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Warum tut ihr das? – Musikmagazin Frequenz jetzt auch auf Papier

Marco Eisenack

„In München passiert viel, was unter dem Radar läuft“

Kurz nach Druckschluss und wenige Tage vor der Releaseparty haben wir mit Balthasar gesprochen, einem der Mitgründer des unabhängigen Musikmagazins Frequenz. Seit drei Jahren berichten er und ein wachsendes Team junger Autor:innen über neue Alben, lokale Musiker:innen und aktuelle Entwicklungen der Musikkultur – mit einem klaren Fokus auf München. Nun erscheint erstmals eine gedruckte Ausgabe. In Zeiten, in denen viele etablierte Magazine – und vor allem Musikmagazine ihre Printtitel einstellen, ist das beachtlich. Im Interview spricht Balthasar über die Musikjournalismus jenseits von Algorithmen und Streaming-Playlists, die Stärken des Münchner Musikszene und verrät seine Location- und Band-Geheimtipps.

Wie kommt man auf die Idee, ein Printmagazin über Musik zu machen – in einer Stadt, in der selbst die coolen Clubs kaum überleben und mit egofm der einzige echte Musiksender Insolvenz anmelden musste.

Wir waren zuerst zwei Jahre vor allem auf unsere Onlinepräsenz fokussiert und hatten aber immer schon den Traum ein Printmagazin zu machen. Es ist ein Format, das, genauso wie das Vinyl, nie so ganz aussterben wird. Immer wird es seine Liebhaberinnen und Sammler haben. Es ist ein ganz anderes, sehr entschleunigendes Gefühl in Zeiten, wo alles nur noch schnell und online läuft. Es ist sicher schwierig, aber im Vergleich zu Online, einfach nochmal eine ganz andere Erfahrung, das zu produzieren. Jetzt haben wir es geschafft, unsere erste Printausgabe erscheint. Wir sind einfach nur stolz und glücklich.

Viele Magazine stellen ihre Print-Ausgaben ein. Auch MUCBOOK pausiert gerade seine Printausgabe, weil’s einfach zu teuer ist. Ihr geht damit jetzt an den Start. Wie geht das?

Es waren am Anfang viele Fragen da: Finanzierung, Layout, Konzept, was für Artikel wollen wir schreiben? Sind es zeitlose Artikel oder aktuellere Themen? Es war ein langer Prozess mit vielen Ungewissheiten und Schwierigkeiten. Manchmal gingen die Meinungen in der Redaktion auseinander. Auch uns ist natürlich bewusst, dass Print zur Zeit einen schwierigen Stand hat. Alles wird eingestampft und die Online-Angebote ausgebaut. Bei uns war wirklich von Anfang an aber eher das Motto: Einfach machen, einfach ausprobieren. Wir wollten dieses Projekt angehen und das erste Mal mit unserem Musikmagazin auch etwas Haptisches produzieren. Gerade darin lag der Reiz.

Wir haben erstmal nur in kleiner Auflage von 600 Stück gedruckt, da wir nicht genau wussten, wie gut dieses Format funktionieren wird. Eine Ausgabe kostet 8 € und wir verkaufen diese zuerst auf unserem Musikfest am 14.06. im Feierwerk. Danach kann das Printmagazin auch bei uns direkt oder in ausgewählten Buch- und Plattenläden der Stadt gekauft werden. Die genauen Läden werden wir noch per Instagram verkünden.

Wie kann Musikjournalismus als Beruf eine Zukunft haben? Nehmen sich Menschen in Zeiten von Spotify-Dauerstream noch Zeit, eine neue Band über einen Text zu entdecken? Habt ihr da eine Vision?

Ja, doch, ich (Balthasar) denke schon, dass der Musikjournalismus weiterhin seine Relevanz haben wird. In hektischen Zeiten von KI und Fake News wird diese (menschliche) Expertise und diese Kunst ein Album genau zu beschreiben, einzuordnen mehr denn je geschätzt. Ein gut kuratiertes Magazin zu haben, wo ich genau weiß, was ich bekomme und das mir immer wieder neue Denkanstöße gibt oder mich dazu verlockt, außerhalb meines Algorithmus zu hören, kann da sehr entschleunigend und inspirierend sein. Gerade online lässt sich dies gut aufbereiten. So, dass die Lesenden gleich beim Lesen mit Video- oder Audio-Snippets einen Eindruck bekommen. Gleichzeitig wollen wir mit unserem Magazin nicht nur klassische Reviews oder Konzertberichte bringen, sondern mit den Artikeln die Musikindustrie in den Blick nehmen und aufzeigen, wie vielfältig Musik stattfinden kann.

Wer sind die Menschen hinter Frequenz – woher kennt ihr euch und was macht ihr, wenn ihr nicht gerade an Texten schraubt oder mit der Druckerei über die Deadline verhandelt?

Wir waren anfangs nur drei Freunde und sind mit der Zeit auf rund zehn bis zwölf Redakteur:innen angewachsen, die mal mehr, mal weniger schreiben. Es kommen immer wieder neue Leute mit viel Motivation dazu. Manche studieren noch, manche sind schon voll im Berufsleben. Nicht alle kommen aus oder sind in München. Aber was uns alle eint ist die Leidenschaft für Musik und guten, auch mal hintergründigen (wenn die Zeit und Energie für Recherchen da ist) Journalismus. So kommen bei uns seit drei Jahren immer zwei Artikel pro Woche zu Themen aus der Münchner Musikszene, neuer Musik generell und zwischendrin längere Interviews, Reportagen, Berichte oder Essays über aktuelle Entwicklungen in der Musik. Das Feedback aus und der Austausch mit der Szene ist immer wieder schön und wir sind weiterhin sehr motiviert.

Die wichtigste Devise ist bei uns, dass jede:r über die Themen, Genres schreibt, auf die er:sie Lust hat. Es wird nichts aufgezwungen und dadurch entstehen in den Artikeln immer wieder sehr tolle Perspektiven auf die Musik, die man in anderen (kommerziellen) Magazinen nicht so oft liest.

Wie politisch ist euer Magazin? Muss Musikjournalismus Haltung zeigen – oder lieber tanzen?

Musik gibt oft Raum für politischen Ausdruck oder Protest und auch die Musikindustrie ist natürlich mit viel Politik oder mit dem politischen Weltgeschehen verbunden sowie davon abhängig. Das geht auch an uns nicht vorbei und es ist wichtig, da Haltung zu zeigen. Dies muss für uns konstruktiv geschehen und da kann gern der Finger in die Wunde gelegt werden. Nur so kann weiterhin gut getanzt werden.

In einer idealen Welt in fünf Jahren: Wie sieht Frequenz dann aus? Print, oder doch die eigene Radioshow auf UKW?

Wir wollen uns weiter ausprobieren und gerade jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich bei uns mit ihren Ideen für Formate und Musikjournalismus einzubringen. Ein Podcast stand mal im Raum, vielleicht machen wir weitere Konzerte oder starten eine Lese-, Diskussions- oder Veranstaltungsreihe. Gerade in München mit seinem reichen Kulturleben findet das sicher Anklang. Wir lassen es einfach auf uns zukommen und schauen, wie es sich entwickelt. Auf Dauer nur Onlineartikel wäre uns auch zu langweilig und spätestens nach fünf Jahren überholt. Wichtig ist immer die Veränderung, dass man nie im Stillstand verharrt, wie Sven Regener einst sang.

Die Top 3 Live-Bühnen Münchens aus eurer Sicht?

Das Milla bringt immer wieder gute, (noch) unbekannte Indie-Acts und dort unten im Keller, da wird es meist stickig und die Luft ist nassfeucht. Genau das richtige Flair für intensive Musikerlebnisse.

Ganz wunderbar ist das Zirka-Space. Immer wieder Konzerte dort, wo Musik ganz neu gedacht wird. Fantastische Live-Erfahrungen und ein schönes Industrie-Ambiente.

Die Theatron Bühne im Olympiapark. Im Sonnenuntergang am Olympiasee Musik erleben bei einem Bier, was gibt es Besseres. Noch dazu ohne Eintritt.

Die Top 3 Münchner Newcomer-Bands aus eurer Sicht?

Malva. Du hörst ihre Stimme und kannst dich nur schwer davon lösen. Schöne poetische Zeilen und Alltagsbeobachtungen mit einem modernen Sound.

Ez Kamil. Der Rapper hat gute Flows, tiefsinnige Texte und probiert sich gerne aus mit neuen Sounds und verbindet die Genres. Hörst du so nicht so oft im Deutschrap.

Saguru Toller Electro-Pop und eine krasse Stimme. Das zieht dich sofort in seinen Bann. Viele Emotionen.

Wie seht ihr den Zustand der Musikszene in München? Was fehlt am meisten?

Es wird zwar von Seiten der Stadt getan, was getan werden kann, das wird uns auch bei Interviews mit dem Kulturreferat oder ähnlichen Stellen immer wieder klar gemacht. Aber ich würde schon sagen, die Unterstützung und die Sichtbarkeit fehlen – massiv. Es passiert sehr viel, gerade in der Subkultur, was völlig unter dem Radar läuft. Außerdem kommt es mir so vor, dass gerade in München bei der Kultur oft das Recht des Stärkeren gilt. Der, der mehr Geld und Einfluss hat, gewinnt. Das schadet der Vielfalt, schnürt den Clubs die Luft ab und sorgt dafür, dass die Kulturszene in immer mehr rein kommerziellen Formaten verstumpft. Obwohl eigentlich so viel Potenzial da wäre – und ist. Es wird viel gemacht und die Münchner:innen wollen und brauchen es auch. München war schon immer eine Metropole in Europa mit einer großen kulturellen Strahlkraft, wo sich viel entwickelte und neue Bewegungen viel Akzeptanz fanden, das sollte auch weiter so bleiben.

Zum Schluss noch was Positives: Was ist an Münchens Musikwelt besser als sein Ruf?

Ich denke schon auch, dass von München immer wieder neue Impulse in die Musikwelt ausgehen. Es wird hier viel abseits des Mainstreams produziert und diese Tradition setzt sich weiter fort. Von Generation zu Generation. Früher, in den 1970ern, war München mit Embryo, Amon Düül oder Niagara, eine der wichtigsten Stätten des experimentellen Krautrock in Deutschland und Labels wie ECM, Enja oder Trikont haben neue musikalische Wege eingeschlagen mit ihren Musiker:innen und Bands. Heute setzt sich die Tradition beispielsweise beim Avantgarde-Label Squama fort. Daneben gibt es aber auch Labels wie Gutfeeling, Echokammer oder Schaufel&Besen, die voll im DIY-Punk-Modus leben und damit – ja auch in München – gut durchkommen und ihr Ding machen. Klein und wenig sichtbar meistens, aber mit ganz viel Liebe.

Auf einen Blick:
3 Jahre Frequenz
Sa., 14. Juni 2025
Orangehouse, Feierwerk
mit DANIEL HE, Singer*in/Songwriter*in
Erleuchtung und Rufo, Punk, Pop
Lener, Indie-Pop | Heimat: München

Die Menschen hinter Frequenz:
Balthasar studiert in München Geschichte und schreibt hier und da als Freier Journalist.
Felix ist seit Herbst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Trier und promoviert im Fach Soziologie.
Chris arbeitet als Redakteur bei einem Literaturmagazin.
Annika befindet sich zwischen ihrem Bachelor und ihrem Master, den sie ab Oktober anfangen wird. Währenddessen arbeitet sie als freie Journalistin.

© Frequenz Magazin