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Protest gegen den Prozess

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Mehr als zwei Jahre nach einer Anti-Nazi-Demo soll einem Blockadeteilnehmer ein Prozess wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gemacht werden. Stadtratsmitglieder und Flüchtlingsrat zeigen sich empört und vermuten, dass mit dem Vorgehen Aktivisten eingeschüchtert werden sollen.

Ein breites Bündnis von Gegendemonstranten hat am 8. Mai 2010, dem 65. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, mit einer Blockade mit mehr als 400 und einem Fest mit 4500 Teilnehmern verhindert, dass ein Aufmarsch von rund 80 Neonazis zu einem Flüchtlingslager und zum Waldfriedhof gelangen konnte, um dort Kriegsverbrechern der SS und Wehrmacht zu gedenken. Siegfried Benker, Stadtrat der Grünen und damals mit viele andere Mitglieder des Stadtradts Teilnehmer der Demo, erklärte gegenüber mucbook: “Es sollte verhindert werden, dass Hohn und Spott mit den Opfern des Nationalsozialismus getrieben wird.”

Wie kommt es dazu, dass “willkürlich Ermittlungen” (Benker) gegen bestimmte Personen unternommen werden, wo doch 4500 Menschen gemeinsam an Gegenprotestaktionen teilnahmen? “Soll an einem Einzelnen ein Exempel statuiert werden, dass der Widerstand gegen die menschenverachtende faschistische Ideologie von der deutschen Justiz nicht toleriert wird?”, fragen die Münchner Stadtratsgrünen in einer Pressemitteilung.

Warum wird ein Flüchtlingsaktivist auf formalem Weg ins Visier genommen? Welche Interessen vertritt die Staatsanwaltschaft hiermit, wo doch eine Grundübereinstimmung in der Bevölkerung herrscht, dass Naziaufmärsche unerwünscht sind? Aus Solidarität mit dem Betroffenen Hans-Georg Eberl haben sich mehrere Demonstranten nun selber angezeigt.

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Hier die Pressemitteilung des Stadtrats der Grünen München:

„Am 8. Mai 2010 haben mehrere tausend Menschen an Protesten gegen einen dort geplanten Neonazi-Aufmarsch zum 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus teilgenommen. An die tausend Menschen haben sich direkt auf die Straße gestellt und damit den Neonazis den Weg versperrt. Die Polizei hat diese große Blockade nicht aufgelöst, da dies nur mit unverhältnismäßigen Mitteln durchsetzbar gewesen wäre. Alle waren und sind sich einig, dass diese Blockade ein großer Erfolg einer engagierten Bürgerschaft gewesen ist.

Jetzt, nach über zwei Jahren steht deshalb erneut ein Antifaschist vor Gericht. Ein erster Kriminalisierungsversuch gegen einen anderen Aktivisten ist bereits im Frühjahr 2011 gescheitert. Damals stellte das zuständige Gericht fest, dass die Polizei die DemonstrantInnen am 8. Mai überhaupt nicht zum Verlassen der Straße aufgefordert habe und somit auch kein strafbares Verhalten vorliegen könne. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Uns ist völlig unklar, was die Staatsanwaltschaft mit diesem Vorgehen bezweckt. Soll an einem Einzelnen ein Exempel statuiert werden, dass der Widerstand gegen die menschenverachtende faschistische Ideologie von der deutschen Justiz nicht toleriert wird? Offensichtlich sollen mit diesem selektiven Vorgehen einzelne unliebsame AktivistInnen eingeschüchtert werden.

Dazu erklären wir auch im Herbst 2012: Wir haben ebenfalls an der Blockade in Fürstenried am 8. Mai 2010 teilgenommen. Wenn die Staatsanwaltschaft einzelne TeilnehmerInnen der Blockade im Nachhinein vor die Gericht stellt, sehen wir das als Verfolgungsmaßnahme gegenüber allen, die auf der Straße standen. Der Versuch der Kriminalisierung Einzelner ist damit in Wirklichkeit der nachträgliche Versuch der Kriminalisierung der gesamten Blockade. Das wollen wir nicht zulassen. Doch wenn die Staatsanwaltschaft glaubt Blockade bestrafen lassen müssen, dann gegen die Tausend die auf der Straße standen und gegen alle die vor Ort protestiert haben. Und damit die Ermittlungen nicht zu schwer fallen geben wir hiermit schon einmal zu
erkennen: Wir haben blockiert!“

Die Unterzeichner:

Siegfried Benker, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen – rosa liste;
Angelika Lex, Rechtsanwältin;
Florian Ritter, MdL SPD Landtagsfraktion;
Ludwig Wörner, MdL, SPD Landtagsfraktion;
Claudia Stamm, MdL Fraktion die Grünen;
Martin Löwenberg, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes,
KZ-Ãœberlebender;
Günther Wimmer;
Isa Fiorentino, Mitglied der SPD-Fraktion im BA 20;
Roland Fischer, stellvertretender Vorsitzender der SPD München;
Heinrich Birner, Geschäftsführer Verdi München;
Klaus Hahnzog, ehemaliger Bürgermeister der Landeshauptstadt München;
Günther Gerstenberg;
Leo Mayer, Sprecher der DKP München;
Michael Wendl, ver.di München;
Julia Wellnhofer;
Cornelia Reiter und Erwin Saint Paul;
Miriam Benker;
Hacki Münder, Berufsschullehrer, Personalratsvorsitzender;
Renate Münder, Mitglied des OV des Fachbereichs 8 von Verdi-München;
Monika Glemnitz-Markus, Sozialforum Amper Fürstenfeldbruck;
Bernd Michl, Vorstand Münchner Friedensbüro e. V.;
Herbert Markus;
Anke Beck

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Pressemitteilung des bayrischen Flüchtlingsrats:

Am 8. Mai 2010 , dem 65. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, wurde von der Neonazigruppe “Freie Nationalisten München” um Philipp Hasselbach zu einem “Trommel- und Fackelmarsch” aufgerufen, um an der Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof in Fürstenried West den Kriegsverbrechern der SS und Wehrmacht zu gedenken. Auf ihrem Weg zu dem Friedhof wollten sie dabei das Flüchtlingslager in der Tischlerstraße passieren. Um diese Provokation zu verhindern und den Flüchtlingen in der Tischlerstraße beizustehen, bildete sich ein breites Spektrum an Gegenprotestaktionen. Auf dem Gelände des Flüchtlingslagers wurde ein Fest mit dem Motto “München ist bunt!” organisiert, an dem laut dem gleichnamigen Bündnis rund 4.500 Menschen teilnahmen. An der Protestaktion waren neben zahlreichen Gruppen, empörten MünchnerInnen und Mitgliedern des Münchner Stadtrates und des Bayerischen Landtages auch Prominente wie der KZ-Ãœberlebende Martin Löwenberg und Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel beteiligt.

Als sich die Neonazis dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft näherten, stellten sich mehrere hundert Menschen auf die Straße und ihnen in den Weg. Durch dieses couragierte Auftreten konnte der Naziaufmarsch gestoppt und die beabsichtigte Provokation der Neonazis verhindert werden.

Nach der erfolgreichen Protestaktion wurden willkürlich einzelne TeilnehmerInnen der Protestaktion wegen eines angeblichen “Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz” angezeigt, unter anderen auch Hans-Georg E., der sich nun am Donnerstag vor Gericht für seinen antifaschistischen Einsatz rechtfertigen muss.

Aus Solidarität haben sich mehrere Personen selbst angezeigt, die ebenfalls an der Blockade beteiligt waren, darunter Martin Löwenberg, der Hans-Georg E. seine Solidarität ausspricht und ihm für den Prozess alles Gute wünscht.

Der Prozess gegen Hans-Georg E. findet statt am Donnerstag 20.09. | um 9:00 Uhr | im Amtsgericht München | Nymphenburger Straße 16 | Sitzungssaal A 224/II

Flüchtlingsrat Bayern

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