Stadt, tagebook des Münchner Forums

Diskussion um den neuen Hauptbahnhof ist unterbrochen, die Planungen gehen weiter

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Das Auer+Weber-Konzept gilt noch, der Preis nicht mehr. Wie der künftige Münchner Hauptbahnhof aussehen soll und was er leisten kann, bestimmt derzeit vor allem der Rechen- und erst dann der Zeichenstift. Denn die Bahn hat sich zwar auf den preisgekrönten Auer+Weber-Entwurf wieder eingelassen, will ihn aber zu den deutlich geringeren Kosten ihres 2009 aus dem Hut gezauberten Gegenentwurfs einer bloßen Kommerz-Kiste haben. An dieser scheinbaren Quadratur des Zirkels arbeiten die Planer bei Auer+Weber derzeit.

Ob München ein neues Empfangsgebäude für seinen Hauptbahnhof bekommt, hängt entscheidend von der zweiten S-Bahn-Stammstrecke
ab. Treibt die bayerische Staatsregierung die voraussichtlich zweieinhalb Milliarden Euro für den geplanten zweiten Stammstreckentunnel auf und setzt diesen Betrag zu Lasten anderer Verkehrsprojekte hierfür ein, dann kommt als Zugangsbauwerk zum Tunnel auch der sogenannte Nukleus, ein vierzig Meter tiefes Loch mitten im Bahnhof – so breit wie die Eingangshalle des Hauptbahnhofs jetzt. Wird die zweite S-Bahn-Stammstrecke dagegen über den Südring geführt, entfällt mit dem „Nukleus“ auch der Zwang, dazu die Haupthalle abzureißen. Ob dann ein neuer Hauptbahnhof überhaupt kommt, ist ein Rechenexempel.

An dem beißen sich die Planer des Münchner Architekturbüros Auer+Weber+Assoziierte derzeit die Zähne aus. Denn was die Bahn von ihnen verlangt, scheint auf den ersten Blick kaum möglich: den prämierten und von der Stadt auch gewünschten Ursprungsentwurf zu realisieren – zu einem Kostendeckel, den die Bahn vorgegeben hat. Das zeigte sich am 2. Juli in einer Präsentation des Büros im Vorhoelzer-Forum der TU München.
2009 hatte die Deutsche Bahn dem allseits gelobten Auer+Weber-Entwurf für den Münchner Hauptbahnhof überraschend ein Gegenkonzept gegenübergestellt: eine Kommerz-Kiste. Sie war im Stadtrat krachend durchgefallen. Die Bahn hatte diese Idee daraufhin zurückgezogen – nicht aber deren Kostenberechnung. Auer+Weber soll nun seinen Qualitätsentwurf auf das Preislimit der Kommerz-Kiste herunter rechnen, ohne die Grundsätze seiner Gestaltung aufzugeben. Daran arbeitet das Münchner Büro derzeit. Bis zum Herbst will es Ergebnisse liefern. Wie stark die Bahn Auer+Weber preislich unter Druck gesetzt hat, will niemand sagen. Nur so viel scheint klar: Sieht die Bahn ihre Rendite-Vorgaben nicht berücksichtigt, hat sie kein Motiv, den Münchner Hauptbahnhof überhaupt zu erneuern. Irgendwie funktioniert er ja. Und rein theoretisch könnte man das jetzige Gebäude nach Teilabriss und Nukleus-Bau ja auch im jetzigen Gewand wieder herstellen. Der Nukleus soll ohnehin nicht aus dem Etat des Hauptbahnhofs finanziert werden. Er wird dem S- Bahn-Projekt zugerechnet, also einem anderen Topf.

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Wie viel von seinem Entwurf Auer+Weber den Renditeerwartungen der Bahn letztlich opfern muss, ist noch vertraulich. Immerhin reden die Bahn und das Architekturbüro wieder miteinander, nachdem der Gesprächsfaden zwischenzeitlich gerissen war. Das Herunterrechnen des Projekts auf das Kostenniveau der Kommerz-Kiste betreibt Auer+Weber im Auftrag der Bahn.

Zugleich hat das Architekturbüro einen Planungsauftrag der Stadt, das Umfeld des Hauptbahnhofs zeitgemäß zu erneuern. Das betrifft außer den Bahnhofsvorplatz auch die altstadtseitigen Bereiche der Arnulf- und der Bayerstraße. Der Bahnhofsvorplatz soll seinen heute chaotischen Charakter verlieren. Auto-Durchgangsverkehr und Bordsteine sollen verschwinden. Trambahnen sollen weiterhin fahren, aber wie in der Maffeistraße auf Gleisen zu ebener Erde. Taxis sollen in der Arnulf- und in der Bayerstraße vorfahren können, nicht mehr vor der Bahnhofs-Breitseite. Um den Bahnhofsvorplatz größer und offener erscheinen zu lassen, will Auer+Weber die Erdgeschossfassade des künftigen Empfangsgebäudes zur Mitte hin ein Stück zurücknehmen und im Zentrum rund fünfzig Meter weit völlig öffnen, so dass der Vorplatz einigermaßen fließend in die Bahnhofshalle übergehen kann. Im Ursprungsentwurf war außerdem vorgesehen, dass die Sperrengeschosse der S-Bahn und der U-Bahnhöfe durch neue unterirdische (Einkaufs-)Passagen unter der jetzigen Bahnhofshalle und unter dem jetzigen Querbahnsteig miteinander verbunden werden sollen. Ob es dabei bleiben kann, ist noch nicht heraus.
Das Planungsbüro Auer+Weber gibt sich optimistisch, dass Münchens neuer Hauptbahnhof irgendwann und irgendwie kommt – wie genau und vor allem wann, steht in den Sternen und hängt nicht nur von den staatlichen S-Bahn-Plänen ab. Denn auch bahnintern konkurriert deren Station und Service GmbH, die für Bahnhöfe zuständig ist, mit der DB Fernverkehr und anderen Geschäftsfeldern der Bahn. Millionen für einen neuen Bahnhof stehen nicht zugleich für neue Züge oder neue Gleise zur Verfügung. Auch die Bahn kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Nur wenn ein neuer Bahnhof der Bahn mehr einbringt als neue Züge, wenn also vermietbare Flächen im Bahnhof rentabler zu vermarkten sind als Sitze im Zug, wird sie den Bahnhof erneuern. Das weiß man auch bei Auer+Weber. Um die Kompromisse, die das Architekturbüro dazu in der Qualität seines Entwurfs vornehmen muss, ist es nicht zu beneiden. Offenbar hat sich die öffentliche Hand völlig aus der Verantwortung für den Öffentlichen Raum verabschiedet. Ob das wohl gut geht?

Bilder © Auer+Weber+Assoziierte

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