Aktuell, Kultur, Was machen wir heute?

Vorhang zu? Was Corona für Clubs & Kultur bedeutet

+++ Aktuelle Infos von Seiten der Stadt München findet ihr hier +++

+++ Update 13.3., 17:00 Uhr: Auch der Bahnwärter Thiel und der Kunst Block Balve bleiben vorerst geschlossen.+++

+++Update 12.3., 18:30 Uhr: Inzwischen haben auch der Blitz Club sowie das Kafé Kult ihre Veranstaltungen für das kommende Wochenende – im Fall des Kafe Kult für den restlichen Monat – abgesagt. Auch das Harry Klein bleibt vorerst geschlossen.+++

+++Update 12.3., 10.30 Uhr: In einem offenen Brief an OB Dieter Reiter kritisiert der Verband der Münchner Kulturveranstalter VDMK die Krisenkommunikation der Stadt (ganzer Brief unten im Artikel)+++

Der Corona-Virus kommt – leider – auch in Deutschland an. Schulen wurden bereits geschlossen, der Betrieb der Unis ist vorübergehend ausgesetzt. Seit gestern und heute umfassen diese Aussetzungen nun auch alle größeren öffentlichen Veranstaltungen und kulturellen Events in der Stadt.

Was das für dich, aber auch für die Mitarbeiter*innen der zahlreichen Kulturhäuser der Stadt bedeutet, haben wir hier recherchiert und zusammengefasst:

Großveranstaltungen mit über 1.000 Personen sind pauschal abgesagt

Die grundsätzliche Ansage ist unmissverständlich: alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gästen werden auf Basis des Infektionsschutzgesetzes bis zum 19. April pauschal abgesagt – mit sofortiger Wirkung.

Private und städtische Veranstalter*innen sind davon gleichermaßen betroffen. Ministerpräsident Markus Söder hat vorsorglich auch alle alle staatlichen Theater, Konzertsäle und Opernhäuser bis zum Ende der Osterferien am 19. April schließen lassen. Bereits gekaufte Eintrittskarten werden zurück erstattet.

Prüfschema für Veranstaltungen mit 500 bis 1.000 Gästen

Etwas komplizierter wird der Fall zwischenzeitlich, wenn bei einer Veranstaltung von 500 bis 1.000 Gästen auszugehen ist. Dann soll ein Prüfschema zur Anwendung kommen, das darüber entscheidet, ob eine Veranstaltung stattfinden darf oder nicht. Laut Jenny Becker von der Pressestelle des Kulturreferats wird diese Checkliste momentan erarbeitet und liegt uns (Stand 11.03.) derzeit noch nicht vor. Hier weiß wohl noch keiner so genau, wie mit diesen Fällen vorgegangen wird.

Kann ich meine Tickets zurückgeben?

Grundsätzlich gilt: Wird ein Konzert oder eine Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgesagt, erhältst du dein Geld zurück. Die genauen Modalitäten erfährst du vom Veranstalter oder der Vorverkaufsstelle. Sollten Ausweichtermine festgelegt werden, greift das Rückgaberecht aber nur, sofern du an einem Ausweichtermin nachweislich nicht kannst. Hotelkosten oder ähnliche Ausgaben sind nur dann erstattungspflichtig, wenn sie in einer Pauschalbuchung mit inbegriffen waren – oder wenn sich hier Anbieter kulant zeigen.

Solltest du aus reiner Vorsicht erwägen, Tickets zu einer Veranstaltung zurückzugeben – vor allem bei kleineren Konzerten wird dieser Fall denkbar sein – so leitet sich daraus allerdings keine Verpflichtung einer Rückzahlung an dich ab. In dem Fall bist du auf die Kulanz der Veranstalter angewiesen.

Raven trotz Corona? Nachgefragt im Nachtleben

Mit der Ausnahmesituation umgehen müssen auch die Münchner Clubs – auch wenn sie das Verbot in den allermeisten Fällen (noch) nicht direkt betrifft – die wenigsten Clubs haben schließlich ein Fassungsvermögen, das an die 500 Menschen oder gar an die 1.000 heranreicht. Das Thema ist dennoch omnipräsent: Frank Balve, Betreiber des Kunst Block Balve, ist dieser Tage wie so viele damit konfrontiert: Am Samstag findet dort ein großer Rave samt vorangehender Finissage einer Kunst-Ausstellung statt.

Vom Veranstaltungsverbot ist er nicht betroffen, auch wenn Balve beklagt, dass es selbst für ihn als Veranstalter schwierig ist, in der unübersichtlichen Situation an verlässliche Infos zu gelangen. Der Kunst Block Balve versucht “vernünftig und sachlich” zu operieren – keine Panik verbreiten, aber auch kein Kleinreden der potentiellen Gefahr: Barkeeper und Personal werden aus diesem Grund im Lager und an der Bar mit Desinfektionsmitteln versorgt sein und Handschuhe tragen. Auch Gäste haben Desinfektionsmöglichkeiten. Die Türsteher sind angehalten, an der Kasse ein genaues Auge auf Besucher*innen werfen – und im Zweifelsfall den Zutritt zu verwehren. Da trifft es sich ganz gut, dass im restlichen März ohnehin eine Betriebspause zur Neustrukturierung eingeplant war.

Perspektivisch gesprochen sagt er aber ganz klar: “Wir können nicht komplett brach liegen.” Gerade private Kulturveranstalter ohne staatliche Finanzierung leiden unter den Einbußen, die zu erwarten sind – haben mitunter Personal und Mieten, das sie stetig weiter bezahlen müssen. Monatelange Ausfälle werden sich aber – soviel ist klar – nicht alle leisten können.

Theater: Die Bühnen der Stadt bleiben vorerst geschlossen

Auch alle städtischen Theater – also zum Beispiel das Residenztheater, das Deutsche Theater, die Kammerspiele oder das Münchner Volkstheater – müssen sich der Karenzzeit bis zum 19. April anschließen. Das hat die Stadt München am Mittwoch beschlossen. Tickets können auf dem erworbenen Wege zurückgetauscht werden.

Als “frustrierend” beschreibt Ingrid Trobitz, Kommunikationsdirektorin des Residenztheaters, diese Situation, “vor allem für die Schauspieler*innen”. Drei Premieren des Residenztheaters im März müssen nun verschoben werden – Produktionen an denen bereits seit Monaten gearbeitet und deren Aufführungen entgegengefiebert wurde.

So sollte heute etwa “Der Drang” von Franz Xaver Kroetz Premiere feiern. Eine Premiere, die nun zur nicht öffentlichen ‚Generalprobe‘ für das Personal gerät. Vielleicht schafft es das Residenztheater, eine Streaming-Lösung des Abends umzusetzen, hofft Trobitz. Das Haus lässt gerade klären, ob dies rechtlich und technisch in der Kürze machbar ist. Das Resi im Netflix-Format quasi. Das sei aber letztlich nur ein schwacher Trost für die Theatergemeinde, denn Theater als “einzigartiges Live-Medium mit Publikumskontakt” sei dadurch natürlich nicht ersetzbar.

Was bedeutet das für die Kulturschaffenden finanziell?

Vergleichsweise gut abgesichert sind in dieser Notsituation wohl nur fest angestellte Schauspieler*innen. 55 sind es an der Zahl im Residenztheater: ihre Löhne werden grundsätzlich weiter bezahlt, wie wir erfahren. Schließlich wird weiterhin geprobt und gearbeitet hinter den Kulissen. Dies gilt aber nur, solange weiterhin keine gemeldete Corona-Infektion vorliegt.

Auch wenn Theaterhäuser wie das Residenztheater von staatlichen Förderungen profitieren und dadurch in gewisser Weise abgesichert sind, wird eine Spielpause von über fünf Wochen diese doch sehr empfindlich treffen. Noch ist zudem derzeit völlig unklar, ob diese Karenzzeiten nicht verlängert werden müssen.

Richtig prekär ist die Lage dagegen jetzt schon für alle freischaffenden Mitarbeiter*innen. Das sind zum Beispiel die an den Produktionen beteiligte Musiker*innen, Videokünstler*innen, aber auch Schauspieler*innen. Deren Vorstellungshonorare entfallen, zumindest am Resi, momentan gänzlich. Zu hoffen bleibt für sie vielleicht nur auf einen etwaigen staatlichen Entschädigungsfonds.

Offener Brief des VDMK an OB Reiter

In einem offenen Brief wendet sich der Verband der Münchner Kulturveranstalter an OB Dieter Reiter. Hier ist der Brief im Wortlaut:

 München, 11. März 2020 

Offener Brief an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Dieter Reiter 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter, 

wir wenden uns an Sie mit diesem offenen Brief, da wir aufgrund der aktuellen Situation wir als Münchener Kulturveranstalter in allergrößter Sorge sind, was das Überleben unserer vielfältigen Kulturlandschaft in München betrifft. 

Erlauben Sie, uns kurz vorzustellen: Wir sind der Verband der Münchener Kulturveranstalter (VDMK e.V.) mit aktuell über 70 Mitgliedern, aus allen Bereichen des Kulturlebens in und um München. 

Wir vertreten Clubs, alle Konzertveranstalter von der Klassik bis hinzu Rock und Pop, Großveranstalter (wie z.B. die Olympiapark GmbH, das Streetlife Festival, die OpenAir Kinos,…) und alle Hallenbetreiber. 

Unsere Mitglieder beschäftigen mehrere tausend Mitarbeiter und organisieren 15.000 Kulturveranstaltungen mit knapp 10 Millionen Besuchern im Jahr. 

Außerdem arbeiten die Mitglieder mit mehreren Dienstleistern (z.B. Sicherheitsfirmen, Technik-Firmen, Stage-Hands,…) zusammen. 

Durch das Verbot von Veranstaltungen mit über 1.000 Besuchern brechen uns fest eingeplante Umsätze weg. Genauso schlimm ist aber auch die aktuelle Verunsicherung unter den Mitgliedern, Besucher*innen und Künstler*innen welche Veranstaltungen zukünftig noch stattfinden dürfen. 

Deshalb haben wir folgende konkrete Fragen an Sie: 

– Sind Veranstaltungen unter 1000 Besucher*innen weiterhin durchführbar? 

– Gibt es Beschränkungen für Veranstaltungen von 500 bis 999 Besucher*innen? 

– Können Veranstaltungen unter 500 Besucher*innen grundsätzlich durchgeführt werden? 

Aus der Allgemeinverfügung des Ministeriums und der Pressekonferenz von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder erschließen sich diese Fragen nicht eindeutig und rechtssicher. 

Daher bitten wir Sie dringend als Oberbürgermeister eine Klarstellung des KVR zu veranlassen. 

Gerne sind wir auch kurzfristig bereit, diese Woche uns mit Ihnen und Vertretern der Behörden zu treffen. 

Wir haben uns auch schon Gedanken gemacht, wie wir die Situation für unsere Gäste, Besucher*innen und Mitarbeiter*innen so sicher wie möglich gestalten können. Gerne stellen wir Ihnen auch unsere langjährige Erfahrung und unser Know-how aus allen Sparten des Kulturlebens zur Verfügung. 

Uns ist klar, dass diese extreme Situation, die es vorher in Deutschland noch nie gegeben hat, sich rasch verändern kann. Umso wichtiger ist es für uns, in einen ständigen und verbindlichen Austausch mit Ihren Behörden zu kommen, was aktuell nicht der Fall ist. 

Gerne können wir die behördlichen Informationen an unsere Mitglieder weiterreichen. 

Wenn diese Krise mit den Einschränkungen des Kulturlebens länger andauern sollte, fürchten alle Veranstalter*innen um ihre Existenz, was einen massiven Kahlschlag für das Münchner Kulturleben in der Zukunft bedeuten würde. 

Wir richten daher noch zwei politische Bitten an Sie 

1. Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass in diesem Fall, die Veranstalter*innen (egal ob privat, städtisch bezuschusst oder städtisch) schnell und unbürokratisch Unterstützung erhalten. 

b. Derzeit können nur Angestellte und Arbeitnehmer*innen das Kurzarbeitergeld beanspruchen. Wir finden es überlebenswichtig für die Vielfalt des Münchner Kulturlebens, dass auch Selbstständige, Saisonkräfte, Studenten*innen und 450 € Mitarbeiter diese Hilfen beanspruchen können, von denen zahlreiche in dieser Branche arbeiten und existenziell darauf angewiesen sind. 

Uns ist bewusst, dass in diesen Tagen die Abgrenzung zwischen gebotener Vorsicht und Hysterie sehr schwierig ist. Wir sind uns unsere Verantwortung für Besucher*innen, Künstler*innen und unser Personal bewusst und stehen für sachliche und lösungsorientierte Gespräche gerne zur Verfügung. 

Mit der Bitte um rasche Antwort 

David Süß 

Vorstandsvorsitzender VDMK e.V. 


Photo: CDC on Unsplash

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