Kultur, Nach(t)kritik

„Doch von der anderen Seite betrachtet ist es auch eine Komödie“

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John Gabriel Borkman 6

In jeder Tragik, sagt man, liegt ja auch die Komik vergraben: So inszenierte Armin Petras einen bitter-süßen John Gabriel Borkman an den Kammerspielen.

Zauberland ist abgebrannt

John Gabriel Borkman 1

Frida Foldal (Hanna Plaß) sitzt kokett mit ihrem Glühwürmchensonnenschirm am Klavier vor der Bühne und singt Rio Reiser.

Hinter ihr zwängt sich durch die engen schrägen Gänge eines bergwerkanmutenden Bühnenbildes (Bühne: Olaf Altmann) eine große, schlanke, hochtoupierte Person: Wiebke Puls betritt als Ella Rentheim nach langer Zeit das Haus, in dem ihre Schwester mitsamt Mann lebt.

Während John Gabriel Borkman (André Jung) nach seinem sozialen Abstieg in völliger Isolation im Obergeschoss haust, bleibt die schrullige Frau Borkman (Christin König) im Erdgeschoss sitzen, mit ihrem Mann nur durch die scharrenden Geräusche seiner Schritte verbunden. Zwischen den Schwestern beginnt ein herrliches Gespräch, das immer wieder zwischen gespielter Wiedersehensfreude und sarkastischen Gemeinheiten oszilliert. Wiebke Puls und Christin König gehen dabei sichtbar in ihren Rollen auf, in zackigen, durchchoreographierten Bewegungen wirken sie wie Figuren einer Traumwelt.

John Gabriel Borkman 7

Ella leidet an einer unheilbaren Erkrankung und möchte Erhart (Lasse Myhr), den Sohn der Borkmans, den sie einst zu Zeiten der „Krise“ als Zögling zu sich nahm, um seelischen Beistand ersuchen. Dieser hat bereits andere Pläne: Er macht sich mit seiner Geliebten, der um einiges älteren Fanny Wilton (Hildegard Schmahl) davon.

„Ja, ja, du warst mir das Teuerste auf der Erde, aber wenn es unbedingt sein muss, lässt sich eine Frau auch durch eine andere ersetzen.“

In bissigen Gesprächen wird die tragische Vergangenheit der Familie Borkman erzählt: Wegen Ella, der eigentlichen großen Liebe Borkmans, trieb sich dieser, so sagt er, in den finanziellen Ruin. Tatsächlich hat er sich verspekuliert, eine Bank zu Grunde gerichtet und gibt nur wenig auf andere Werte, wie Liebe oder Treue. (Hier wird vor allem auf der Kapitalismuskritik Petras’ herumgeritten)

Nach abgesessener Haftstrafe isoliert Borkman sich fast völlig von der Außenwelt.

Im oberen Geschoss an seinen Schreibtisch gekettet (sicherlich auch den Sicherheitsanweisungen geschuldet), gibt André Jung ein kafkaeskes Bild ab, das er wunderbar spielt.

John Gabriel Borkman 3

Die eigenartigen, auf dem Boden allen Witzes traurigen Gestalten sind sich der Skurrilität ihrer Aussagen zu jeder Zeit bewusst und provozieren so manch einen Publikumslacher. – Es scheint, als habe Petras in seiner Fassung von Ibsens Stück alle doppelbödigen Szenen herausgearbeitet und diese auf ihre Komik hin befragt. Aber trotz dieser teils schon hysterisch-komischen Unterhaltungen trägt sich eine unsichtbare Schwere durch  die Inszenierung, die vornehmlich durch klangliche Untermalung Ausdruck findet und den Zuschauer immer wieder an die versteckte Tragik der Geschichte erinnert, die in jeder Äußerung präsent bleibt.

Nur selten verlässt man das Theater mit bleibenden Eindrücken. An diesem Abend blieben vor allem der Witz und die symbolische Bildhaftigkeit des Bühnenbildes im Kopf, wenn man mal von dem Kapitalismusdebakel absieht. Das mag manch einem vielleicht zu viel sein, mir zumindest gingen die drei Stunden zu schnell vorbei.

John Gabriel Borkman

Münchner Kammerspiele

Regie: Armin Petras

weitere Termine:

Do., 23.02.

Mi., 29.02.

Sa., 10.03.

Do., 22.03.

So., 25.03.

Do., 29.03.

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