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“München braucht Rap” – Oida?

Sebastian Gierke
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Das mit dem HipHop in München ist ja, wie festgestellt, keine ganz einfache Geschichte. Das mit dem harten Rap jedenfalls. “München braucht Rap”, heute abend im Feierwerk, versucht sich auch deshalb am Abbau von Vorurteilen.

Dabei im Feierwerk sind Dr.Fisk, A&W (MPA), KdR, Headhunt oder Pöbelmuzik. Schlemmerstyles und Basstown geben sich ebenfalls die Ehre.

“München braucht Rap”, Samstag, 29. Mai im Sunny Red. Hansastraße 41. 21.30 Uhr.

Ich hab vor drei Jahren die Jungs von der MPA, der „Munich Pimp Association“ besucht und einen längere Text für die SZ geschrieben, die ich anlässlich der Veranstaltung im Feierwerk hier in Teilen noch einmal veröffentliche. Ich weiß nicht, was sich mittlerweile verändert hat, denke aber, dass die Geschichte nicht völlig veraltet ist. Wichtig ist aber: Das hier ist eine Geschichte über eine HipHop-Crew aus München, nicht über Münchner Straßenrap allgemein. Ich war in Sendling, ich war nicht in Neuperlach, nicht im Hasenbergl. Und es war 2007.

“Der folgende Text ist für schnell urteilende Menschen, für Politiker im Wahlkampf, Zartbesaitete und besorgte Eltern nicht geeignet: „Die große Lanze in der Hose, zwei dicke Eier im Sack. Ich stopfe gern jede Dose im geilsten Viertel der Stadt.“ Mit diesem Verbal-Porno in und großen Vorbehalten zwischen den Ohren, geht es nach Sendling, um diejenigen zu besuchen, die solche Texte schreiben: die MPA, acht Männer, zwischen 20 und 27 Jahre alt. Treffpunkt: keine versiffte Straßenecke, sondern ein bayerisches Wirtshaus.

MPA, das ist die „Munich Pimp Association“. Pimps, also Zuhälter, heißen in der HipHop-Sprache die bösen, egozentrischen Jungs mit den dicken Brieftaschen, den dicken Autos und den dicken Goldketten. Einer der MPA besitzt immerhin ein Cabrio. Aber sonst: Ein paar Freunde, nicht besonders auffällig gekleidet, treffen sich nach Feierabend auf ein Bier – die meisten trinken Radler. Und erzählen dann, dass sie zwar selbst keinen Öko- oder Studentenrap hören, Blumentopf aber Respekt verdient haben, weil die „ihr Ding machen“ und schließlich habe man mit diesem netten Storyteller-HipHop etwas, „wovon man sich absetzten kann.“ Harmlos, oder? Doch gerappt klingt das dann so: „Der Elektropsychopath fickt den Öko-Zölibat.“

Die Bayerische Landeshauptstadt ist, im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten, HipHop-Ödland, vor allem was dessen aggressive Ausdrucksformen angeht. Zu HipHop aus München fallen den meisten Auswärtigen nur die Wortverdrehwitzer Blumentopf ein. Auch Der neue Süden, vier Münchner Rapper, die sich vor knapp zwei Jahren zusammengeschlossen haben, konnten das mit ihren professionellen Produktionen bisher nicht ändern. Rap aus München ist nicht gut gelitten in Rest-Hiphop-Deutschland. In Internetforen steht: „Wer will Punches aus Kuhfladenhausen hören?“ Oder: „Wer findet schon einen Gangstarapper aus Bayern real?“

Real zu sein, das ist wichtig, gerade im stark an Amerika orientierten, deutschen HipHop. Darum geht es, mehr als in jedem anderen Pop-Genre. Die Wunden, die die Straße auf Körper und Seele hinterlässt, sind Eintrittskarten in eine Welt, in der Coolness, Drogen, Obszönität, Konsum als Leitbilder dienen. Doch schlägt München, wo immer mehr Jugendliche rappen, an den Schulen, in Jugendzentren oder in ihren kleinen Heimstudios, solche Wunden?

Schlägt Sendling solche Wunden, dieses Viertel, in dem traditionell Arbeiter und kleine Angestellte wohnen, das mittlerweile aber auch immer mehr Besserverdienende anzieht? Die meisten Mitglieder der MPA, sie nennen sich M Gaquerreau oder DJ Psychopart, sind hier aufgewachsen, das Viertel spielt in den Raps eine zentrale Rolle: „Sendling 70 meine Kraft meine Jugend / Jeder der hier wohnt, macht die Not zur Tugend / Keine Arbeit aber trotzdem immer Geld / solang man den Überblick über´s Biz behält / Jeder Hund der hier bellt, wird dich auch beißen / Bei so vielen Bullen lernt man früh auf sie zu scheißen / Wir kommen klar / Keiner in Deutschland ist dem Himmel so nah.“

Mit dieser Art Ghettokitsch wurde Aggro-Berlin zum erfolgreichsten Independent-Label Deutschlands. Aber natürlich ist diese Authentizität, die manch Außenstehendem Angst einjagt, gemacht. Auch und gerade wenn sie aus Sendling kommt. Zwar sagt Rodrigo, der sich Dr. Fisk nennt: „Ich brauche mir von niemandem sagen zu lassen: Du bist nicht hart genug. Was ich rappe, von dem wissen die Leute in Sendling, dass ich das so meine.“ Zwar sind die Texte anstößig, wollen es ohne Zweifel auch sein. Mit Vulgär-Metaphern verschaffen sie sich Luft, immer bemüht, den abstoßendsten Vergleich zu finden. Zwar könnte man die Fäkalsprache verurteilen, als Verrohung der Jugend.

Zwar behaupten die jungen Männer selbst, dass sei ein Teil ihrer Realität, ihres Alltags. Doch im Sendlinger Wirtshaus sitzen einem nicht die Münchner Repräsentanten einer verwahrlosten jugendlichen Unterschicht gegenüber, der bayerische White Trash, sondern ziemlich nette Jungs, die Spaß an überdrehten Porno-Ekel-Metaphern haben und so Triebabfuhr und Provokation verbinden. Die knallharten Gangster-Rapper spielen in München kaum eine Rolle. „Wir machen Elektro-Ballermann-Rap,“ sagt Basti, alias „Fuck“, und: „Das ist Unterhaltung.“ Es ist sofort klar: Die Unterschiede zwischen ihren Texten und ihrem Leben sind beträchtlich.

Keiner hängt nur auf der Straße ab. Sie machen gerade Fachabitur, sind TV-Redakteure oder Automechaniker. „Natürlich ist Sendling kein Ghetto. Aber ich sehe hier die Banker, wenn sie von der Arbeit kommen, genauso wie die Junkies am Partnachplatz. Sendling hat zwei Seiten“, erklärt Rodrigo. Und zwei Seiten haben auch die Texte: Einerseits die genauen Alltagsbeschreibungen, die ein Gefühl diffusen Unbehagens transportieren, der harte Zoom, heran an die Wirklichkeit, wodurch jedoch ein Großteil der Realität aus dem Blickfeld gerät. Andererseits die wilden Übertreibungen, die hemmungslose Selbstdarstellung und Egozentrik, Rap nach bewährtem Klischee. Dieses Spiel mit der Entrüstung, die strategische Zuspitzung hat im HipHop Tradition. „Ich liebe es, wenn Leute unsere Lieder anhören und uns danach nicht einschätzen können“, freut sich Sebastian, um gleich hinterherzuschieben: „Und raptechnisch kann man uns nichts vorwerfen“.

Das stimmt nur bedingt [Update: damals, 2007, wie das heute klingt – im Feierwerk heute kann man es sich anhören] Bei einigen flüssig rhythmisierten Liedern, gerade, wenn sie statt auf klassische HipHop-Beats auf elektronische, technoide Songfundamente setzten, bekommt die Musik eine eigene Kraft. Andere Reime der selbsternannten Pimps klingen dagegen noch etwas ungelenk, es fehlt hin und wieder an Geschmeidigkeit, um die großmäulige Aussage wahr zu machen: „Wir sind jetzt ganz vorn, wie Bayern in der Tabelle.“ An der zweiten Zeile dieses Reims ist mehr da dran: „Es kommt eine neue Münchner Welle.“ In München tut sich etwas. Später als in anderen Städten erwächst dem HipHop hier eine breite Basis. Und dass dieser ironisch-böse, herausfordernd-übertriebene Graswurzel-Rap gar nicht so real ist, das ist seine Stärke.”


Das abschließende Urteil ist denke ich heute nicht mehr ganz zu halten. Es gibt zwar mehr Graswurzel-Rap, aber so richtig angekommen ist der in München noch nicht. Ohne Wertung.

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