Als die ersten Mutigen aber anfangen, zu quietschen und zu lachen, wollen doch alle wissen, was sich in der Box verbirgt. Es ist die Künstlerin selbst.

Charakteristisch für das Festival war auch in diesem Jahr der Idealismus der Veranstalter. Es geht um den kreativen Austausch und nicht darum, eine zahlende Masse zufriedenzustellen. Beim digitalanalog gibt es Raum für Experimente, das wissen auch die Künstler zu schätzen.

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