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Urbane Lebensräume ganzheitlich gedacht – Melanie Hammer blickt aus der weiblichen Perspektive auf die Bauwende

Marco Eisenack

Jetzt haben wir noch nicht mal die Verkehrswende geschafft. Und plötzlich steht auch noch die Bauwende vor der Tür. Lange Zeit ging es beim „besseren Bauen“ nur um klimafreundliche Energieversorgung oder mehr Grün. Langsam gelangt eine Dimension ans Licht, die für eine gelingende Bauwende unerlässlich erscheint: das Bauen aus weiblicher Sicht.

In den vergangenen Jahren haben sich viele Initiativen gegründet, die das Vorankommen der Frauen in der Immobilienwirtschaft fördern: zum Beispiel der Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., die Ausstellung „FRAUEN BAUEN“ in der Architekturgalerie, die im Herbst 2024 Projekte und Biografien Münchner Architektinnen des 20. Jahrhunderts versammelte, oder auch die Veranstaltung „Women in Architecture“, die im Juni 2025 erstmals bundesweit 144 inspirierende weibliche Köpfe aus Planung und Architektur zusammen bringt.

Vielen mag nun die Frage auf der Zunge liegen, welchen Unterschied es denn mache, ob ein Mann oder eine Frau plant und baut. All jene dürfen sich in dieser neuen Munich Next Level Podcast-Folge mit Melanie Hammer auf Erkenntnisgewinne freuen.

Im Projekts „FVTVRIA“ entsteht ein nachhaltiges Zukunftsquartier für Mensch und Natur, inspiriert vom Innovationsgeist des Wissensstandorts Garching. © Visualisierung BHB Unternehmensgruppe

Wie kam es dazu, dass die Münchnerin zur Vorzeige-Baumeisterin für Bauen aus weiblicher Perspektive wurde?

Eher durch Zufall, weil sie diesen konzeptionellen Unterschied zu ihren Kolleg*innen erst erkannte, nachdem sie bereits mehr als zehn Jahre als Geschäftsführerin der BHB Unternehmensgruppe tätig war. Zwangsläufig, weil sie durch ihre Ausbildung zur Dipl.-Ing. Architektin gelernt hatte, Dinge möglich zu machen, von denen andere sagen: „Das geht nicht!“ oder „Das macht man nicht“ – zwei Sätze, die sie gar nicht ausstehen kann, aber immer wieder hört, wie sie im Podcast mit Marco Eisenack erzählt.

„Es muss nicht immer der große Wurf sein.“

Das mag auch daran liegen, dass Melanie Hammer beim Bauen eigentlich auf der Seite der Kreativen sitzen wollte, um stilprägende Konzepte zu entwickeln. Durch den plötzlichen Tod ihres Vaters 2014 kam alles anders. Da war sie noch in ihren Zwanzigern. Quasi über Nacht musste sie den Chefsessel eines der größten Wohnungsbauunternehmen in der Metropolregion München übernehmen.

In vielerlei Hinsicht ein Glücksfall für München, hört man aus Verwaltung und Politik. Melanie Hammer gibt sich bescheiden: Die weit verbreitete Prahlerei in der Branche über eigene Erfolge ist ihr zuwider. Der bei männlichen Akteuren oft zu beobachtende Reflex, das Ergebnis einer Entwicklung nach seiner Größe oder „dem großen Wurf“ zu bewerten, ist ihr fremd. Klein kann auch fein sein.

Passend, dass Melanie Hammer für das Pilotprojekt der Bayerischen Staatsregierung zum „Gebäudetyp E“, in dem es um einfacheres Bauen geht, vom Freistaat als einzige private Bauträgerin ausgewählt wurde. Ihr Vorhaben in Gauting „Mooritz“ wird nun als eines von 19 Entwicklungen in Bayern hinsichtlich des effektiveren und damit kostengünstigeren Bauens jenseits bestehender Normen wissenschaftlich begleitet.

Das BEE FREE, ein studentisches Wohnquartier in Freising mit intensiv genutzten Gemeinschaftsflächen © BHB Unternehmensgruppe

Die Stadt aus weiblicher Perspektive hat kürzere Wege

Die Misere der Verkehrspolitik geht nach Meinung vieler Expert*innen übrigens auch auf die Männer in der Immobilienwirtschaft zurück. In den 30er-Jahren hatten sich Planer*innen und Politiker*innen auf die Charta von Athen geeinigt. Städte wurden so aufgeteilt, dass sie zum Leben einer „Durchschnittsperson“ (aka eines Mannes) passen: Hier die Arbeit, dort das Leben. Diese Trennung gilt noch heute als die Wurzel des Übels unserer verkehrsdurchtosten Städte.

Melanie Hammer hofft auf die Zukunft der „15-Minuten-Stadt“, wo die kurzen Wege zwischen Arbeit, Einkauf und Wohnen auch wieder zu Fuß zurückgelegt werden können, um eine lebenswerte und inklusive Stadt für alle zu gestalten. Im Kleinen versucht sie, dieses Denken bereits in ihren Projekten umzusetzen.

Natürlich anders Planen und Bauen

Zur weiblichen Perspektive beim Bauen gehört aber auch der Umgang mit Ressourcen und die Gesundheit der Bewohner*innen. So ist es nicht verwunderlich, dass Melanie Hammer sich viel mit nachwachsenden Baustoffen befasst und unter anderem unkonventionelle Naturbaustoffe wie Rohrkolben und Seggen oder Hanfkalk als regionale Baustoffe einsetzen möchte.

Die Flut der Vorschriften macht ihr das Leben nicht leichter. Da ist sie nicht alleine. Und das verhindert nicht nur die Etablierung neuer Materialien, sondern verteuert auch den Wohnungsbau insgesamt. Warum Melanie Hammer zu diesen Kriterien des Verteuerns ausgerechnet auch die Vorgaben der sozialgerechten Bodennutzung zählt, die das Wohnen billiger machen sollen, berichtet sie im Podcast mit anschaulichen Beispielen und Bezug auf eine Studie, die an der TU München durchgeführt wurde und die Konsequenzen einer zu hohen Sozialquote beim Bauen in Frage stellt.

Auch wenn in München viele Bauträger erstmal abwarten, bis die Zinsen, Baukosten und die Vorgaben wieder runtergehen, baut sie derzeit mehrere innovative Projekte in der Region und hat allein letztes Jahr zwei Projekte bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) eingereicht. In einem davon geht es um das Zusammendenken von Wohnen und Mobilität aus weiblicher Sicht. Vielleicht kann die Wende beim Verkehr ja auch nur im Doppelpack gelingen?

Hör jetzt die ganze Folge auf Spotify & Co.

Was Melanie Hammer uns noch alles erzählt hat, könnt ihr im Munich Next Level Podcast bei unserem Podcast-Anbieter Podigee sowie auf Spotify, Apple Music, Deezer und vielen anderen Podcast-Anbietern.

Portraitfoto Melanie Hammer © Laura Egger