Live

“Herz, Kopf und Unterleib.”

Thomas Steierer

bild schauspielerin

Räuberpistole, subtile: Am Freitag (21. September) findet die Premiere von „Der Schatten eines Fluges“ im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus statt, eine brilliante Adaption des legendären bayerischen Volksstücks „Räuber Kneißl“ (weitere Termine am 22., 28. und 29. September, jeweils 20 Uhr). Die Musik kommt unter anderem vom Oberammergau-Quartett “Kofelgschroa”. Die Münchner Schauspielerin und Volkssängerin Julia Loibl spielt die weibliche Hauptrolle, man kennt sie auch als eine Hälfte von „Hasemanns Töchter“ und aus dem Fernsehen. Im Interview spricht sie über ihre Schauspielleidenschaft, das nötige Durchhaltevermögen in der Branche und ihre Meilenstein- Begegnung.

Du spielst Kneißls Freundin, die Wäscherin Mathilde, was macht „Der Schatten eines Flugels“ aus?
Es ist eine Räuber-Kneißl-Inszenierung, die man so nicht kennt. Eine Heldengeschichte, die eigentlich keine ist. Und gerade dadurch doch eine ist. Melancholisch, doppelbödig, mit starken Bildern, die durch Sprache und Darstellung erzeugt werden. Es geht darum, wie schnell Helden erschaffen werden. Die Menschen lieben Helden -zu Recht. Es ist ein zeitloses Stück: Auch die Mann-Frau-Geschichte bleibt aktuell, sie könnte genauso heute bei vielen zuhause stattfinden. Nur dass es heute wohl meistens nicht wie im Räuber Kneißl um Leben und Tod geht. „Der Schatten eines Fluges“ zeigt, dass es bei Mann und Frau darum geht, eins zu sein, gemeinsame Träume zu haben.

Regisseur von „Der Schatten eines Fluges“ ist Felix Gattinger, der im Fraunhofer Theater unter anderem die Wasserglas-Lesungen veranstaltet. Er konnte für die Musik auch eine namhafte Kapelle wie Kofelgschroa gewinnen. Und dich.
Das Besondere in „Der Schatten eines Fluges“ ist auch, dass die Musik absolut gleichwertig zum Schauspiel ist, dieses perfekt ergänzt. Neben Kofelgschroa mit Maxi Pongratz` melancholischen Texten sind auch Jodelfisch dabei, die verspielt und ehrlich mit dem Volkmusikthema umgehen, dazu der extrem phantasievolle Gurdan Thomas, alles tolle Musiker. Felix Gattinger ist ein Regisseur mit Humor und hochintelligent. Ohne dass, das Herz fehlen würde. Kopf, Herz und Unterleib braucht es zum Schauspiel. Er hat mir freie Hand gelassen bei meiner Rolle, die ambivalent ist. Mathilde kann als Wäscherin zupacken, wenn es sein muss, ist zugleich aber alles andere als grobschlächtig. Sie ist mit dem tollsten Typen überhaupt zusammen, wie jede Frau will sie einen Helden, vertraut ihm, irgendwann zerbricht das.

Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Angefangen hat es mit Ballet und Tanztheater. Dann war ich auf der Musicalschule mit Gesang-und Schauspielunterricht, habe so das Schauspiel für mich entdeckt. Als Zuschauerin war ich zu der Zeit im Stück „Die Bildermacher“. In einer Szene sagt ein Schauspieler zu einer Schauspielerin: Mach keine X-Beine, du weist genau, wie verführerisch du so auf Männer wirkst.“ Da wusste ich endgültig, das mache ich (lacht). Nach einer Bewerbungstour durch Schauspielschulen bin ich in Berlin gelandet, von 2000 bis 2004 war ich an der Fritz-Kirchhof-Schule. Dann ging ich nach Landshut, bekam die Hauptrolle in „Die Jungfrau von Orleans“. Der Regisseur Oliver Karbus hat mich sehr geprägt. Der Funke ist übergesprungen, daraus ist ein riesiger Scheiterhaufen geworden, was sehr passend für das Stück war (lacht). Anschließend ging es für Stückverträge, auch Schiller und Shakespeare, unter anderem nach München, Bregenz und Innsbruck.

Du bist auch in diversen Fernsehserien zu sehen, unter anderem in F.X. Bogners „Kaiser von Schexing“ und „Rosenheim-Cops“. Trotzdem: Ist es schwierig, als Schauspielerin dauerhaft fußzufassen?
Ich kenne beides, wie die meisten, Licht und Schatten. Für mich war es nicht schwierig, Fuß zu fassen. Aber drin zu bleiben bedeutet viel Arbeit, Durchhaltevermögen. Man muss einen Weg finden, es auszuhalten, eine Zeit lang, ohne zeitnahe Perspektive zu sein. Das muss man aushalten, sonst wird man verrückt. Man braucht Glück, man muss fleißig sein, die Modalitäten müssen passen. Man muss Kontakte halten, aber nicht um jeden Preis, mit den Leuten, mit den es funktioniert hat, bleibt man sowieso in Kontakt. Ein Patentrezept gibt es nicht, jeder muss selbst herausfinden, wie er locker bleibt.

Mit Maria Hafner spielst du als „Hasemanns Töchter“ seit 2010 mit abendfüllendem Programm. Wie kam es dazu?
Kennengelernt haben wir uns 2008 auf der Sommerakademie für bayerisches Volksschauspiel, einem vierwöchigen Stipendium mit verschiedenen Kursen, die Well-Brüder, Christian Springer und Michael Lerchenberg waren Dozenten. Die Begegnung mit Maria war ein Meilenstein. Wir ergänzen uns perfekt. Auch was Aufregung vor den Auftritten angeht: Ich habe schreckliches Lampenfieber. Sie überhaupt keines, die kann sich noch einen ganzen Matjesteller reinschieben und 5 Minuten später steht sie auf der Bühne und kann wie eine Eins jodeln, ich kann Stunden vorher nichts essen.

Ihr kommt beide aus Straubing.
Ich kannte sie vom Sehen und sie kannte mich vom Hören. Maria und ich waren bei der Sommerakademie in einer Kreativgruppe, da hat es total gefunkt. Ich habe mich vorher nie mit Volksmusik beschäftigt. Aber wie Maria einen Jodler nach dem anderen rausgehaut hat: Das hatte so eine Kraft, da es mich gerissen. Da wusste ich, das will ich machen. Wir haben danach einfach zusammen weitergemacht, Stücke geschrieben und aufgeführt und haben dann schon einen Namen gehabt, „Hasemanns Töchter“. Bald darauf haben wir unsere Brettl-Bühnenpremiere in Regensburg gehabt, was gleich erfolgreich war. Seitdem haben wir vor allem in Niederbayern und im Großraum München gespielt. In Südtirol waren wir bei einem Festival eingeladen. Und auf der Documenta in Kassel, was gezeigt hat, es scheint auch ohne Sprache zu funktionieren. Dort war eine Theatergruppe aus Kairo, der hat es auch gefallen. Bald geht es auch nach Berlin.

Zu Ostern 2013 erscheint Euer Debütalbum beim legendären Label Trikont. Wie hat sich das ergeben?
Eva Holmes und Achim Bergmann von Trikont haben gemeint, dass es so was wie uns nicht gibt, diese Mischung. Bei Eva ist mir das Herz aufgegangen, wie sie über das gesprochen hat, was wir machen. Sie hat Worte gefunden, für das was wir machen, was uns selbst schwerfällt. Wir haben bisher keinen adäquaten Namen gefunden, für das was wir machen. Es hat etwas von Volkssängerinnen, hat etwas mit Volksmusik zu tun, auch etwas Kerniges, wie die Eva sagt, es hat auch etwas Melancholisches. Die Eva hat das beschreiben in solch einer Vielschichtigkeit, unfassbar. Dass jemand uns herausbringt, der uns so tief versteht, das ist großartig. Im November nehmen wir die Platte im Fraunhofer auf. Ohne Publikum, wir brauchen nicht unbedingt Publikum, wir sind auch so lustig (lacht).

Als gebürtige Straubingerin lebst Du seit 5 Jahren in München. Was sind jeweils die größten Vorteile von beiden Städten?
In Straubing lebt meine Familie, ich habe da ein Heimatgefühl. München an sich ist ein einziger Vorteil. Ab und zu wird geschimpft über München, in Richtung Schickimicki-Rumgereite. Wer so etwas sagt, kennt München nicht richtig. Kulturell ist es perfekt, du kannst jeden Tag irgendwo hingehen. Den Untergrund in Berlin kann man mit dem in München nicht vergleichen, aber ob der in Berlin interessanter ist? Es macht Spaß in München auszugehen. Mein Gott, dann ist halt um 1 Uhr Schluss –ist eh gescheider (lacht). Ich mag München.

„Der Schatten eines Fluges“ im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau, Augsburger Straße 23: Premiere am 21. September (ausverkauft), weitere Vorstellungen am 22., 28. und 29. September, jeweils 20 Uhr. Karten für ca.15 Euro gibt es bei der Dachauer Rundschau, Tel. 08131-518111, Email brigitte.haindl@dachauer-rundschau.de oder an der Abendkasse, Reservierungs-Tel. 089-89040771

Hasemanns Töchter sind wieder in München am 20. November im Fraunhofer Theater zu sehen, ihre Debütplatte erscheint Ostern 2013 bei Trikont.

Foto: Aylin Kaip

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons