Was machen wir heute?

Gemein(t) sind (sie) alle!

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Seit einigen Wochen beansprucht der NSU-Prozess samt Pannen und Problemen die mediale Aufmerksamkeit. Dabei jagt ein „headliner cause“ den anderen und täglich werden Verschwörungstheorien in die Medien geschmettert, auf welche sich die informationshungrigen Zeitungswölfe stürzen und endlos lange daran herumzerren, auf dass es ihrem großen Publikum nur ja nicht langweilig wird. Außerdem werden elementare Fragen des Gerichtsverfahrens eingehend erläutert: Wie soll es geschafft werden, noch einen seriösen und vor allem nicht anfechtbaren Prozess zu führen? Was geht wohl in der Gefühlswelt der scheinbar so kalten Beate Zschäpe vor? Oder man fragt sich einfach nur, auf welchen Fahrrädern die Mörder Enver Şimşeks wohl damals dahergeradelt sind. Über diesem großen Mond der Vermutungen und großen Mysterien, unter dem Pressevertreter aus aller Welt „Reise nach Jerusalem“ mit zu wenig Stühlen spielen, indem sie ihn beständig anjaulen, wird jedoch eine einfache Tatsache überhört. Nämlich die, dass seit Beginn des NSU-Prozesses die Anzahl rechtsradikal motivierter Verbrechen in Deutschland, insbesondere in München enorm gestiegen ist.
Überall in der Nation zeigen Rechtsextremisten offene Solidarität und kommen aus den braunen Schatten hervor. Der Nationalsozialistische Untergrund kann tatsächlich nach dem Prozess ein Ende gefunden haben, wenn er es nicht schon hat. Er ist vielmehr an die Oberfläche getreten, agiert nicht mehr im Versteckten und in sozialen Grauzonen, sondern zeigt der Welt offen sein provokant grinsendes Gesicht. So wird künstliches Blut vor Moscheen ausgeschüttet, Wände von islamischen Gemeinden mit nationalsozialistischen Parolen vollgekritzelt oder mit Farbbeuteln beworfen.
Sogar die Kanzlei der Anwältin der Familie eines NSU-Opfers wurde mit Fäkalien attackiert. Die Reaktion der Polizei auf derartige Vorkommnisse ist nahezu blamabel. Lange Zeit war nur von „unglücklichen Einzelfällen“ die Rede, bis dann endlich nach etwa 10 Tatbeständen von einer „Häufung“ von Einzeldelikten gesprochen wurde. Die Offiziellen der Polizei München wollten die Vorkommnisse aber keinesfalls einem organisierten rechten Netzwerk zuschreiben. Vielmehr sei „keine erhöhte Aktivität der rechtsextremen Szene festzustellen“. Man sollte meinen, dass die Behörden aus der vergangenen Verharmlosung der faschistischen Szenen und den rund 173 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 gelernt haben, jedoch drängt sich eher der Eindruck eines störrischen Gauls mit Scheuklappen auf, als der eines Zugpferdes gegen extremistische Gewalt.
Diese Rolle müssen dann wohl engagierte Bürger übernehmen.
Eben dies geschieht mit der Kampagne „Gemeint sind wir alle“ von Gastronomiebetrieben, Theatern, Sportvereinen und zahlreichen anderen kulturellen Einrichtungen Münchens.

Ziel dieser Kampagne sei es laut einer Pressemitteilung „[…] (den) Münchner(n) mit Aufklebern, Plakaten und Bannern deutlich sichtbar zu machen, dass der überragende Teil der Münchnerinnen und Münchner für ein offenes und lebenswertes München steht. Ohne Gewalt, Angst und Einschüchterung.“

„Wir können es einfach nicht zulassen, dass sich die Praxis von Hetze und Einschüchterung durch Nazis, RassistInnen und Rechtspopulisten zu Alltagserscheinungen in München wird. Dieser schleichenden Entwicklung müssen wir gemeinsam entschieden etwas entgegnen, denn es steht nicht mehr als das angstfreie Miteinander auf dem Spiel” so Matthias Weinzierl, einer der Mitinitiatoren.

Die Kernaussage besteht darin, dass derartige Angriffe, nicht nur auf Individuen und einzelne Randgruppen abzielen, sondern gegen die gesamte multikulturelle Gemeinschaft gerichtet sind. Also „sind wir alle gemeint!“
Im Rahmen dieser Kampagne findet nicht nur eine offizielle Vorstellung aller Beteiligten am 18.07. statt, sondern auch eine Lesung Münchner Autorinnen (wie Katja Huber) zum Thema „Vielfalt und Respekt“ in der Wohnsiedlung Ligsalz 8, die eines der Hauptziele der Angriffe war.

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