Leben

Der Schmerz sitzt tief

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katharina_Baunach

Katharina Baunach, 22, spielt beim FC Bayern München. Für ihr Ziel, bei der WM in Deutschland dabei zu sein, hat sie jahrelang gekämpft. Hier erzählt sie, wie ihr Traum plötzlich platzte. Ich konnte es kaum glauben, als die Bundestrainerin mich in der 76. Minute doch noch auf den Platz schickte. Der Algarve-Cup ist eines der wichtigsten Frauenfußballturniere der Welt und ich konnte nun mitmischen. Wir gewannen 2:0 gegen Finnland. Das war ein unbeschreiblich tolles Gefühl – der Jubel, der Erfolg. Ich hatte richtig Gänsehaut. Wenn es weiter so läuft, dachte ich, dann werde ich auch bei der Heim-WM spielen. Das war 2009.

Dann verletzte ich mich. Erst am Knie, dann gab‘s Probleme mit dem Zeh. Immer wenn ich gerade wieder fit wurde, tat etwas anderes weh. Im Januar 2010 diagnostizierten die Ärzte Transiente Osteoporose, eine Knochenkrankheit, deren Ursprung noch unbekannt ist. Man vermutete auch eine Durchblutungsstörung. Was es wirklich ist, weiß keiner. Fest steht: Die Krankheit kann nicht mal eben wegoperiert werden. Seit Dezember 2009 habe ich kein Spiel mehr gemacht. Das ist schrecklich lange her.

Früher war schon ein Tag ohne Fußball zuviel. Als ich fünf war, habe ich meine Brüder das erste Mal ins Training begleitet. Ich kickte ein bisschen in der Ecke, als der Trainer auf mich zukam und mich gefragt hat, ob ich mitmachen möchte. Die Jungs haben mich sofort akzeptiert. Mir war es wichtig, mit ihnen zu spielen. Da bekam ich die Härte, die man im Fußball braucht. Mit dreizehn bin ich in die Frauenabteilung gewechselt und habe ab 2004 in der U-15-Nationalmannschaft gespielt. Für mich stand fest: Ich will werden wie Messi.

Dafür habe ich viel Zeit investiert. Ich musste oft weite Strecken zu Spielen oder zum Training fahren und war bis Mitternacht unterwegs. Meine Freunde hatte ich hauptsächlich im Verein. Als ich vor fünf Jahren nach München gezogen bin, musste ich manche zurücklassen.

In der Saison 2009/10 wurde ich mit meiner Mannschaft Vizemeisterin in der Bundesliga und spielte in der Champions-League. Dann kamen die Verletzungen. Erst im August 2010 sah es so aus, als ob ich wieder in den Spielbetrieb einsteigen könnte. Ein Testlauf lief prima. Doch dann zog bei einer schnellen Laufbewegung im Training plötzlich ein Schmerz durch mein Knie. Wieder Pause.

Immer wenn ich Spiele meiner Mannschaft von der Tribüne aus gesehen habe, hat es mir das Herz zerrissen. Ich zitterte, wollte mit aufs Feld. Das Gefühl, hilflos zusehen zu müssen, war unerträglich.

Ich brauchte Abstand. Ich pendelte zwischen Reha und Aufbautraining, arbeitete mehr in meinem Job als Kommunikationskauffrau und versuchte irgendwie, die Freizeit zu füllen. Zu der Zeit wusste ich: Es wird knapp mit der WM. Die Vornominierungen waren im März. Ich war nicht dabei. Ich hatte so gehofft, vor meiner Familie und meinen Freunden im Nationaltrikot auf den Platz zu laufen.  Ich wollte bejubelt werden, wie beim Algarve-Cup. Ich hätte den Adler mit Stolz auf der Brust getragen.

Jetzt läuft die Weltmeisterschaft ohne mich. Das tut weh. Ich schaue mir keines der Spiele im Stadion an.

Foto: Sportagentur Witters (li.), Silke Keul (re.)

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