Kultur, Nach(t)kritik

Rock’n’Roll Hausmusik

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Kitty, Daisy & Lewis waren am vergangenen Wochenende im Kesselhaus – Musik-Blogger Martin Lorenz auch.

Das hat schon was: Kids von heute machen für Leute von gestern Musik von vorgestern und alle haben mordsmäßig Spaß dabei. Das jedenfalls hätte das Credo für den Abend sein können, eine vollgepackte Werkhalle mit bunt gemischtem, erwartungsfrohem Publikum, dazu die zweifellos famose Platte der Geschwister Durham, „Smoking In Heaven“, die sie nach dem nicht minder gelungenen Debüt endgültig aus der Liebhabernische katapultiert hat. Diese so virtuose wie lässige Aufkoche alter Rockabillyrhythmen, gemischt mit Ska, Rocksteady und einer Prise Reggae – da musste die Halle kochen.

Wie aber sollte sie, wenn nur die ersten fünf Reihen den Sound in Bestform abbekamen, das Publikum jedoch schon in Höhe des Mischpults mit Zimmerlautstärke beschallt wurde und man hinten bei Bar und Galerie mit formlos wummerndem Soundbrei nur noch die ungefähre Ahnung des hippen Konzertauftriebs vernehmen durfte? Es war, bei aller Mühe, die sich die Familienbande da vorn auf der Bühne gab, ein Armutszeugnis für Veranstalter und Tonregie gleichermaßen, wie mies der Sound für die Umgebung abgemischt wurde. Abgesehen von den ständigen, störenden Rückkopplungen wurden die Boxen im Rückraum des langen Gebäudeschlauchs erst gar nicht eingestöpselt, die zuvor prognostizierte Ausgelassenheit war so nur sequenziell zu erleben.

Gerade wenn man weiß, dass Vater Graeme Durham, der die Kinder Kitty, Daisy und Lewis genau wie Muttern auf allen Konzerten musikalisch begleitet, größten Wert auf exzellenten Sound legt – erst kürzlich konnte man in der SPEX von einer launigen Führung durch sein antikes Aufnahmestudio in Camden lesen – vor diesem Hintergrund also hätte der Mann in Kenntnis dessen, was dem Zuhörer da für sein Geld geboten wurde, Qualen leiden müssen. Zynisch könnte wer behaupten, dass selbst eine Verlegung des Konzerts wegen einer Bombendrohung, wie sie der Combo neulich in Berlin passierte, wahrscheinlich nichts Wesentliches geändert hätte, Münchens Hallenkultur ist und bleibt für Bands und Publikum ein dauerhaftes Ärgernis.

Es soll natürlich keineswegs verschwiegen werden, dass man selbst bei diesen widrigen Begleitumständen ahnen konnte, wie gut Kitty, Daisy & Lewis tatsächlich an besser bespielbaren Orten harmonieren und glänzen können. Denn auch wenn sie ab und an etwas hüftsteif und unbeholfen wirken, haben sie doch alles Handwerkszeug, um die Masse vor der Bühne dauerhaft zu fesseln. Und in den seltenen, den perfekten Momenten gelang ihnen das auch an diesem Abend: Etwa beim entspannten „Tomorrow“ mit Gasttrompeter Eddie „Tan Tan“ Thornton, einem prächtig swingenden „Don’t Make A Fool Out Of Me“, dem furiosen Instrumentaljam gegen Ende oder – die Snaredrum am Bühnenrand in Stellung gebracht – mit dem rotzigen „I’m Going Back“. Die drei Geschwister ergänzen sich dabei unter den wachsamen Blicken der elterlichen Rhythmusgruppe ganz prächtig und wechselnd gekonnt die Positionen – der kantig rebellische Spielstil der älteren Schwester Daisy an Schlagwerk und Tasten war auch optisch ein entzückender Hingucker.

So entließ einen die spielfreudige Band in einer Mischung aus Mißmut, Bedauern und versöhnlicher Bewunderung, am Ausgang traf man den Blick eines gealterten Tollenträgers, der ein mildes Lächeln im Gesicht trug. Der hatte ganz sicher schon wildere Rock’n’Roller auf und vor der Bühne in seinem Leben gesehen, und sein Blick spottete vielleicht ein wenig den trendgefütterten, jetzt ernüchterten Zuhörern – die Band selbst, das würde wohl auch er anerkennen, wird sich von solchen Tiefschlägen nicht unterkriegen lassen, die sind schließlich noch jung, auch wenn sie sich unsterblich in die alte Musik verliebt haben.

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