Stadt

Das Baureferat und die Schlaglöcher

Thierry Backes
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Nicht jeder Münchner Journalist schafft es in die “Rathaus-Umschau”, das offizielle Mitteilungsorgan der Stadt. Und wenn, dann nur, wenn er einen Fehler gemacht hat. Oder wenn er die Verwaltung mit einer Kolumne über Schlaglöcher provoziert.

Jede Münchner Zeitung hat ihre eigene Stadtglosse. Bei der Abendzeitung heißt sie “Monaco”, bei der SZ “NullAchtNeun” und beim Merkur “Münchner Freiheit”. Mal machen die hiesigen Journalisten sich über die Neigung der Münchner lustig, jeden Neubau, etwa die “wunderschöne Tankstelle” in Schwabing, missraten zu finden. Mal granteln sie, dass die Grantler im Biergarten aussterben.

Und mal klagen sie schlicht über Schlaglöcher – und sticheln dabei gegen die städtische Verwaltung. Peter T. Schmidt, Chefreporter der Lokalredaktion des “Münchner Merkur”, berichtet in der heutigen Ausgabe über einen grauenhaften Albtraum: “Einem elfjährigen Mädchen waren die Finger abgefahren worden. Das arme Ding war in ein Schlagloch gefallen und wollte sich gerade wieder hochziehen, als das Auto kam.” Dabei, ätzt Schmidt, gäbe es “in Wahrheit kaum Schlaglöcher” in der Stadt. Und wenn doch, dann würden sie “ruck-zuck geflickt. Das habe ich vom Baureferat erfahren.”

Aha. Nun weiß jeder Autofahrer, dass das so nicht ganz stimmen kann. Schmidt schreibt: “Ich neige zu Tagträumen, wenn ich Auto fahre. Da spüre ich dann – obwohl die Straße in Wahrheit makellos ist – auf dem Heimweg plötzlich einen harten Schlag. Die Ursache ist in der Dunkelheit nicht zu erkennen, aber ich höre ringsum Schreckensrufe oder Flüche, die hier wiederzugeben der Anstand verbietet.” Und so weiter und so fort. Schmidts Glosse endet mit der süffisanten Bemerkung, das Baureferat habe sich 49 Stunden nach seiner ersten Anfage noch einmal gemeldet. “Die haben nachgezählt: Es gibt wirklich zehn Schlaglöcher auf der B11.”

Eine nette Kolumne ist das, nicht mehr. Eigentlich. Wäre da nicht das Baureferat, das sich in der städtischen “Rathaus-Umschau” (Auflage: 1000 Exemplare) über die G-l-o-s-s-e echauffiert, einen “kurzen und pointierten, oft satirischen oder polemischen journalistischen Meinungsbeitrag”. Auf einer knappen Seite erklärt die Verwaltung “in eigener Sache”, was sie im Winter alles gegen Schlaglöcher tut. Richtig getroffen fühlt sich das Referat aber offenbar von der Sache mit den 49 Stunden: “Das Baureferat bittet um Verständnis, dass die Beantwortung einer Anfrage [lese: Schmidts Anfrage] zu einer konkreten Straße bei einem mehr als 2.300 Kilometer langen Straßennetz nicht sofort, sondern erst nach Abklärung durch den für deren Unterhalt zuständigen Straßenbaubezirk erfolgen kann.”

Bleiben zwei Fragen: Braucht das Baureferat für einen Anruf 49 Stunden? Oder hat die Abteilung Straßenbau seine Mitarbeiter extra zum Schlagloch-Zählen in die Kälte geschickt?

Offenlegung: Der Autor schreibt regelmäßig für den Münchner Merkur. Foto: Svenya Fritzsche/www.jugendfotos.de.

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