Gute Sache, Leben
Nebenan.de macht Schluss mit anonymer Nachbarschaft
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Manchmal fühlt es sich wirklich verrückt an: Da wohnt man Wand an Wand nebeneinander, kennt den Musikgeschmack und den Tagesrhythmus des anderen, und doch hat man oft nicht mehr als ein paar Sätze miteinander gewechselt. Dabei kann Nachbarschaft so viel mehr sein, als anonyme Geräusche oder diffuse Treppenhaus-Bekanntschaft. Die Plattform nebenan.de ist ein Online-Portal für Bewohner in ganz Deutschland, die ihre nachbarschaftlichen Beziehungen stärker pflegen wollen. Wie das? Auch wir sind neugierig geworden und haben Ina Brunk von nebenan.de ein bisschen ausgequetscht.
Wie entstand die Idee, die Plattform nebenan.de zu gründen?

Mein Mitgründer Christian Vollmann beschäftigt das Thema Nachbarschaft mittlerweile seit über zwei Jahren. Nach einem Umzug mit seiner Familie hatte er das Bedürfnis, die bis dahin noch so anonyme Nachbarschaft kennenzulernen. Er nahm damals all seinen Mut zusammen und klingelte bei seinen Nachbarn, um sich vorzustellen. Die Reaktionen waren nach einer anfänglichen Skepsis der Nachbarn durchweg positiv. Um diese Kontakte nicht wieder einschlafen zu lassen, rief er damals kurzerhand ein Online-Forum für seine Straße ins Leben.
Ich selbst komme aus einem kleinen Dorf und da hatte Nachbarschaft einen hohen Stellenwert. Das hat die Lebensqualität insgesamt erhöht.
Was ist neu und einzigartig an nebenan.de?
Mit nebenan.de bieten wir Nachbarn eine einfache, intuitive und sichere Plattform zum Aufbau sowie zur Pflege nachbarschaftlicher Beziehungen. Eine Plattform, die nicht nur online funktioniert, sondern auch offline wirkt und das echte Leben besser macht. Nachbarn mit gleichen Interessen oder ergänzenden Fähigkeiten können sich finden und gegenseitig unterstützen. Es geht um ein Miteinander, von dem jeder in jeder Lebenslage profitieren kann. Die Relevanz entsteht durch die Nähe und die Echtheit der Menschen.
Entscheidend dabei ist, dass Nachbarschaften wie kleine, eigene Kosmen funktionieren. Inhalte werden nicht von uns, sondern ausschließlich von den Nachbarn selbst kreiert. Die Nachbarschaften sind geographisch klar begrenzt und mit Hilfe eines Verifikationsprozesses erhalten nur echte Nachbarn Zugang. Das heißt, Personen aus anderen Regionen sowie Suchmaschinen können die Inhalte nicht sehen. Das schafft eine vertrauensvolle Umgebung, in der sich auch Nachbarn, die sich bisher nicht kannten oder neu sind, begegnen können.
Wie gewährleistet ihr, dass alte Menschen, die kein Internet nutzen, in die Nachbarschaft integriert werden?
Das ist natürlich eine Herausforderung, der wir uns stellen wollen. Denn Nachbarschaft bietet die große Chance, den überstrapazierten Begriff der Integration wieder zu erden: Integration von Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Zugezogenen (egal ob aus dem Nachbarort oder vom anderen Ende der Welt). Unsere älteste Nutzerin ist 86 Jahre alt und natürlich setzt die Nutzung von nebenan.de Grundkenntnisse im Umgang mit dem Internet voraus. Wir sind aber erstaunt, wie viele ältere Menschen sich dieser Herausforderung stellen. Langfristig möchten wir gerne jüngere Nachbarn motivieren, Älteren bei der Nutzung von nebenan.de zu helfen
Aktuell unterstützt uns ein Blinder aus einer Berliner Nachbarschaft, die Seite für Sehbehinderte zu optimieren und barrierefrei zu machen.
Was gibt es aus den Münchner Nachbarschaften zu berichten?

In München entstehen gerade die ersten Nachbarschaften. Momentan dreht sich also alles darum, sich neu anzumelden, kennenzulernen und weitere Nachbarn in seine Nachbarschaft einzuladen. Das geschieht momentan zum Beispiel im Westend, rund um den Gärtnerplatz und am Josephsplatz, in der Studentenstadt, südlich des Englischen Gartens, in Au-Haidhausen, im Lehel Süd und in Schwabing. Dann geht es meist schnell los und es wird getauscht, empfohlen und geholfen.
Das Tolle an nebenan.de ist, dass jede Nachbarschaft ganz einzigartig ist und gestaltet werden kann. Schöne Beispiele sind erste Nachbarschaftsstammtische, Urban-Gardening-Pläne für das Frühjahr, Foodsharing. Es sind aber oft vor allem die kleinen Dinge, die einem den Wert von Nachbarschaft wieder vor Augen führen: Handwerker- oder Arzt-Empfehlungen zum Beispiel. Ich könnte ewig weitererzählen, weil es mich selbst jeden Tag aufs Neue überrascht, was alles entstehen kann.
Fotocredit: nebenan.de