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„Einen Job wegen des Gehalts zu wählen, finde ich ok“

Lukas Eberle
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Per Breuer ist seit 2008 Personalchef der Unternehmensberatung „Roland Berger Strategy Consultants“ in München. Im Interview verrät der 35-Jährige, was ein Unternehmensberater können muss, verdienen kann und anziehen sollte.

Breuer-Per

Herr Breuer, vor zehn Jahren haben Sie sich selbst für ein Praktikum bei „Roland Berger“ beworben. Würden Sie ihr damaliges „Ich“ heute einstellen?

Per Breuer: Die Frage stelle ich mir oft: Würde ich heute unseren Recruitingprozess (den Einstellungstest, d. Red.) überleben? Die Bewerbungen sind in den letzten Jahren professioneller geworden und stringenter auf ein Ziel ausgerichtet. Die Studenten lernen früh, ihren Lebenslauf zu trimmen, die richtigen Praktika zu machen und verwertungsorientiert zu denken. Aber ich würde mich trotzdem einstellen, weil ich Qualitäten besitze, die ein Berater braucht.

Was sind das für Qualitäten?

Wir testen, ob die Bewerber in der Lage sind, ein komplexes Problem eines Unternehmens auseinander zu nehmen. Sie müssen einzelne Elemente des Problems erkennen, beschreiben und strukturiert zu einer Lösung kommen. Dabei kommt es nicht immer auf die richtige Lösung an. Der überzeugende Lösungsweg zählt mehr. Die Bewerber müssen den Dingen auf den Grund gehen wollen. Dazu gehört Neugier und Frustrationstoleranz. Sie sollten selbstbewusst auftreten ohne dabei arrogant zu wirken.

Was meinen Sie mit „selbstbewusstem Auftreten“?

Die Bewerber müssen von ihrem Lösungsweg überzeugt sein und ihn verkaufen können. Darauf kommt es im Beruf auch an. Ein Berater kann analytisch exzellent sein, wenn er es aber nicht schafft, dem Kunden seine Idee richtig zu verkaufen und für sie zu kämpfen, dann wird er nicht erfolgreich sein.

Wenn morgen ein Student mit Rastalocken oder Irokesenschnitt vor ihrem Schreibtisch steht, zerknüllen Sie dann gleich sein Bewerbungsschreiben oder lassen Sie sich darauf ein?

Wenn ich das Gefühl habe, dass er mich nur provozieren will, dann nicht. Aber wenn ich erkenne, dass er verstanden hat, worauf es in der Beratung ankommt, ist mir seine Frisur erstmal egal. Ich hatte vor zehn Jahren auch Ohrringe. Allerdings weiß ich nicht mehr, ob ich sie im Vorstellungsgespräch drin hatte.

Gibt es in einem Bewerbungsgespräch unverzeihliche Fehler?

Zuspätkommen ohne sich dafür zu entschuldigen, geht nicht. Es gibt ja Gründe: das Wetter oder der Flieger. Ich lasse auch Verschlafen gelten, das kann mal passieren. Nur muss sich der Bewerber dann dafür entschuldigen, sonst ist es ein denkbar schlechter Start.

Angenommen ein Bewerber hat alle Gefahren im Vorstellungsgespräch umschifft, den Recruitingprozess überstanden und ist jetzt Juniorberater. Wobei stört man ihn, wenn man ihn um 11 Uhr morgens anruft?

Wahrscheinlich ist er bei einem Kunden, führt mit ihm ein Interview oder macht einen Workshop. Am Nachmittag würden Sie ihn dabei erwischen, wie er die Informationen der Kunden analysiert und aufarbeitet. Vielleicht spricht er auch gerade mit seinen Kollegen über das Anliegen des Kunden, und sie suchen gemeinsam nach Lösungen.

Das hört sich an, als sei ein Berater selten für längere Zeit an einem Ort.

Stimmt. Ein Berater ist mindestens vier Tage in der Woche unterwegs bei den Kunden. Zu Beginn der Karriere ist das nur ein Unternehmen, später werden es mehrere. Wenn man Partner ist, trägt man Verantwortung für einige Kunden gleichzeitig.

Vor diesem Hintergrund muss ein Berater sicher Opfer bringen. Welche denn?

Ein Berater muss sich darüber im Klaren sein, dass er viel reist. Einen Teil seines sozialen Netzwerkes muss er einfach aufgeben, weil er nicht in der Lage ist, genug Zeit aufzubringen, um es zu pflegen. Die Freunde und Bekannten eines Beraters können schlechter mit ihm planen, er ist weniger verlässlich. Das muss allen klar sein. Sie müssen sich deswegen immer wieder neu für den Job entscheiden. Es gibt aber kaum einen spannenderen und herausfordernderen Beruf.

Was finden Sie denn so spannend?

Wir kümmern uns ständig um wechselnde Themen. Immer neue Unternehmen kommen mit immer neuen Problemen auf uns zu. Dazu arbeiten Berater in immer wechselnden Teams. Das sind Anforderungen, die es nur in ganz wenigen Berufen gibt. Außerdem hat ein Berater das Privileg, sehr schnell mit den Entscheidungsträgern in den Unternehmen zusammenarbeiten zu können.

Wie sieht eine klassische Berater-Karriere aus?

Manche Berater machen sich mit Anfang dreißig Gedanken über eine Familie und ein geregelteres Leben. Da gibt es bei einigen eine Bruchstelle. Wenn sie vier oder fünf Jahre bei ‚Roland Berger’ gearbeitet haben, können sie Seniorberater mit einem guten Erfahrungsschatz sein. Die Berater sind dann attraktiv für die Industrie und können dort einen neuen Job finden. Andere haben lange Zeit Spaß an der Beratung und bleiben bei uns.

Gibt es ein Klischee über Berater, das Sie gerne aus der Welt schaffen würden?

Dass wir den Kunden nach dem Mund reden und nur das aufschreiben, was sie schon wissen.

Ist das nicht so?

Nein. Beratung ist eine teure Dienstleistung. Jeder Kunde achtet genau darauf, dass er für sein Geld etwas kriegt. In den Medien wird häufig die Honorarsumme für Berater herausgegriffen und daraus ein Skandal gemacht, ohne dass ein Bezug zu unserer Leistung hergestellt wird. Das ärgert mich. Außerdem wird uns oft ein ‚Jugend-forscht-Image’ angelastet. Es stimmt zwar, dass wir viele junge Uniabsolventen einstellen, aber wir beschäftigen auch viele Kollegen mit langjähriger Industrieerfahrung. Unsere Kunden wählen genau aus, wer in ihren Teams arbeitet und bewerten zum Schluss auch differenziert die Leistungen der Berater.

Und die dunklen Anzüge?

Per Breuer: Das kann ich leider nicht aus der Welt schaffen, weil es kein Klischee ist. Es stimmt. Ein Berater hat eine bestimmte Rolle. Dazu gehören Manieren und eine anständige Businesskleidung. Wenn unsere Teams zu den Kunden gehen, alle in grauen Anzügen, dann muss ich selbst manchmal schmunzeln. Aber die Kunden erwarten von uns ein professionelles Auftreten. Das finde ich völlig ok.

Es gibt den Vorwurf, dass Unternehmensberater dafür verantwortlich sind, dass Firmen Arbeitnehmer entlassen, weil Sie ihnen dazu raten.

Wir sind nicht für die Entscheidungen verantwortlich, sondern es ist letztlich das Management der Firma. Das muss die Verantwortung tragen. Was raten Sie einem Unternehmen, das zu Ihnen kommt und sagt, dass der Umsatz um 50 Prozent weggebrochen ist? Das ist kein Scherz, das passiert in Zeiten der Wirtschaftskrise reihenweise.

Sagen Sie es uns.

Irgendwie müssen wir die Unternehmen über Wasser halten. Natürlich wird dann über Mitarbeiterabbau, Kurzarbeit oder unbezahlten Urlaubsabbau gesprochen.

Wo liegt das Einstiegesgehalt eines Uniabsolventen bei „Roland Berger“?

Das ist attraktiv und wettbewerbsfähig. Es hängt aber von der Leistung ab. Einen genauen Eurobetrag werden Sie von mir nicht hören.

Gut. Julia Friedrichs hat in ihrem Buch „Gestatten Elite“ geschrieben, dass sie von ihrer Konkurrenz, der Unternehmensberatung McKinsey, nach dem Studium einen mit 67.000 Euro dotierten Beratervertrag angeboten bekommen hat. Es ist also bekannt, dass die Einstiegesgehälter in Ihrer Branche vergleichsweise hoch sind. Finden Sie das angemessen?

Wenn es aus Marktsicht nicht angemessen wäre, würden wir es nicht zahlen. Es ist ein faires Entgelt, wenn man es in Relation zur Leistung setzt. Dass es hoch ist, haben Sie behauptet.

Haben Sie erlebt, dass Bewerber den Job vor allem wegen des Geldes machen wollen?

Das kommt selten vor. Einen Job auch wegen des Gehalts zu wählen, finde ich aber ok. Es muss eine Komponente unter mehreren sein. Ich achte schon darauf, dass unsere Leute für den Beruf brennen.

Droht man in der Welt der Entscheidungsträger und Ersteklassereisen nicht den Bezug zum normalen Leben zu verlieren?

Ich will nicht abstreiten, dass es ein Risiko gibt. Als Berater muss man sich privat auch mal erden. Die Welt der Flughäfen und Business-Lounges ist sehr verlockend. Aber die meisten Kollegen wissen, was davon echt ist.

Wie heißt denn Ihre Yacht?

Da muss ich leider passen. Keine Yacht, kein Pferd, keine Pferdepflegerin.

Aber Sie könnten es sich schon leisten?

Ein Boot vielleicht, keine Yacht.

Ihr Job ist es, für den Erfolg von anderen zu sorgen. Was raten Sie Schülern und Studenten, die in ihrer Ausbildung sind?

Sie sollen mit Leidenschaft studieren und dafür brennen. Und was die Unternehmensberatung angeht: Man muss nicht BWL studiert haben, um bei uns einen Job zu bekommen. Das Fach ist völlig egal. Wichtig ist ein Studium, in dem die Studenten viel über Methodik lernen. Wenn sie darin gut ausgebildet sind, haben sie als Berater alle Chancen.

Per Breuer, 35, hat an der Universität in Hamburg Betriebswirtschaftslehre und an der London School of Economics International Management studiert. Seit 1998 arbeitet er bei „Roland Berger Strategy Consultants“. Zuerst war er als Unternehmensberater tätig, heute ist er Personalchef und arbeitet am Unternehmenssitz in München. Dort leitet er den Bereich „Global Human Resources“.

Foto: Virginiamoon

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