Kultur, Leben

Von Plastikpferden und Pornoheften

Theresa-Maria Werner
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Sie ist 24 und hat einen eigenen Verlag, eine Social-Media-Agentur und ein Rezensionsbüro.  Bei einem Glas spritzigem Mineralwasser hat uns Jovana Reisinger erzählt, was sie noch so macht.

Da sich Gespräche bei einer Person wie Jovana nicht in einen Beitrag packen lassen, kommt das Interview in zwei Teilen. Im ersten Teil geht es um ihr Drehbuchstudium, das Hin- und Hergerissensein zwischen Schreiben und Gestaltung und die Frage, warum man sich oben ohne auf ein Plastikpferd setzt.

Jovana, du machst so viele Sachen, wir blicken gar nicht mehr durch. Was genau tust du denn jetzt alles?
Also in erster Linie studiere ich Drehbuch an der HFF. Nebenbei arbeite ich bei Kleiderkreisel im Customer Support. Dann mach ich Performances mit verschiedenen Leuten. Ich schreibe aktuell erneut an meinem Roman, der ist gerade in der ersten Lektoratsphase. Dann mache ich den ‚Kleine Schwester Verlag‘, wo ich Zines herausgebe. Vor kurzem habe ich mit Sophie Utikal eine Agentur für Social-Media-Beratung gegründet, die heißt ‚Supergoldmund‘. Was habe ich denn zurzeit noch gegründet? (überlegt)

Das Rezensionsbüro?!
Genau,  das mache ich für mucbook zusammen mit Malte Vogt. Und dann haben mich ein paar Plattenfirmen gefragt, ob ich für sie Pressearbeit machen will, aber dann hab ich natürlich sofort festgestellt, dass ich das gar nicht kann, weil erstens habe ich keine Ahnung von Musik und auch keine Ahnung von Kritik. Also versuche ich gerade eine Mischung zu etablieren, die heißt „Presseprosa“. Das bedeutet, dass ich viel mit Assoziationen arbeite. Und dafür höre ich mir die Musik ganz lange an und versuche dann natürlich irgendwelche Sachen und Momente damit zu verknüpfen. Ansonsten schreibe ich noch für ein paar Magazine, fotografiere für ein paar und  mache ein paar Designs von Heften.

Wie passt dein Drehbuchstudium zu all dem, was du machst? Wo siehst du die Verbindung?
Ich konnte mich lange nicht zwischen Text und Gestaltung entscheiden und wollte diesen Spagat so gut es geht aufrechterhalten. Dann kam der Schritt, Text und die Emotion des Textes in Musik in einer Performance zu übertragen. Währenddessen habe ich schon überlegt, was den Text für den „Leser“ noch empfindsamer macht. Und das ist natürlich Film.
Aber gleichzeitig versuche ich das auch gerade total in Richtung Hörspiel. Ich glaube so kann man die Brücke schlagen, aber andererseits interessiert mich auch so viel und ich glaube ich will alles einmal ausprobieren, um dann zu wissen, was ich eigentlich machen will. Im Moment habe ich noch das Gefühl, alles machen zu wollen.

Dein Lebenslauf ist ja auch ziemlich umfangreich, wie wir festgestellt haben. Fühlst du dich nicht manchmal überfordert?
Ich glaube, ich fühle mich dann überfordert, wenn mein Körper nicht mehr mitmacht. Das war jetzt erst vor kurzem der Fall, als alles irgendwie zusammen kam. Den ganzen Sommer habe ich 5 Monate erstmal nur Urlaub gemacht und mich dann wieder voll ins Arbeitsleben gestürzt. Dann kommt schon irgendwann der Punkt, wo man vergisst, nein zu sagen. Das passiert natürlich, weil je mehr man macht, umso mehr Projekte werden an einen herangetragen. Dann sieht man auf einmal in den Terminkalender und stellt fest, dass man in einer Woche vier große Deadlines hat, dann hört das irgendwie auch auf lustig zu sein.
Ich habe aber das Glück, dass ich nicht viel schlafen muss. Mein Energiehaushalt ist unglaublich gut und ich weiß, welche Sachen ich machen muss, um wieder auf so ein Level zu kommen. Ich bin jetzt schon vorsichtiger geworden. Es ist dann nämlich nicht so witzig, wenn ich irgendwie mit einem Zusammenbruch im Krankenhaus liege, nur weil ich da auch noch meinen Text publizieren muss.

Bist du eher ein Tag- oder Nachtmensch?
Ich glaube, ich bin sogar beides. Also ich arbeite unglaublich gern in die Nacht rein, aber ich steh auch wahnsinnig gerne früh auf. Nur der frühe Nachmittag ist für mich das Schlimmste.

Wie ist es zur Gründung des Kleine Schwester Verlags gekommen?
Ich habe zu der Zeit in der Schweiz gelebt und in zwei unabhängigen Verlagshäusern als Buchgestalterin gearbeitet. Ich fand diesen Job extrem schön, habe aber auch festgestellt, dass es relativ ermüdend ist. Nach 3 Monaten findet man es halt nicht mehr so spannend, immer nur auf den iMac zu starren und irgendwelche Buchstaben hin- und herzuschieben, damit sie perfekt sitzen.
Wenn ein Verlag schon seine ‚Hausschrift‘ gefunden hat, gehen natürlich auch wahnsinnig viel Kreativität und Gedankenprozesse verloren. Daraufhin habe ich dann diesen Verlag gegründet.
Also es ging hauptsächlich darum, Printprodukte herzustellen, die möglichst unterschiedlich sein sollten, das beudeutet jedes Heft sollte anders sein und einen anderen Titel haben. Es werden schon Serien erlaubt, aber es sollte immer etwas anderes sein.

Also hattest du einfach Lust Publikationen rauszubringen, die deine eigene Handschrift tragen, und deinen eigenen Stil?
Ja das Problem ist, wenn man so viele verschiedene Hefte dann rausbringt, dann haben sie ja wieder gar keine Handschrift und auch keinen wiedererkennbaren Stil, deswegen musste was her, das das alles irgendwie so „umfasst“ und das war dann eben dieser Name. Denn jetzt steht da „Kleine Schwester“ und man kann zuordnen.

Wieso denn eigentlich „Kleine Schwester Verlag“?
Der Titel war eine Anregung meiner damaligen Art-Direktorin und Freundin Anja. Sie hat mal gesagt „Im Grunde bist du wie eine kleine Schwester für mich. Mach das jetzt einfach!“ und dann war das der perfekte Name, weil die kleine Schwester ist etwas ganz Tolles.
Die Großen müssen erst diese Grenzen durchbrechen und die kleine Schwester kann dann einfach so durchgehen, durch den offenen Zaun. Die kleine Schwester wird auch oft unterschätzt und man denkt, sie wäre vielleicht gar nicht so clever oder intelligent. Aber so kann sie auch ganz anders überraschen. Außerdem kann sie unglaublich frech sein und man verzeiht ihr trotzdem.

Du hast vor kurzem auch das neue Heft der Nachwuchsjournalisten in Bayern gestaltet und du bist auf dem Cover neben zwei Mülltonnen zu sehen. Wieso?
(lacht) Ja das ist ganz lustig, das Foto hat die Redaktion ausgesucht. Also das Heft heißt ja „edition:“ und das Thema dieser Ausgabe ist Abenteuer. Die Protagonistin auf dem Foto, egal ob ich das bin oder nicht, sitzt mit einer Schiene am Fuß neben zwei Mistkübeln in der Provinz. Und selbstironischer geht’s ja eigentlich gar nicht, denn was für ein großes Abenteuer will die jetzt eigentlich erleben? Das fanden wir eigentlich ein ganz spannendes Symbol für die Aufbruchsstimmung, die man ja gerade vielleicht auch in der Provinz hat.

Im aktuellen INDIE-Magazin ist ein Foto von dir zu sehen, wo du halbnackt auf einem Plastikpferd sitzt. Willst du uns darüber vielleicht ein bisschen mehr erzählen?
Das Foto ist nicht unbedingt für das INDIE-Magazin entstanden. Im Grunde war das so, dass ich über den Sommer in Wien war und dann so einen Fotografen kennen gelernt habe, Daniel Gebhart de Koekkoek. Wir waren zusammen im Lainzer Tiergarten und sind dann auf diese irrsinnig merkwürdigen Plastiktiere gestoßen, die in einem Biergarten standen. Irgendwann saß ich auf diesem Plastikpferd und dann habe ich gesagt „Ja okay, ich zieh jetzt einfach mein Oberteil aus“ und so ist dieses Foto entstanden. Kurze  Zeit darauf, oder kurze Zeit davor, das kann ich jetzt nicht mehr genau sagen, kam die Anfrage vom INDIE-Magazin, das ja in diesem Jahr zehn geworden ist. Ich hatte mein Praxissemester dort gemacht und bin immer noch sehr gut mit den Leuten befreundet. Dann ging es natürlich darum, ein Foto abzugeben und ich hab gesagt „Ja klar, ich hab hier eins, wo ich gerade oben ohne auf einem Plastikpferd sitze“. Das fanden die natürlich genauso lustig wie ich und haben es auch gedruckt. Und nein, ich habe kein Problem damit, wenn meine Brüste in der Öffentlichkeit publiziert werden. (lacht)

Genau das wollten wir hören. Danke. (alle lachen)

IMG_2424-2Teil II des Interviews findet ihr hier.

Fotocredits: Markus Burke(oben); Su Steinmaßl(unten)

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