Kultur, Live

Kristof Schreuf muss ein Genie sein

Sebastian Gierke
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Der große, der kolossale Kristof Schreuf war da. Und hat ein großes, ein grandioses Konzert gespielt.

“People try to put us down/Just because we get around/Things they do look awful cold/I hope I die before I get old.” Kristof Schreuf beginnt a cappella auf der kleinen Bühne, auf einem alten Teppich. Rotes Licht. Er singt den Text von The Whos “My Generation”. Und die Melodie des Traditionals “Scarborough Fair”, das Simon and Garfunkel unvergänglich machten. Der Gastraum des Laab, dem ehemaligen Kilombo in Giesing, ist gefüllt mit Popgeschichte. Davon gibt es mittlerweile ja so irrsinnig viel, von dieser Popgeschichte. Doch diese Ãœberfülle an Historie kann das Heutige beschädigen, kann es dumm, schwach, schlaff machen. Es ist unendlich schwierig, gegen die Musik der Alten anzukommen, ohne epigonal zu klingen.

Kristof Schreuf, Urvater der Hamburger Schule, Sänger der sagenhaften Band „Kolossale Jugend“ und bei der Gruppe  „Brüllen“, gelingt es. Man könnte es Mash-up-Folk-Pop nennen, was der 46-Jährige auf sein lange erwartetes, erstes Soloalbum “Bourgeois with Guitar” gepackt hat. Schreuf kreuzt beispielsweise den Stones Klassiker “Miss you” mit “Blank Generation” mit Don’t Let Me Be Misunderstood” mit “Last Night The DJ Saved Our Lives”. Oder er singt Iggy Pops “Search and Destroy” als fragiles Klagelied, und lässt albtraumartig “The End” von den Doors durchschimmern. Das hat nichts mit Retro-Kultur zu tun, vielmehr wird in den Songs der Geist und die Radikalität der Vorbilder tatsächlich vor dem Vergessen bewahrt, für manch einen vielleicht sogar wiederbelebt.

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Schreuf nimmt Zuflucht bei der Coverversion, um im Schutz des Ironieverdachts und geläufiger Wörter und Melodien eine eigene Form des Songwritings zu entwickeln. Zeilen wie “No stop signs, speed limit, nobody’s gonna slow me ” aus “Highway to Hell” von AC/DC, Zeilen die so ausgelutscht sind, die scheinbar dazu verdammt waren, auf ewig in den Höllen der Retro-Shows und Großraumdiskos zu schmoren, bekommen während des Konzerts wieder eine funkelnde Aura. Es ist, als höre man die schon tot geglaubten Zeilen zum ersten Mal.

Schreuf gelingt es, ein Konzert im Bewusstsein zu spielen, dass die großen popmusikalischen Aussagen eigentlich schon gemacht und dass die Gesten dazu auch noch hohl sind – und gleichzeitig das immerwährende Bedürfnis nach beidem zu befriedigen. Kristof Schreuf muss ein Genie sein.

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