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Profit für Mensch und Natur: So war die erste Beyond Economy Konferenz in der Muffathalle
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450 Besucher*innen, 150 Expert*innen sowie zahlreiche Reden, Panels, Networking-Events und Workshops: Die erste beyond economy Konferenz in der Muffathalle war ein großer Erfolg – und ein Vorbote dessen was noch kommen mag. Die wichtigste Botschaft: Mittelstand, Geldgeber*innen und Idealist*innen müssen zusammenfinden. Und anfangen regenerativ zu wirtschaften. Nur so werden wir zukunftsfähig!
„Erfolg bedeutet nicht länger Gewinnmaximierung, sondern Nützlichkeit für Gesellschaft, Stakeholder und Natur“, sagt Michel Schwienbacher, Ecosystem Architect vom Symworking Ecosystem bei einem Pressegespräch kurz vor Beginn der Konferenz. Gleich wird er auf der Bühne stehen und hunderte Teilnehmer*innen auf das Event einstimmen. Er ist einer der Ideengeber der beyond economy Konferenz.
„Enkelfähig“ werden ist eines der Zauberwörter an diesem Tag. Schwienbacher meint damit, dass unsere Wirtschaft langfristig gesund und erfolgreich werden muss. Für Mensch wie Natur. „Wir müssen regenerativ wirtschaften“, sagt er. Das heißt, mehr an die Umwelt zurückzugeben, als man ihr entnimmt. „Verantwortungskapitalimus“, nennt er das.
Was ist beyond economy?
Vor allem um Kooperationen und Symbiosen der lokalen Wirtschaft geht es dem „Zebra Start Up“ Sym, welches hinter der Konferenz „beyond economy“ steckt und deren Mit-Gründer Schwienbacher ist. Zebra Start Ups, das sind Unternehmen, die sich zum Ziel gesetzt haben, gesellschaftliche Probleme zu lösen und gleichzeitig Profit zu erwirtschaften.
Wie gelingt diese Transformation? Dazu kann ein Blick in die Natur helfen, findet Schwienbacher: „Symbiosen sind die wahren Erfolgsgeschichten der Evolution, es gibt keinen Grund, warum das nicht auch für die Wirtschaft gelten sollte.“ Deshalb forscht und arbeitet Sym an funktionierenden Öko-Systemen für die Wirtschaft – bringt außerdem verschiedene Firmen an einen gemeinsamen Tisch. Die Konferenz ist nun ein weiterer Schritt in die Praxis und in die Öffentlichkeit.
50% des lokalen Mittelstandes sind bedroht
Unternehmen, die innerhalb der nächsten zehn oder zwanzig Jahre nicht auf nachhaltige und regenerative Geschäftsmodelle umstellen, werden an Relevanz und wirtschaftlicher Stärke verlieren, da ist sich Schwienbacher sicher. Das gelte für kleine wie große Firmen. Düstere Prognosen sehen etwa 50 Prozent des lokalen Mittelstandes durch Plattformökonomien und globale Unternehmen bedroht – wenn sich nichts ändert. Dabei gelte aber auch: „Ohne technologische Innovation werden wir die ökologischen und wirtschaftlichen Ziele nicht erreichen.“
Eine Firma aus Sauerlach machts vor
Wie man etwas ändern kann, macht derweil eine Firma aus Sauerlach bei München vor. Die Mayerhofer Elektronik GmbH arbeitet als erste Firma weltweit mit „Sekundärzinn“, das heißt mit recyceltem Zinn. Mayerhofer stellt Elektronik etwa für Medizingeräte, Ampelschaltungen und für Luft- und Raumfahrt her. „Jede normale Lötstelle auf der Welt ist aus Zinn“, erklärt Geschäftsführer Merlin Reingruber beim Pressetermin vor Ort – er ist einer der Keyspeaker des Abends. Dabei sei die Gewinnung von Zinn mit Umweltschäden und Raubbau in Herkunftsländern wie Indonesien verbunden.
Durch ein in Deutschland entwickeltes, neuartiges Recyclingverfahren kann Zinn aber recycelt werden. „Ich spreche gerade mit Firmen aus aller Welt“, sagt er. „Ich möchte maximal nützlich sein und das Wissen mit anderen teilen.“ Den Beweis, dass das Verfahren hervorragend funktioniert, tritt Reingruber gerade an – entgegen etwaigen Skeptikern. „Wir beweisen, dass Kreislaufwirtschaft nicht teurer und schlechter ist, sondern besser und günstiger.“ Wenn sich andere anschließen, könne das Verfahren günstiger werden, als die Neugewinnung von Zinn. Momentan zahlt er gleich viel, sagt er.
Es geht los: Das waren die Keynotes und Vorträge
Dann geht es auch auf der großen Bühne los. Bei seiner Keynote verdeutlichte Autor und Impact Designer Stefan Grabmeier, wie wichtig es ist, aus den fossilen Energien auszusteigen. „Es geht um radikale Ehrlichkeit“, sagt er. Radikal heiße schließlich – abgeleitet vom lateinischen radicalis – nichts anderes, als „an die Wurzel gehend“. Und genau das gelte: „Wir müssen an die Wurzel der Probleme.“ Die jüngsten Starkregen-Katastrophen etwa geben ihm Recht.
Deshalb gehören zu seiner Tätigkeit als Unternehmensberater auch Provokationen. Er hält sich dabei an das Dator’sche Gesetz: „Jede sinnvolle Aussage über die Zukunft sollte erst einmal lächerlich klingen.“
Johanna Gollnhofer spricht in ihrer Keynote über dagegen über Konsument*innen-Verhalten. An der Uni St. Gallen forscht sie am Institut für Marketing und Customer Insight dazu als Professorin. „Der größte Hebel ist es, wenn wir es schaffen, Menschen in den nachhaltigen Konsum zu bringen“, sagt sie.
Als Forscherin weiß sie aber, dass genau das sehr schwierig ist. Nur etwa 20% gelten als fest ökologisch motiviert beim Einkauf. Etwa 60% sind dagegen theoretisch für ökologischen Konsum, verhalten sich aber bisweilen anders. Sie sind sowas wie die Wechselwähler*innen unter den Konsument*innen.
Gerade in den letzten Jahren hat das Label „nachhaltig“ bei dieser Mitte an Anziehungskraft verloren, erzählt Gollnhofer. Sei es, weil es bisweilen an Glaubwürdigkeit mangelt, weil aktuell das Geld fehlt oder weil sich eine gewisse Verdrossenheit breit gemacht hat – und individuelle Bedürfnisse wieder höher gewertet werden als ökologisch verträgliches Verhalten. Beim Marketing sei das Wort „nachhaltig“ inzwischen sogar ein gewisser Killer. Ihr Tipp: Andere Vorteile des Produkts hervorkehren und zugleich ökologisch handeln. Etwas überspitzt: Tue Gutes, aber rede nicht darüber!
Musik, Workshops und Networking – Die weiteren Highlights
Nach den Keynotes ging es weiter mit vielen Programmpunkten in insgesamt drei Areas in der Muffathalle und im Ampere. Auch eine nach Themen geclusterte Networking-Area für lockere Gespräche und interessante Begegnungen war stets gut gefüllt. Ein richtiger Eisbrecher war außerdem das Unternehmer-Speeddating.
Zu den weiteren Highlights aus dem Programm zählten Workshops zu den Themen Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Geschäftsmodelle. Beim Panel zum Thema „Transformationsfinanzierung“ waren Vertreter*innen von Banken eingeladen, beim Panel zum Thema Blockchain wurde die Wichtigkeit von Technologie und Sicherheit beim Wandel der Wirtschaft deutlich.
Bei einem AI-Pitching präsentierten zehn AI-Unternehmen aus der Region ihre Geschäftsmodelle und Innovationen.
Ein besonderer akustischer Höhepunkt wartete am Ende des Tages mit einem Konzert der Concerto21 Stiftung auf die Besucher*innen. Die beiden Stipendiat*innen Shuteen Erdenebaatar und Goran Stevanovich begeisterten am Piano beziehungsweise Akkordeon mit einer Songauswahl irgendwo zwischen Pop, Klassik und Jazz.
Das sagen die Besucher*innen
Spricht man mit den Besucher*innen, wird die Aufbruchstimmung und der gute Vibe der Veranstaltung deutlich. Susanne Ambros etwa, Head of Relations bei Qualityminds fand die Keynote von Stefan Grabmeier sehr eindrucksvoll: „Er hat gezeigt, dass radikale Veränderungen im Bereich Nachhaltigkeit unumgänglich sind, da lineares Wachstum keine Zukunft mehr hat. Seine Argumente haben mir klar vor Augen geführt, dass wir uns alle bewegen müssen, um den nötigen Wandel zu erreichen.“ Ihre Firma betreut Softwarelösungen für Projekte der Kreislaufwirtschaft – aktuell etwa ein System zur Rotation von EU-Paletten.
Viktoria Kastner, freiberufliche Beraterin im Bereich digitales Marketing, ist bis aus Karlsruhe angereist. „Ich bin nicht nur für den theoretischen Input hier, sondern ich suche auch Kooperationspartner. Ich will mich in das Ökosystem einbringen und mein eigenes erweitern“, sagt sie. Besonders freute sie sich auch noch auf das Konzert am Abend.
Auf’s nächste Mal!
Mit anregenden Panels und Workshops, interessanten Keynote-Speaker*innen, der Netzwerk-Arena und spannenden Pitches war das erste beyond economy Festival ein voller Erfolg. Die inspirierende Atmosphäre und die große Neugierde war den ganzen Tag über spürbar und begleitet viele Besucher*innen sicher mit in die kommenden Tage und Wochen. Die ersten Symbiosen wurde eingegangen. Und ein Gefühl hatte man am Ende ganz bestimmt: Das war nur der Anfang!
Bilder: © beyond economy