Kultur, Nach(t)kritik

Es klappert die Gebetsmühle

Philipp Bovermann
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Wer unterhalten werden will, hat hier nicht viel zu lachen. Matthias Kaufmanns Inszenierung von Karl Valentins „Der Firmling“, die derzeit im Rationaltheater gespielt wird, nähert sich dem eigentlich ja herrlich saudummen Witz Karl Valentins nur auf Stelzen an und wirkt in all seiner forcierten Tragik höchstens unfreiwillig komisch.

Eine eigenartige Kombination aus Ansprüchen, die dieses Stück an sich selbst stellt. Es erörtert sie explizit in „einer Art Manifest“ in Papierform, das der Besucher vorab erhält, während auf der Bühne ein Countdown herunter zählt – hopp hopp, lesen, sonst verstehst du nur wieder nichts! Gleich der erste Paragraph erhebt Valentins und Karlstadts Stücke auf eine Stufe mit denen Goethes und Schillers; sie seien „mit gleicher Achtung und Ernsthaftigkeit“ wie diese zu behandeln – und vielleicht liegt hier schon die Hauptschwierigkeit des Stücks, wenn es im Umkehrschluss nicht ebenso viel Sinn machen soll, Goethe mal total deppert zu behandeln: Der Komik, spezifisch der Valentins, und ihrer Abgründigkeit nachzuspüren wie dem Teufel mit dem Weihwasser.
Und zwar geht es in dem Stuck ja bekanntermaßen um einen Vater, der mit seinem „Pepperl“ in ein Wirthaus geht, zur Feier von dessen Firmung, und sich dabei frei aller Hemmungen betrinkt, aufführt und blamiert. Matthias Kaufmann interessieren dabei „die Teilaspekte interfamiliärer Repression, katholischer Traumata sowie politische Mentalitäten der Entstehungszeit. Sie klingen im Text an.“ Sehr wohl, das tun sie: Dass der zechende Vater sich auf ein pubertäres, schließlich präpubertäres Niveau zurücksäuft am Tage und im Zuge seines wackeren Ehrenamts, das ist nicht nur zutiefst menschlich und daher irre komisch, es zeugt auch von der Einsicht in eine existentielle menschliche Schwäche und Hilflosigkeit als dem eigentlichen Kern der komischen Gesinnung.
Daraus dann aber abzuleiten, dass man Valentin, der spezifischen Rezeptionsästhetik seines Witzes und damit der Essenz seiner Stücke einen Gefallen oder gar etwa hinzu täte, indem man den Firmling als klassische Tragödie in fünf Akten inszeniert, komplett mit Peripetie, retardierendem Moment und allem drum und dran, kann ja eigentlich nur eine der Schnapsidee sein, von denen wir auf der Bühne so viele ausgestellt bekommen. Es ist gerade sein sich wichtig und ernst nehmen, das den Vater auf der Bühne zum Objekt der Lächerlichkeit und zum eigentlich Unreifen, zum Firmling macht – das Gleiche gilt für das Stück als Ganzes.

theater

Scheinbar ohne es sich selbst ganz eingestehen zu wollen, inszeniert das Stück eine moderne (ziemlich schwache) Tragödie, die mit Humor nicht das Geringste zu tun hat; was ja auch völlig okay wäre, nur wurden gleichzeitig aus einer fehlverstandenen Klassikerverehrung, siehe oben, die Originaldialoge Wort für Wort beibehalten. Unterm Strich ergibt sich eine seltsame Spannung zwischen dem allzu offensichtlichen Interpretationsangebot seitens der Inszenierung und dem gesprochenen Wortlaut. Diese ungereimte Spannung macht das Stück nicht nur anstrengend und holprig, wie auch die ständigen, von einem unermüdlich „Achtung Achtung“ brüllenden Ferris MC begleiteten Umbauten, sondern der ständige Wink mit dem Zaunpfahl nimmt dem Stück gerade die Abgründigkeit, die zu interpretieren es beansprucht.
Der Grusel, das Rabenschwarze dieses Humors, verflüchtigt sich bei Tageslicht, insofern man es ausstellt. Das Stück ist zu richtig und neunmalklug; übersetzt in psychologische Termini wirken die Abgründe, die uns da lachen machen, zahm und beherrschbar. Die ungeschminkte Deutlichkeit der menschlichen Kreatur wurde in ein psychologisches Puppentheater übersetzt. Kein Wunder, dass kaum je gelacht wurde – außer an der Stelle, an der Pepperl für lange, wirklich SEHR lange Zeit einen ganzen Rosenkranz betet und schließlich der Kellner an dessen Stelle auf die Bühne tritt und jedermann erwartet: jetzt das Ganze nochmal von vorn. Das hatte schon eine gewisse Komik.

Wer den „Firmling“ trotzdem noch sehen will, kann das am 20. Januar im Rationaltheater tun.

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